VW-Skandal: Rekordstrafe für Volkswagen in den USA

Die Schadenersatzklagen aus dem Dieselskandal kommen Volkswagen weit teurer, als bisher kalkuliert wurde. Mit mehr als 15 Milliarden Dollar muss VW nun rechnen, um fünf Milliarden Dollar mehr als zuletzt erwartet wurde. Fraglich ist noch immer, wie Volkswagen mit Schadenersatzansprüchen in Europa umgeht, die sie derzeit anders als in den USA abblockt.

VW-Skandal: Rekordstrafe für Volkswagen in den USA VW-Skandal: Rekordstrafe für Volkswagen in den USA

Wolfsburg. Bei Volkswagen ist weiterhin Feuer am Dach. Die Aufarbeitung des Diesel-Skandals in den USA kommt für den deutschen Autokonzern deutlich teurer als bisher erwartet. Die Beilegung des Dieselskandals in den USA kostet den Autobauer mehr als 15 Mrd. Dollar (13,6 Mrd. Euro). Es ist die höchste Wiedergutmachung, die ein Autobauer in den USA jemals leisten musste. Mit dem am Dienstag veröffentlichten Vergleich kann Volkswagen hunderte Sammelklagen von Dieselbesitzern sowie Klagen von Behörden und US-Bundesstaaten aus der Welt schaffen.

"Wir sind uns bewusst, dass wir noch viel tun müssen, um das Vertrauen der Menschen in Amerika zurückzugewinnen", erklärte Volkswagen-Chef Matthias Müller am Dienstagnachmittag. VW-Finanzchef Frank Witter sprach von einer erheblichen Belastung, die finanziellen Rückstellungen von 16,2 Mrd. Euro reichten allerdings aus.

Der Kompromiss

Gut 10 Mrd. Dollar sind für den Rückkauf von einer halben Million manipulierter Dieselautos mit 2,0-Liter Motoren vorgesehen. Weitere fast 5 Mrd. Dollar soll Volkswagen in zwei Umweltfonds einzahlen. Zudem fließen gut 600 Mio. Dollar laut VW an 44 US-Bundesstaaten. Ursprünglich war eine Strafe wegen Umweltverstößen von bis zu 46 Mrd. Dollar im Raum gestanden. Den nun erzielten Kompromiss muss das Bezirksgericht in San Francisco noch formell absegnen. Mit der Umsetzung des Vergleichs rechnet Volkswagen nicht vor dem Herbst.

Das Land Niedersachsen wertete die Einigung als deutlichen Schritt nach vorne in der Bewältigung der Abgaskrise. Sollte das Gericht Ende Juli den Vergleich akzeptieren, könnten wesentliche zivilrechtliche Verfahren in den USA abgeschlossen werden. "Die positiven Aspekte dieser Vergleichsvereinbarungen überwiegen, trotz der damit verbundenen erheblichen finanziellen Belastungen", erklärte Ministerpräsident Stephan Weil.

Die endgültigen Kosten für den Rückkauf der 475.000 Dieselautos hängen davon ab, wieviele Dieselbesitzer ihren Wagen an VW zurückgeben und ob die US-Behörden eine Reparatur genehmigen. Die Summe könnte somit deutlich niedriger ausfallen als die in dem Vergleich angesetzten 10 Mrd. Dollar. Zusätzlich zum angebotenen Rückkauf sollen die US-Kunden einen finanziellen Anreiz zwischen 5.100 und 10.000 Dollar erhalten, der sich nach dem geschätzten Wert ihres Wagens bei Bekanntwerden der Manipulation im September richtet. Damit soll erreicht werden, dass möglichst viele Autobesitzer das Angebot annehmen. Denn die Kosten für den Umweltfonds steigen, wenn es VW nicht gelingt, mindestens 85 Prozent der manipulierten Wagen von der Straße zu holen.

