Wie die Pandemie die Strategie der Händler langfristig verändert

Seit Corona ist im Handel nichts mehr so wie es war. Wie die Händler bisher versucht haben, das Ruder erfolgreich herumzureißen, wie deren Strategie im Post-Corona-Jahr aussieht, welche Konzepte im Handel besonders erfolgversprechend sind und welche Händler dringenden Handlungsbedarf haben.

Wie die Pandemie die Strategie der Händler langfristig verändert

Über 80 Prozent der befragten Händler erwarten in Zukunft mehr Onlinebestellungen.

Die Pandemie hat den Handel auf den Kopf gestellt. Nicht nur während dessen und in den härtesten Phasen, sondern wohl auch dauerhaft wird nichts mehr so sein, wie es war. Um die Auswirkungen der Krise auf die Händler genauer zu ergründen, haben der Handelsverband und die Berater von Ernst & Young (EY) 136 Mitglieder des österreichischen Handelsverbands befragt. Die Umfrage richtete sich an Händler aller Größen und Warengruppen – vom EPU und KMU bis hin zum filialisierten Unternehmen. Insgesamt zählt der Handel mit 600.000 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern des Landes.

Diesen Strategieschwenk haben die Händler in der Pandemie eingeleitet
Um Mitarbeiter zu halten und Umsatzdefizite auszugleichen, war bei vielen Unternehmen rasches Umdenken nötig. Fast 60 Prozent haben erst einmal einen eigenen Online-Shops aufgebaut oder erweitert. An zweiter Stelle der Prioritäten standen für die Hälfte der Befragten Einsparungen.Diese Strategie verfolgten vor allem jene, die nur über einen stationären Handel verfügten. 38 Prozent haben die Präsenz auf Online-Marktplätzen ausgebaut und das Netzwerks von Lieferanten und Partnern optimiert. Neben dem eigenen Onlineshop (79 %) gaben 16 Prozent der Händler an, verstärkt Verkaufsportal wie willhaben.at zu nutzen (siehe Grafik) . Willhaben reiht sich damit sogar noch knapp vor Amazon und shöpping ein (je 15 %).
2021 soll weiter in das Onlinebusiness investiert werden . Knapp die Hälfte der Unternehmen will die für 2021 geplanten Investitionen auch weiterhin tätigen. Die andere Hälfte tritt dagegen bei Investitionen nun auf die Bremse gedrückt und die Ausgaben gesenkt – um durchschnittlich 27 Prozent.

Im Coronajahr hat für viele Händler im Onlinehandel die Stunde Null geschlagen

Viele Händler mussten ihren Onlinehandel in der Pandemie erst aufbauen.

Shopping-Plattformen wie Willhaben gewinnen an Relevanz

Neben dem eigenen Onlineshop gewinnen Marktplätze wie Willhaben seit der Pandemie für den eigenen Vertrieb an Relevanz.

Onlineshopping und Regionalität: wichtigsten langfristigen Veränderung im Kundenverhalten

Online-Bestellungen weiterhin beliebt, Regionalität und Nachhaltigkeit auf dem Vormarsch
Die Pandemie wird auch nicht ohne Langzeitfolgen für den Handel bleiben. So rechnen die befragten Händler mit zahlreiche Veränderungen für den Handel und damit auch für das Konsumverhalten als Folge der Corona-Krise.
So rechnen 81 Prozent auch nach der Krise vermehrt mit Online-Bestellungen und folglich mit einem Rückgang von Einkäufen in stationären Filialen (48 %) (siehe Grafik).
Als weiteren großen Trend erachten die befragten Händler das Thema Regionalität. Schon während der Pandemie sei die Nachfrage nach heimischen Produkten und Dienstleistungen gestiegen Die Hälfte der Unternehmen erwartet auch langfristig eine steigende Nachfrage nach regionalen Produkten.40 Prozent erkennen einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit.

Der Zug zum Onlinehandel gewinnt durch die Pandemie besonders an Fahrt, so die Händlerprognose.

Der Zug zum Onlinehandel gewinnt durch die Pandemie besonders an Fahrt, so die Händlerprognose.

Kleine Unternehmen können Chancen durch veränderte Nachfrage nutzen

Kleine Unternehmen im Vorteil
„Gerade hier können vor allem kleinere Unternehmen punkten. EPU und KMU überzeugen durch Authentizität und spezielles Kundenservice – sie sind nahe an den Konsumenten und dadurch bei ihren Bestrebungen nach Nachhaltigkeit und Regionalität besonders glaubwürdig", so Rainer Will, Geschäftsführer des Österreichischen Handelsverbandes. Außerdem können sie in Krisenzeiten oftmals rasch und flexibler agieren, um direkt auf die akuten und aktuellen Wünsche der Kundschaft anzusprechen“, kommentiert Martin Unger, Leiter der Strategieberatung bei EY Österreich.


