Wifo/IHS: "Tiefste Rezession in Österreich seit Zweitem Weltkrieg"

Die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS rechnen 2020 mit einer schweren, aber kurzen Rezession. 2021 soll es wieder einen Aufschwung geben. Die Auswirkungen für den Arbeitsmarkt seien verheerend. Das Budgetdefizit wird weiter steigen.

Wifo/IHS: "Tiefste Rezession in Österreich seit Zweitem Weltkrieg"

Wien. Ausgelöst wurde die weltweite schwere Rezession durch die umfangreichen, von der Politik verhängten Restriktionen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. "In Österreich ist dies die tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg", erklärte das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) am Freitag zur neuen vierteljährlichen Konjunkturprognose.

Der Rückgang der Wirtschaftsleistung sei 2020 deutlich stärker als 2008/09 in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise - der Tiefpunkt scheine aber schon durchschritten und die Erholungsphase eingeleitet zu sein, so das Wifo. Die Unsicherheit halte aber an, auch zum weiteren Verlauf der Pandemie. Die Prognosen von Wifo und IHS stehen unter dem Vorbehalt, dass keine zweite große Welle aufflammt - denn je länger die Wirtschaft nicht aktiv wäre, desto stärker könnte sie dauerhaft geschädigt werden.

Es werde eine "tiefe, jedoch kurze Rezession in Österreich geben", so das Wifo, wobei sich der Abschwung auf zwei Quartale beschränken sollte. Trotz des Wachstums 2021 werde das Vor-Corona-Niveau damit jedoch noch nicht erreicht sein.

Das IHS geht fürs laufende erste Halbjahr von 9,5 Prozent BIP-Rückgang im Jahresabstand aus - und das Wifo nimmt an, dass in der zweiten März-Hälfte die Wirtschaftsleistung sogar um bis zu einem Viertel geschrumpft sein dürfte. Laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) betrug der Rückgang der wöchentlichen Wirtschaftsleistung im Lockdown rund 25 Prozent (Ende März bis Mitte April) bzw. 20 Prozent (Mitte April bis Anfang Mai), erinnert das IHS. Seit Anfang Mai seien es rund 10 Prozent Minus.

Denn die Schließungsschritte lösten Angebotsschocks aus - und die Zurückhaltung bei Konsum, Investitionen und Auslandsnachfrage auch Nachfrageschocks. Binnen weniger Wochen änderten sich die wirtschaftlichen Aussichten grundlegend. Angebotsseitig unter Druck kamen Sachgütererzeugung sowie Gastronomie, Beherbergung, Verkehr. Nun zeichne sich eine Erholung ab - wegen der schrittweisen Rücknahme der Eindämmungsmaßnahmen und weil sich Privathaushalte und Firmen immer mehr an gewisse bleibende Einschränkungen anpassen, so das Wifo.

Für den Arbeitsmarkt ist der Konjunktureinbruch verheerend - der langjährige Aufbau der Beschäftigung endete im März abrupt und die Arbeitslosigkeit stieg erheblich. Kurzarbeit schränkt die Negativeffekte ein und soll Menschen für die kommende Erholung in den Betrieben halten. Dennoch erwartet das Wifo für 2020 einen Rückgang der Beschäftigung um 2,1 Prozent, nach noch 1,6 Prozent Anstieg 2019 - das IHS geht von 2,5 Prozent Rückgang und dann 1,5 Prozent Anstieg aus. "Der größte Teil der krisenbedingten Anpassung auf dem Arbeitsmarkt dürfte über eine Verringerung der Arbeitszeit erfolgen", meint das Wifo. Heuer dürften um 7,0 Prozent weniger Arbeitsstunden geleistet werden, 2021 dann 4,6 Prozent mehr.

Auch global stürzte die Konjunktur ab - das IHS spricht vom stärksten Einbruch der Weltwirtschaft seit den 1930er Jahren. International wurde die Wirtschaftsaktivität angesichts des weltweit rasanten Anstiegs der Infektionszahlen im ersten und vor allem im zweiten Quartal in vielen Ländern drastisch eingeschränkt - durch die schrittweisen Lockerungen wird für die restliche Jahreshälfte jedoch eine allmähliche Erholung erwartet. "Im zweiten Quartal dürfte der Tiefpunkt der weltweiten Rezession erreicht worden sein, und die Weltwirtschaft sollte ab der Jahresmitte wieder expandieren", so das IHS. Aus dessen Sicht dürfte der Euroraum heuer um 8,5 Prozent schrumpfen, stärker als Österreich, und dann 2021 um 6,3 Prozent zulegen. Die Weltwirtschaft sieht man heuer um 4,8 Prozent zurückgehen, 2021 sollte sie dann um 5,3 Prozent wachsen. Stärker trifft es den Welthandel, der dürfte heuer um 13 Prozent einbrechen und 2021 mit plus 8 Prozent wieder an Fahrt gewinnen, so das IHS.

