Die bereits Marktkonsolidierung unter den heimischen Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen setzt sich fort. Das geht aus dem aktuellen „Bericht über die Lage der österreichischen Versicherungswirtschaft“ hervor, den die Finanzmarktaufsicht (FMA) nun zum zweiten Mal herausgegeben hat. Demnach hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der in Österreich zugelassenen Versicherungsunternehmen um 16 Prozent auf 89 verringert.
Die Profitabilität der Branche hat sich jüngst wieder verschlechtert. So ist das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Versicherungsunternehmen nach einem Anstieg zwischen 2011 und 2013 in 2014 und 2015 um über 16 Prozent auf 1,13 Milliarden Euro zurückgegangen, was aber immer noch den viertbesten Wert seit 2002 darstellt.
Das Prämienwachstum in Österreich lag zwar 2015 über dem europäischen Durchschnitt, doch die Halbjahreszahlen 2016 zeigen wieder ein viel ungünstigeres Bild. Die 2015 noch sehr attraktiven Einmalerläge sind mit einem Minus von über 40 Prozent in den ersten sechs Monaten dieses Jahres besonders stark eingebrochen, was in Vorzieheffekten angesichts eines sinkenden Garantiezinssatzes und Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen begründet liegt.
Problematische Situation
Generell sehen sich die österreichischen Versicherungsunternehmen in den letzten Jahren mit großen Veränderungen konfrontiert: Das anhaltende Niedrigzinsumfeld, der Klima- und demografische Wandel, die fortschreitende Digitalisierung samt Big Data und Cyber Risk, die Einführung von Solvency II sowie die jüngste Rechtsprechung von EuGH und OGH stellen sie vor neue Herausforderungen.
Das Niedrigzinsumfeld betrifft Versicherungsunternehmen auf vielen Ebenen. Es wird etwa das Erreichen der angestrebten Renditen erschwert, das Wiederveranlagungsrisiko steigt und Risiken könnten sich durch zur Steigerung des Veranlagungsergebnisses getätigte Investitionen erhöhen. Im Finanzstabilitätsbericht der EIOPA von Juni 2016 wird die Niedrigzinsumgebung auf Basis der Einschätzungen der Aufsichtsbehörden – speziell für den Lebensversicherungsbereich – als ein Schlüsselrisiko eingestuft.
Christian Kreuzer, Sprecher der Wiener Städtische Versicherung, ist dennoch überzeugt, dass die Versicherung auch diese Herausforderung bewältigen wird. "Die Wiener Städtische gibt es seit über 190 Jahren, sie hat unter anderem mehrere Währungsreformen, Währungsumstellungen und zwei Weltkriege überlebt. Kein Zweifel, dass sie auch diese Niedrigzinsphase überstehen wird, die die Hauptursache für die leicht gesunkene Profitabilität der Gesamtbranche ist", erklärt er.
Die Wiener Städtische verzeichne nach wie vor eine stabile Entwicklung. Kreuzer: "In der Sachversicherung haben wir auch heuer solide Zuwächse erwirtschaftet und die Krankenversicherung wird erfreulicherweise mit einem kräftigen Prämienplus abschließen. Die gesunkene Profitabilität ist bekanntlich dem aktuellen Niedrigzinsumfeld geschuldet, das für die gesamte Branche eine Herausforderung darstellt."

UNIQA-CEO Andreas Brandstetter: "Über Erfolg und Misserfolg entscheiden wird, ob es uns gelingt, mit den sich radikal verändernden Kundenerwartungen Schritt zu halten."
UNIQA-CEO Andreas Brandstetter sieht die aktuelle Lage der Branche daher auch als sportliche Challenge und erklärt: "Die aktuelle Marktsituation stellt uns vor einige Herausforderungen. Das reicht vom toxischen Niedrigzinsumfeld, über das schwache Wirtschaftswachstum bis hin zu politisch sehr labilen Situationen in vielen Teilen der Welt. Was letztendlich aber über Erfolg und Misserfolg entscheiden wird ist, ob es uns gelingt, mit den sich radikal verändernden Kundenerwartungen Schritt zu halten."
Die UNIQA wolle deshalb in Zukunft mehr sein als nur ein Anbieter von Versicherungsprodukten. Brandstetter: "Wir wollen uns zum integrierten Servicedienstleister wandeln, einem Servicedienstleister, der seine Kunden dort abholt, wo ihr individuelles Bedürfnis nach Sicherheit und damit verbundenen Dienstleistungen entsteht. So eine gravierende Veränderung geht natürlich nicht von alleine und nicht von heute auf morgen. Dafür braucht es einen gewaltigen Innovationsschub, der alle Bereiche durchdringt. Um das anzustoßen haben wir Anfang des Jahres das größte Erneuerungsprogramm in unserer Firmengeschichte gestartet und werden innerhalb von zehn Jahren in Summe rund 500 Millionen Euro in das „Re-Design“ des Geschäftsmodells, den notwendigen personellen Kompetenzaufbau und die erforderlichen IT-Systeme investieren."
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Erträge unter Druck
Der sich intensivierende Preiswettbewerb sowie das stagnierende Wachstum werden laut Einschätzung der FMA aber auch weiterhin die Erträge der Versicherungen drücken. Die schlechte Ertragssituation lasse den Druck auf die Kosten steigen und zwinge die Unternehmen zu höherer Effizienz und zu Einsparungen. Die FMA rechnet daher mit weiteren Fusionen.
Zusätzlich erschwert wird die Lage der Versicherungen durch branchenspezifische Risiken wie die steigende Lebenserwartung, aus der sich in der Lebensversicherung ein Nachdotierungsbedarf der Deckungsrückstellung ergeben kann. Noch schwerwiegender sind die Auswirkungen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, weil sich die steigende Lebenserwartung mit den medizinischen Kosten und Pflegekosten multipliziert.
Versicherungsgruppen
Die fünf großen, österreichischen Versicherungsgruppen sind derzeit mit fast 100 Auslandsbeteiligungen in 28 Ländern tätig, hauptsächlich in Zentral-, Ost- und Südosteuropa. Diese Tochterunternehmen halten in den jeweiligen Ländern teilweise dominante Marktpositionen. Rund die Hälfte der von diesen Versicherungsgruppen gezeichneten Prämien entfällt auf das Ausland. Konkret kommt ein Viertel des Auslandsprämienvolumens aus der Tschechischen Republik, gefolgt von der Schweiz mit 14 Prozent, Italien und Polen mit 12 Prozent und die Slowakei mit 11 Prozent.
Die Solvabilitätsquoten der österreichischen Versicherungsunternehmen bewegen sich, trotz sehr volatiler Finanzmärkte und trotz der Herausforderungen aus dem Niedrigzinsumfeld, auf relativ hohem und stabilem Niveau. Der Median der Solvabilitätsquoten lag zur Jahresmitte 2016 bei 215 Prozent, das gewichtete Mittel bei 247 Prozent. Die Solvabilitätsquote entspricht dabei dem Verhältnis der vorhandenen Eigenmittel zur Solvenzkapitalanforderung, die wiederum jene Eigenmittel meint, die ein Versicherungsunternehmen halten muss, um mit einer Wahrscheinlichkeit von höchstens 0,5 Prozent im nächsten Jahr oder einmal in 200 Jahren zahlungsunfähig zu werden.
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