Händler kämpfen noch immer um jeden Euro in der Kasse

Für 2021: Fast die Hälfte erwartet sinkende Umsätze
Der Status quo ergibt jedoch wenig Erfreuliches: Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ist im österreichischen Handel nach wie vor deutlich spürbar. Im Schnitt brachen die Umsätze im Lauf der Pandemie um 25 Prozent ein. Bei über 50 Prozent der Händler gingen die Umsätze um mehr als 25 Prozentpunkte zurück. Am stärksten von den Rückgängen betroffen waren wegen der verhängten Lockdowns Juweliere, Optiker und Fotoserviceanbieter, aber auch der Großhandel. Rund 30 Prozent der Händler konnten ihren Umsatz steigen. Für das Jahr 2021 erwartet fast die Hälfte der Händler sinkende Umsätze von durchschnittlich minus vier Prozent. Besonders betroffen sind kleine Unternehmen, bei denen das Minus sogar bei sieben Prozent liegt. "Die Händler kämpfen noch immer um jeden Euro in der Kasse", resümiert Verbandschef Will. So erwarten 43 Prozent noch höhere Verlusten als schon im Corona-Jahr 2020.

Besonders stark ist die Kundenfrequenz in der Pandemie im Sporthandel oder etwa in Drogerien zurückgegangen.

Zukunft mit weniger Rabatten

Kommt eine Zeit ohne Rabatte?
Mehr als die Hälfte der Unternehmen (59 %) wollen auf Rabatte verzichten, nur jedes zehnte (9 %) plant deutliche Vergünstigungen für alle Konsumenten. "Die Kunden kaufen seit der Krise bewusster und qualitativ hochwertigere Produkte. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, nicht durch gedrückte Preise, sondern durch Angebotsvielfalt, Service und Qualität herauszustechen“, analysiert Unger.


Jeder Händler, der nach wie vor auf rein stationäre Vertriebskonzepte setzt, muss dringend an seinem Modell arbeiten

„Die Krise macht nun sichtbar, was zuvor schon feststand: Die Digitalisierung transformiert den Handel fundamental. Jeder Händler, der nach wie vor auf rein stationäre Vertriebskonzepte setzt, muss dringend an seinem Modell arbeiten. Reine Onlinehändler haben es aber nach wie vor schwer – Hybridkonzepte sind gefragt“, erklärt Nikolaus Köchelhuber, Experte im Bereich Handel- und Konsumgüter bei EY Österreich.

Personalstand vergleichsweise stabil
Im Vergleich zu anderen betroffenen Branchen hat sich die Handelssparte in den letzten Monaten beim Personalabbau zurückgehalten: Die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen (84 %) musste keine Kürzungen ihres Personalstands vornehmen, zehn Prozent haben sogar Mitarbeiter eingestellt. Die Mehrheit rechnet auch in den nächsten Monaten nicht mit Entlassungen oder wollen sogar zusätzliches Personal einstellen (24 %). Für 17 Prozent könnte das jedoch in den kommenden zwölf Monaten ein mögliches Thema sein. Um Personalkürzungen zu vermeiden, werden Mitarbeiter kurzzeitig anderweitig eingesetzt, fünf Prozent haben diese sogar umgeschult. Die Mehrheit (70 %) plant hingegen auch in Zukunft keine Verschiebungen der Tätigkeiten.

Lieferverzögerungen und Lieferantenausfälle bei mehr als drei Viertel der Händler
Die Entwicklungen rund um COVID-19 in den letzten Monaten haben auch ein großes Maß an Planungsunsicherheit in Sachen Lagerstand erzeugt. Fast zwei Drittel der Händler (62 %) geben an, sich mit einer Steigerung des Lagerstandes konfrontiert zu sehen, drei Viertel (78 %) der befragten Unternehmen haben mit Lieferverzögerungen oder Lieferantenausfällen zu kämpfen. „Corona führt zu massiven Verwerfungen in der Supply Chain. Acht von zehn Händler kämpfen mit Lieferverzögerungen, während gleichzeitig fast zwei Drittel aller Betriebe durch die harten Lockdowns Altwarenbestände aufgebaut haben“, so Will.

Aufbaulehrgang eCommerce-Fachwirt:in gefordert
Der Handelsverband fordert einen Aufbaulehrgang "eCommerce-Fachwirt:in" zu schaffen, um dem akuten Fachkräfte- und Lehrlingsmangel entgegenzuwirken. „Wir fordern eine Plattformhaftung bei Produktfälschungen. An einer globalen Mindeststeuer von zumindest 15 Prozent führt ebenfalls kein Weg mehr vorbei. Wir brauchen diese Regelung spätestens bis Ende des Jahres“, so Handelssprecher Will.

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