Österreichs Exporte brechen heuer wegen der weltweiten Rezession stark ein, nämlich um 14,8 Prozent aus Sicht des Wifo, dabei die Warenexporte allein um 13,5 Prozent. 2021 sollte es dann eine Steigerung um 9,5 bzw. 7,1 Prozent geben, wird erhofft. Beim IHS rechnet man für heuer mit 11,3 Prozent Rückgang der Gesamtexporte, 2021 mit 9,0 Prozent Anstieg; die Importe sieht man heuer wegen der schwachen Inlandsnachfrage 7,3 Prozent tiefer, erwartet dann aber 5,4 Prozent Plus.

Die Investitionen in Österreich dürften heuer um 6,5 Prozent sinken, 2021 dann 4,8 Prozent zunehmen. Laut Umfrage im Mai strichen 21 Prozent der Unternehmen Investitionsprojekte - besonders stark im Dienstleistungs- und Sachgüterbereich, weniger in der Bauwirtschaft, so das Wifo. Der Privatkonsum dürfte heuer um 5,5 Prozent schrumpfen, nimmt das Institut an, 2021 soll es durch eine wieder geringere Sparquote 4,5 Prozent Ausweitung geben.

Inflationsseitig gibt es eine Entspannung - vor allem durch die Rohölverbilligung. Im Mai lag die Inflationsrate bei 0,7 Prozent, die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) bei gut 1,5 Prozent. Heuer und nächstes Jahr dürfte die Teuerungsrate mit 0,6 bzw. 0,9 Prozent sehr gedämpft bleiben, nimmt das Wifo an, das IHS geht von 1,0 und 1,3 Prozent aus. Die im gesamten Prognosezeitraum negative Produktionslücke (Output-Gap) dürfte die Teuerung dämpfen - dadurch wirkt in der Covid-19-Krise der negative Nachfrageschock stärker als der negative Angebotsschock. Dagegen dürfte der Anstieg der Lohnstückkosten (wegen der recht hohen Lohnabschlüsse von 2019) den Preisauftrieb heuer verstärken, erklärt das Wifo.

Der Staatshaushalt wird durch die Maßnahmen der Regierung massiv belastet - allein das schon im März aufgelegte Hilfspaket umfasst 38 Mrd. Euro zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Covid-19-Folgen, samt den Mitte Juni bei einer Regierungsklausur vorgestellten Maßnahmen geht es um insgesamt 50 Mrd. Euro. Deshalb geht das IHS für heuer von einem gesamtstaatlichen Defizit von 11,5 Prozent des BIP aus, nächstes Jahr könnte das Defizit auf 4,0 Prozent zurückgehen. Beim Wifo kalkuliert man mit heuer 10,3 Prozent und 2021 dann 6,0 Prozent Defizit. 2019 hatte es noch 0,7 Prozent Maastricht-Überschuss gegeben.

Unsicherheiten gibt es laut Wifo vor allem zum erwarteten Budgetvolumen der Kurzarbeit und der Fixkostenzuschüsse. In der aktuellen Budgetprognose werden für die Kurzarbeitsbeihilfe 8,2 Mrd. Euro und für die Fixkostenzuschüsse 7,8 Mrd. Euro veranschlagt. Das liege noch deutlich unter dem vorgesehenen Höchstrahmen für beide Maßnahmen von je 12 Mrd. Euro.

"Die Abschätzung des Budgetdefizits ist mit großer Unsicherheit behaftet", sagt auch das IHS und hält nach Bewältigung der Krise jedenfalls Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung für notwendig. "Die Wirtschaftspolitik sollte durch die Förderung von Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung, Technologie und Infrastruktur die Wachstumskräfte der heimischen Volkswirtschaft stärken", wird betont. Nötig seien auch wirksame Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele. Reformen etwa in den Bereichen Pensionen und Föderalismus könnten Einsparungspotenziale heben.

Keine Überraschung für den Finanzminister

Für Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) ist der von Wifo und IHS prognostizierte coronabedingte Wirtschaftseinbruch von rund 7 Prozent "keine massive Überraschung". Es handle sich um eine "Momentaufnahme. Ich hoffe, dass es sich noch verbessert bis zum Jahresende." Grundvoraussetzung sei, eine zweite Coronawelle zu verhindern. "In diesem Sinne bitte ich alle, sich an die Abstandsregeln zu halten."

Bezogen auf das Budgetdefizit, Maastrichtkriterien und einen finanziellen Spielraum im Staatsbudget für eine etwaige zweite Welle sprach Blümel bei einer Pressekonferenz am Freitag auf Nachfrage davon, dass die Herausforderungen derzeit für alle Staaten groß seien. Österreich habe in den vergangenen Jahren seinen Schuldenberg von rund 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf unter 70 Prozent gedrückt. Die Konditionen bei 10-Jährigen Anleihen seien derzeit "teils besser" als vor dem Ausbruch der Coronakrise. "Das zeigt, dass der Markt vertrauen in Österreich als stabilen Schuldner hat", sagte der Politiker.

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