Yield curve control: Warum der Staat Anleihenzinsen flach halten muss
„Keep the curve flat“ heißt es nicht nur angesichts der Infektionszahlen, sondern bei Zinsen für Staatsanleihen, angesichts explodierender Staatsschulden. Warum das so wichtig ist, was das für die Erträge von Sparbüchern und Staatsanleihen bedeutet und welche Investmentalternativen Experten empfehlen.
In Japan sind die Anleihenrenditen für 10-jährige Staatspapiere bereits bei null Prozent praktisch eingefroren.
Die Höhe der Schulden weltweit im Vergleich zum nationalen Einkommen ist exorbitant, aber nicht der entscheidende Punkt, so die Einschätzung von Christian Fegg, Vorstand der Schoellerbank Invest. Wichtig ist die Höhe der Zinszahlungen im Vergleich zum Einkommen. Früher als die Zinsen höher war die Höhe der Schulden sehr wohl ausschlaggebend, bei einem Zinssatz von Null gibt es diesen Zusammenhang nicht mehr. Ein gutes Beispiel für die aktuelle Lage liefert die USA. Die Schulden sind stark angestiegen, die Zinslast ist dagegen ziemlich stark zurückgegangen.
Zinsen stärker gefallen als Schulden gestiegen sind
In der Nachkriegszeit mussten noch rund 15 Prozent der staatlichen Ausgaben für Zinszahlungen aufgewendet werden. Ende 2019 lag dieser Satz auf 12 Prozent gefallen. Heuer könnte dieser Zinssatz trotz rasant steigender Corona-Schulden weiter fallen, weil die Zinsen noch stärker gefallen sind, als die Schuldenlast zugenommen hat.
10-jährige Zinsen: Keine Zinszahlungen
Fallende Zinsen sind nicht nur in den USA zu beobachten, sondern sind international. Für die Eurozone notieren die Renditen für 10-jährige österreichische Staatsanleihen minimal im negativen Bereich.
Guthaben muss mit Schulden gegengerechnet werden
Die Entwicklung der Staatsschulden ist unter ökonometrischen Gesichtspunkten nicht dramatisch. Zumal der Staat auch über Finanzguthaben verfügt, das von Schulden abgezogen werden muss, um ein besseres Bild der finanziellen Lage zu erhalten. Die Kreditabteilung einer Bank wird einem Kreditkunden schließlich auch sein Sparguthaben direkt anrechnen, wenn es darum geht, die Solvenz eines Kunden zu beurteilen.
Staatsanleihen gelten als Guthaben
Bei Staaten wird das Guthaben der Zentralbankguthaben in Form von Staatsanleihen können wirtschaftlich als Finanzguthaben des Staates gewertet werden. Deshalb kann man das Volumen, das Zentralbanken an Staatsanleihen halten, von den Staatsschulden abziehen. „Die Staatsschulden sind nach dieser Betrachtung erheblich tiefer als offiziell ausgewiesen“, so Schoellerbank Vorstand Fegg.
EU hat am wenigsten Schulden
Am meisten Anleihen weist die USA auf. So beträgt das Verhältnis von US-Schulden im Vergleich zur Wirtschaftsleistung (rote Linie) abzüglich der Staatsanleihen (Zentralbank-Geld) knapp 90 Prozent. In der Eurozone liegen die Schulden abzüglich BIP und Anleihen bei rund 30 Prozent. Nur in Japan liegen die Schulden, abzüglich aller Staatsanleihen und der Wirtschaftsleistung immer noch bei fast 100 Prozent wirtschaftliche Schulden.

Abzüglich Wirtschaftsleistung seiner Bürger und den Staatsanleihen hat die EU am wenigsten Schulden.
Ziel: Die Zinskurve flach halten – auch bei Staatsanleihen mit längerer Laufzeit
Das ändert aber nichts daran, dass jeder Zinsanstieg, angesichts der hohen Schulden, desaströs auf die Staatsbilanzen – und nicht nur auf diese – wirken würde, warnt die Wiener Privatbank. Deshalb dürfte die Diskussion um eine „Yield Curve Control“ ,also die Kontrolle der Zinskurve, zunehmen. In Japan wird das bereits praktiziert.
Japan kontrolliert bereits Anleihenzinsen
Dort legt die Bank of Japan nicht nur die kurzfristigen Zinsen fest, so wie dies die meisten anderen Zentralbanken tun, sondern sie hat auch eine Zielvorgabe für die langfristigen Zinsen. Wenn die Renditen für 10-jährige japanische Staatsanleihen etwa über null Prozent steigen, dann kauft die Bank of Japan diese Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe bzw. so lange, bis deren Rendite wieder bei 0 Prozent liegt, weshalb die Rendite 10-jähriger japanischer Staatsanleihen auch bei 0 Prozent liegt.
Bei 0 Prozent sind selbst extrem hohe Schuldenstände leicht finanzierbar
da sie genau genommen gar nicht finanziert werden müssen“, resümiert Investment-Experte Fegg. Das gilt selbst für Schulden in Höhe von über 200 Prozent der Wirtschaftsleistung. Wenn man die Staatsanleihen-Bestände der Bank of Japan abzieht, verbleiben noch etwa 100 Prozent wirtschaftliche Schulden.
Gold als einer der Alternativen - wenn auch volatil
Um dem Nullzins bei Staatsanleihen, sei es auch nur ein drohender Nullzins, empfiehlt die Schoellerbank Fonds, die ein aktives Rentenmanagement ermöglichen und Gold, wenn der Markt für das Edelmetall auch sehr klein ist. Zudem sei Gold mit Risiken behaftet, zumindest kurzfristig. Seit 1926 weist Gold eine Volatilität, also eine Schwankungsbreite, von jährlich im Schnitt knapp 16 Prozent auf. Das ist nicht weit von der Schwankung der Aktienmärkte (knapp 19 Prozent p. a.) entfernt. Ein Investment von 100 Dollar in Gold hat seit 1926 einen Ertrag von 7.000 Dollar eingebracht, während bei Aktien auch 100 Dollar über 800.000 Dollar geworden wären, wenn man die Dividenden reinvestiert hätte. Auch verzeichnete Gold in den letzten Jahrzehnten viele Rückschläge in der Größenordnung von 30 bis 56 Prozent.
Aktien sind der Königsweg um sein Vermögen vor langfristigen Realverlusten zu schützen
"Aktien sind jedoch nach wie vor der Königsweg, um das eigene Vermögen vor langfristigen Realverlusten zu schützen", so Schollerbank-Vorstand Fegg.
Privat und Staat: Schulden insgesamt hoch – in EU: 450 Prozent des BIP
Betrachtet man nicht nur die Staatsschulden, sondern die Gesamtschulden (Staat und Private), dann besteht in den USA für Zinserhöhungen noch der größte Spielraum, ohne dass gleich eine große Depression befürchtet werden müsste. Bei Gesamtschulden von etwa 350 Prozent der Wirtschaftsleistung sind etwas höhere Leitzinsen denkbar. Bei Gesamtschulden in Europa von über 450 Prozent des BIP und erst recht bei über 600 Prozent des BIP in Japan sind die Spielräume für Zinserhöhungen, ohne dabei noch größere wirtschaftliche Schäden anzurichten, dagegen viel geringer. In der Eurozone kumulieren sich die Gesamtschulden auf über 54 Billionen Euro − das sind 455 Prozent der Wirtschaftsleistung