Windräder: Entschädigungen für Anrainer?
Eine neue Studie der Universität für Bodenkultur in Wien versucht erstmals die Bewertung eines durch Windkraft nicht beeinträchtigten Landschaftsbildes. Und kommt indirekt auf 1,3 Millionen Euro je Windrad.
Die Abrechnung: Wird das Landschaftbild durch Windräder zerstört, sollen Anrainer dafür entschädigt werden.
Der Zeitpunkt könnte heikler nicht sein: Ausgerechnet in der Phase eines massiv höheren Bedarfs von Wind- und Sonnenkraft, erstellte die Boku eine Studie über versteckte Kosten des Ökostromausbaus. Dabei wurden unterschiedliche Ausbaugrade für Photovoltaikkraftwerke (PV) und Windkraft gegenübergestellt. Die nicht uninteressanten Zwischenergebnisse: Unter der Prämisse, dass 100 Prozent Ökostrom verwenden werden, kostet Österreich jedes nicht errichtete Windrad 1,3 Millionen Euro, weil der benötigte Ökostrommenge dann durch die teurere Technologie Solarkraft aufgebracht werden muss.
Das kann als Plädoyer für mehr Windräder gewertet werden. Im Umkehrschluss wird weiter argumentiert, Österreich spare sich so zwar Geld, nehme aber ein beeinträchtigtes Landschaftsbild für die Anrainer in Kauf. Man könne und solle daher über Kompensationszahlungen nachdenken.
Die Studie „The Cost of Undisturbed Landscapes“ vom Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur in Wien wurde mit öffentlichen Mitteln im Rahmen vom EU-Programm reFUEL finanziert und auch vorab publiziert. Die Autoren wollen auf Anfrage dazu aber erst nach einer wissenschaftlichen Diskussion im Rahmen der so genannten Peer-Review-Phase Stellung nehmen.
Auch bei den Interessensvertretungen der betroffenen Kraftwerksbetreiber, der IG-Windkraft und dem Photovoltaikverband, will man die Studie bislang nicht kommentieren. Grundsätzlich, so heißt es, lasse man sich nicht gegeneinander ausspielen. Man brauche sowohl Windkraft als auch PV-Kraftwerke, um das gesteckte ehrgeizige Ziel zu erreichen.
Mehr als ehrgeiziger Ausbau
Der Ansatz der Autoren, soviel lässt sich aus dem Studientext selbst herauslesen, geht von der politisch vorgegebenen Aufteilung der zukünftigen Stromproduktion in Österreich auf erneuerbare Produktionsformen aus. Um den noch vorhandenen fossilen Anteil (aus Importen und Eigenproduktion) zu ersetzen, müssten bis 2030 PV-Kraftwerke für 11 Terawattstunden (TWh) zusätzlich errichtet werden (Ökostromeinspeisung 2019: 0,7 TWh), gefolgt von Windrädern mit 10 TWh zusätzlich (Ökostromeinspeisung 2019: 6,2 TWh).
Die Umstellung auf so viel Wind- und Sonnenkraft ist nicht gerade einfach, denn deren Stromproduktion ist volatil. Besonders komplex sind PV-Anlagen. Erstens benötigen sie große Flächen, brauchen auch stärkere Dimensionierung, weil sie weniger Strom je installierter Kraftwerksleistung liefern und schwanken stark in ihrer Ertragskraft, zwischen extrem hoch im Sommer und extrem nieder im Winter. Dabei ist gerade dann in Zukunft aber verstärkte Stromnachfrage zu verzeichnen – etwa durch den Einsatz von Wärmepumpen in der Raumheizung.
Diese saisonale Differenz müsse durch (vorläufig auch fossile) Ausgleichsmaßnahmen ausgeglichen werden, was zu hohen Kostenbelastung führt (auch durch einen zukünftigen CO2-Preis), berechnet die Boku. Besonders teuer sind dabei kleine PV-Kraftwerke auf Hausdächern, besser kalkulierbar seien Anlagen im industriellen Maßstab auf Freiflächen. Verglichen mit der Stromproduktion und den Integrationskosten eines durchschnittlichen Windrads (drei MW) kommt die Studie auf 1,3 Millionen Euro Mehrkosten.
„Benefits und Lasten fair aufteilen"
Je mehr Windkraft, umso besser für Österreich, folgern die Studienautoren daher auch, denn die Gesellschaft erspare sich dadurch Opportunitätskosten. Aber sie denken noch weiter: Diese Ersparnis ist so hoch, dass sie „signifikante Kompensationszahlungen“ an alle jene ins Spiel bringen, die durch die Errichtung von Windkraftanlagen mit einem beeinträchtigten Landschaftsbild leben müssen. Vor allem, weil umgekehrt die Profits aus Stromüberschüssen (Exporte) bei den Kraftwerksbetreibern bleiben: „Eine faire Aufteilung von Benefits und Lasten würde zu einer höheren Akzeptanz führen“, so das Resümee im Studienfazit.
Die Rechnung wird gerade bei Windkraftgegnern derzeit wohl auf großes Interesse stoßen. Die geplanten Ausbauüberlegungen rufen bereits meist regionale, aber teils heftige Widerstände hervor. Etwa im Waldviertel, wo sich Bürgerinitiativen (IG Waldviertel) gegen einen weiteren Ausbau im Windpark Brunn ausgesprochen haben.
Aber auch die Bundesländer selbst stehen einer Ausweitung von Windkraftflächen skeptisch gegenüber. Niederösterreich etwa akzeptiert zwar Effizienzsteigerungen, also den Ersatz kleinerer durch größere Windräder, will dabei aber mit der bisherigen Standorten (Zonen) das Auslangen finden. In Oberösterreich wiederum verhindert ein Naturschutzgesetz die Errichtung jedes weiteren Windrades, ein Windkraftprojekt auf der Stubalm ist bereits ein Fall für den Verwaltungsgerichtshof geworden.