Die nach monatelangen Verhandlungen in den USA erzielte Einigung sieht einen Umweltfonds vor, in den Volkswagen 2,7 Mrd. Dollar einzahlen soll. Aus dem Topf sollen Gemeinden in den USA Gelder für Umweltprojekte beantragen können. Weitere 2 Mrd. Dollar soll VW in die Förderung der Elektromobilität investieren.

Volkswagen hatte im September auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, Abgaswerte mit einer Software manipuliert zu haben. Am Dienstag lief die vom Bezirksgericht in San Francisco gesetzte Frist ab, bis zu der die Kläger einen mit den Wolfsburgern ausgehandelten außergerichtlichen Vergleich präsentieren sollten, wie die Manipulation von Dieselabgasen technisch behoben und die US-Kunden entschädigt werden sollen. In der vergangenen Woche war von etwa 10 Mrd. Dollar die Rede gewesen, die zur Beilegung der Manipulationen in den USA nötig wären. Mit weiteren 5 Mrd. Euro an Kosten wurden einem Insider zufolge in Europa gerechnet.

Obwohl der US-Vergleich teurer ausfällt als erwartet, reagierten Analysten positiv. "Das Abkommen sieht vernünftig aus und dürfte die Unsicherheit beenden", schrieb Arndt Ellinghorst von Everore ISI. Aktionäre reagierten erleichtert. Die nach Bekanntwerden des Skandals im Herbst gebeutelte VW-Aktie legte zeitweise um 4,7 Prozent zu.

Der fehlende Deckel auf dem Risiko

Für die Reparatur der weltweit insgesamt rund elf Millionen manipulierten Dieselfahrzeuge sowie juristische Risiken hat der Konzern rund 16,2 Mrd. Euro zur Seite gelegt. Davon verschlingt der nun in den USA ausgehandelte Vergleich einen Großteil. Trotzdem geht der Konzern davon aus, dass die Rücklagen reichen. Die Vereinbarung bewege sich im Rahmen dessen, was man erwartet habe, sagte Finanzchef Witter. "Wir sind in der Lage, die Konsequenzen zu beherrschen."

Analysten halten es dennoch für möglich, dass VW die Rücklagen aufstocken muss. "Es sieht eher so aus, dass noch ein Risiko nach oben besteht", sagte Marc-Rene Tonn vom Bankhaus M.M. Warburg. Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von Kosten von 20 bis 25 Milliarden Euro aus. Die Lasten für Volkswagen hält der Autoanalyst insgesamt jedoch für beherrschbar.

Auch in anderen Ländern könnten Entschädigungszahlungen fällig werden. In Europa, wo rund 8,5 Millionen Fahrzeuge betroffen sind, wurden bereits Stimmen laut, die eine ähnliche Entschädigung wie in den USA fordern. Nicht enthalten in den Rückstellungen sind Forderungen von Investoren, die einen Ausgleich für erlittene Wertverluste ihrer Aktien und Anleihen durchsetzen wollen. Diese hält Volkswagen für unbegründet. In den USA laufen wegen des Abgasskandals zudem strafrechtliche Ermittlungen gegen Volkswagen.

Verbraucherschützer fordern Schadenersatz wie in den USA auch für europäische Kunden. Der Einigungstext in Kalifornien betont laut FT aber explizit, dass er nicht als Präzedenzfall gesehen werden solle. Auch in den Vereinigten Staaten ist noch offen, wie viele Kunden von einem Rückkaufangebot wirklich Gebrauch machen - ein entscheidender Punkt bei der Schätzung der Gesamtkosten.


Aktien-Information: Volkswagen VZ (WKN: 766403 / ISIN: DE0007664039)

Volkswagen AG VZ (ISIN DE0007664039)

Volkswagen AG VZ (ISIN DE0007664039)

DE0007664039

Kaufen, Halten, Verkaufen: Das sagen die Analysten.


