Warum Planungsrituale gesprengt werden müssen
SERIE MANAGEMENT COMMENTARY: Gastkommentar von Peter Schentler, Planungsexperte bei Horváth & Partners Österreich, über die Unternehmenssteuerung nach Corona.
Peter Schentler, Principal Horváth & Partners Österreich
In Krisenzeiten sind Controller mehr denn je gefordert. Wenn ein Unternehmen aufgrund externer Faktoren in Schieflage gerät, wenn Märkte wegbrechen und Konsumenten auf die Ausgabenbremse steigen, blicken Geschäftsführung und Belegschaft wie gebannt auf die Zahlenmenschen. Da sind Fähigkeiten gefragt, die das Management entlasten und die Unternehmensexistenz sichern. Wie aber funktioniert die neue Unternehmenssteuerung?
Prognosen zu erstellen und Entwicklungen vorauszusehen und zu planen ist das tägliche Geschäft des Finanzchefs, doch gerade jetzt eine massive Herausforderung für die ganze Finanzabteilung. Auch wenn Corona viele Abläufe verändert und Pläne über den Haufen wirft, muss das laufende Geschäft gemessen und geplant werden. Was die Management-Beratung schon seit einiger Zeit empfiehlt, muss jetzt quasi über Nacht erlernt und erprobt werden.
Rollierender Forecast im Trend
Während es früher relativ statische Jahres- oder sogar Mehrjahrespläne waren, mit denen die Geschäftsführung arbeiten konnte, verkürzt sich der Modus derzeit auf zwei, drei oder höchstens sechs Monate. Damit rückt der „rollierende Forecast“, die periodenweise Anpassung der Planung, in den Fokus. Hier reagiert der CFO flexibel auf Störfaktoren und passt seine Vorschau monatlich oder quartalsweise an, je nachdem wie volatil die Lage ist.
Der rollierende Forecast hat einige entscheidende Vorteile, zentral ist seine bessere Datenqualität, die Detailgenauigkeit und Anpassungsfähigkeit. Dafür ist der Arbeitsaufwand deutlich höher, da die Verantwortlichen ihre Forecasts ständig anpassen müssen, was Stress und oft auch Aufregung verursacht. Doch so heiß wird nicht gegessen wie gekocht. Zumeist wird die erste Periode sehr detailliert geplant, die darauffolgenden dann eher aggregierter, je nachdem, wie groß die Veränderungen sind.
Mehrschichtige Szenarioplanung
Eine andere Möglichkeit ist die Planung in Szenarien, auf die Controller gerade in unsicheren Zeiten setzen. Doch zeigt die aktuelle Situation, dass Unternehmen mehr als nur ein Risiko beachten müssen, um auf der sicheren Seite zu bleiben. So erhöht sich die Komplexität mit der Anzahl der möglichen Szenarien. Hier empfiehlt es sich, die wesentlichen Parameter des Geschäfts zu definieren und diese dann in die jeweilige Modellrechnung einfließen zu lassen. Wie gut das Modell ist, hängt letztlich vom Informationsstand und dem Umfang der Analysen ab.
Planung mit veränderten Kennzahlen
Eine dritte und beliebte Option ist die Planung mit Kennzahlen, auch wenn diese nunmehr in gewissen Bereichen wohl anders priorisiert werden. Während vor Corona etwa Kennzahlen zur Wertsteigerung eines Unternehmens (Imagefaktoren, Markenwert etc.) Hochkonjunktur hatten, aber auch Performance-Kennzahlen wie ROI (Return on Investment) oder EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) nach ganz oben auf der Zielerreichungsliste standen, rücken in der Krise andere Kennzahlen in den Vordergrund.
Liquidität, Auftragseingang oder Cashflow sind aktuell eher gefragt – die Frühwarnindikatoren für die künftige Auslastung des Unternehmens, aber auch die erforderliche Mitarbeiterstärke und Eingangsgröße für die kurzfristige Finanzplanung. Gerade wenn es ums Eingemachte geht, steht die Zahlungsfähigkeit an oberster Stelle, gleich gefolgt von einigermaßen gefüllten Auftragsbüchern.
Top-Down Planung ein Muss
Und noch eine grundsätzliche Fragestellung drängt sich auf, wenn es um die gründliche und gewissenhafte Geschäftsplanung nach Corona geht. Worauf möchte man sich verlassen? Soll die Geschäftsführung die Ziele vorgeben, oder bleibt es dabei, dass die einzelnen Geschäftseinheiten mit dem Planungsprozess beginnen?
Die Erfahrung des Beraters zeigt, dass die Top-Down-Planung in Krisenzeiten bevorzugt wird, da diese Vorgangsweise deutlich rascher zu Ergebnissen führt. Auf die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit kommt es ja gerade jetzt an.
Planungsrituale sprengen
Fazit: In Zeiten des Umbruchs und der Krise müssen die Grundlagen der bisherigen Unternehmenssteuerung überprüft werden. Wer seine Geschäftsplanung rechtzeitig auf dynamische, rollierende und mehrschichtige Forecasts umstellt, wird von möglichen externen Ereignissen später weniger stark betroffen sein. Dazu gehört auch das Hinterfragen überholter Kennzahlen und Planungsrituale: Oft liegen gerade diese der künftigen Unternehmensentwicklung wie Felsbrocken im Weg.
Der Autor
- Peter Schentler
ist Experte für Unternehmenssteuerung und Leiter Controlling & Finanzen bei Horváth & Partners Management Consultants Österreich.
E-Mail: pschentler <AT> horvath-partners.com
Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Unternehmensberatung Horváth & Partners. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".