Was 1 Prozent mehr Nachfrage nach heimischen Lebensmitteln bringt
Wirtschaftsforscher haben errechnet, welchen Effekt eine einprozentige Steigerung der Nachfrage nach heimischen Lebensmitteln auf Produktion, vor- und nachgelagerte Verarbeitung hätte und wie viele zusätzliche Beschäftigte das bringen würde.
Werden nur ein Prozent mehr landwirtschaftliche Produkte made in Austria gekauft, könnte das das Bauernsterben verlangsamen.
Eine höhere Nachfrage nach regionalen Produkten kann den Strukturwandel in der österreichischen Landwirtschaft verlangsamen. "Der Trend kann nicht umgekehrt, aber gebremst werden", sagte Wifo-Agrarökonom Franz Sinabell bei der Präsentation einer Studie im Auftrag der Landwirtschaftskammer.
Neun Prozent der Beschäftigten in Agar- und Lebensmittelsektor
Von der Nachfrage nach heimischen Produkten hängt ein größerer Wirtschaftszweig ab. Rund neun Prozent der Beschäftigten in Österreich arbeiteten 2018 laut Wifo-Studie im Agrar- und Lebensmittelsektor, davon drei Prozentpunkte in der Landwirtschaft. Der Anteil an der gesamten Wertschöpfung lag bei fünf Prozent, davon knapp ein Prozentpunkt in der Landwirtschaft.
Die Wifo-Ökonomen Franz Sinabell und Gerhard Streicher analysierten die Wertschöpfungskette von Agrargütern und Lebensmitteln in Österreich. Zum Agrar- und Lebensmittelsektor zählten neben der Landwirtschaft, die Lebensmittelerzeugung und den Lebensmittelhandel. In einer Analyse zeigten die Wifo-Forscher die Effekte, wenn der Import von Agrargütern und Lebensmitteln aus dem Ausland um nur ein Prozent sinkt und die entstehende Lücke durch heimische Produkte kompensiert wird.
Produktion und Verarbeitung
Nur ein Prozent mehr Nachfrage nach inländischen Agrarrohstoffen und Lebensmitteln würde laut Modellanalyse im Agrarsektor eine zusätzliche Produktion von 28 Millionen Euro und in der nachgelagerten Verarbeitung von 88 Millionen Euro bedeuten. Durch die Produktionsausweitung in der Landwirtschaft würde in den vorgelagerten Branchen die Wertschöpfung um 70 Millionen Euro steigen, wodurch 2.100 Beschäftigte ausgelastet seien. Wenn zusätzlich noch die Importe von Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren ebenfalls um ein Prozent sinken und durch heimische Produkte ersetzt würden, dann beliefe sich die Steigerung der Wertschöpfung auf insgesamt 141 Millionen Euro und 3.100 neue Jobs.
Preise im Lebensmittelhandel stärker gestiegen als Erzeugerpreise
Für Landwirtschaftskammer-Österreich-Präsident Josef Moosbrugger bekommen die heimischen Bauern zu wenig Geld für ihre Produkte von den Lebensmittelerzeugern und den Supermarktketten. " Bauern brauchen bessere Preise für ihre hochwertigen Produkte und einen höheren Anteil an der Wertschöpfungskette", sagte Moosbrugger. Wenn man die Preisentwicklung bei Lebensmitteln im Verbraucherpreisindex (VPI) mit der Entwicklung der Bauern-Erzeugerpreise vergleiche, dann würden Bauern im Vergleich zum Handel schlechter aussteigen.
Bauer sein rechnet sich oft nicht mehr
Ob die Landwirte einen fairen Anteil der Wertschöpfung für ihre Produkte erhalten, wollte Wifo-Agrarökonom Sinabell zwar nicht beantworten, verwies aber auf die stetig sinkende Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich, dies hätte natürlich oftmals wirtschaftliche Gründe.
Pochen auf Kennzeichnung der Herkunft von verarbeitenden Lebensmitteln
Der Landwirtschaftskammer-Präsident drängt zudem wiederholt auf die Einführung der Herkunftskennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln in Österreich. Die im Regierungsprogramm verankerte Kennzeichnung von Lebensmitteln im Verarbeitungsbereich und in der Gemeinschaftsverpflegung müsse "rasch umgesetzt werden". Ein entsprechender Vorschlag würde bereits bei Gesundheitsminister Rudolf Anschober liegen, so Moosbrugger. Konsumenten könnten nur regionale Produkte wählen, wenn die Herkunft der Lebensmittel klar gekennzeichnet sei.