ÖAMTC: Alles bestens, kein Klagsgrund

In Österreich hat am Montag erst der Automobilklub ÖAMTC Volkswagen quasi die Mauer gemacht. Mit Partnerklubs hat der ÖAMTC drei Audi A4 und einen VW Golf nach der Umrüstung im Zuge des VW-Abgasskandals untersucht und kommt zum Ergebnis, dass den Autokäufern kein Schaden entstanden ist. Hinsichtlich Leistung und Verbrauch sei der Konsument daher nicht schlechter als vor dem Umbau gestellt. Daher hat der ÖAMTC von Klagen gegen VW auf Schadenersatz, Gewährleistung oder Rückabwicklung abgeraten. Es gäbe keine Grundlage für Klagen seitens der Käufer.

Warum aber in den USA milliardenschwerer Schadenersatz an die Konsumenten zu leisten soll und in Europa indes nicht, argumentiert der Autofahrerklub mit strengeren Gesetzen in den USA. In den USA muss Volkswagen pro VW-Käufer 5.000 Dollar pauschal Schadenersatz zahlen. In Europa bekommt Volkswagen nicht einmal einen Händedruck und mauert.


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Was aber die Autofahrer schon bisher nicht abgehalten hat, VW zu klagen. Ein Kläger war im Juni am Landesgericht Linz mit seiner Klage bereits erfolgreich. Wegen Irrtums des Händlers hatte der VW-Käufer kürzlich Recht bekommen. Er darf sein Auto an VW zurückgeben und erhält im Gegenzug den Kaufpreis großteils wieder ersetzt. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

VKI widerspricht ÖAMTC

Die Argumentation vom ÖAMTC, dass es keinen Klagsgrund gegen Volkswagen gibt, wird indes vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) kritisiert. "Die Schlussfolgerung ist überhaupt nicht nachvollziehbar und völlig unverständlich", sagt ", sagt Ulrike Wolf vom VKI im Ö1-Radio im "Morgenjournal". Für den Konsumenten gäbe es sehr wohl einen Schaden. Dieser Schaden bezieht sich laut VKI-Juristin Wolf darauf, um wiv viel das Auto aufgrund der Manipulation durch VW etwa bei einem Verkauf im Wert verlieren wird. Dieser "merkantile Minderwert" baue darauf auf, was der Markt glaubt. "Und das hat der ÖAMTC nicht getestet", sagt Wolf.

Der VKI pocht darauf, dass es beim Dieselskandal um einen Vertrauensschaden geht, dem der "Mangel der Trickserei anhaftet".

Die Kosumentenschützer wollen daher für die betroffenen Autofahrer in einer Sammelklage die Ansprüche von VW einfordern. Eine Sammelklage gegen den VW-.Konzern ist in Vorbereitung. Mehr als 60.000 betroffenen VW-Fahrer haben sich beim VKI demnach schon gemeldet. Hier klingt dann am Dienstagnachmittag der ÖAMTC dann doch wieder ein, und rudert offenbar zurück. Für den Konsumenten sei es nun doch sinnvoll, sich der VKI-Klage anzuschließen, erklärt der ÖAMTC in einer Aussendung. Der Nachweis den Wertverlust zu erbringen sei für den Einzelnen aufwendig. "Daher macht die Sammelklage des VKI wegen eines Wertverlustes Sinn, nicht jedoch Individualklagen."

Der VKI auf dem Umweg über eine niederländische Stiftung gegen VW an einem Gericht in den Niederlanden Klage einreichen. Einfacher Grund: Da im Rechtssystem in Österreich sieht das Instrument einer Sammelklage nicht vor. Der Entwurf dieses Gesetzes soll bereits seit geraumer Zeit vorliegen, sagt VKI-Expertin Wolf.

"Es kann nicht sein, dass in den USA die Fahrzeughalter besser gestellt werden, als in Europa nur weil es unterschiedliche Gesetze gibt", meinte Wolf.

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