Reisemesse ITB: Tourismus-Branche und die Krux der Digitalisierung

Die ITB, die Internationale Tourismus Börse in Berlin, gilt als die Leitmesse der weltweiten Tourismusbranche. Im 51. Jahr wird der Start der Messe von Streiks am Berliner Flughafen überschattet. Und von den Bemühungen der Branche, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern.

Reisemesse ITB: Tourismus-Branche und die Krux der Digitalisierung

Das Bodenpersonal an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld hätte sich kaum einen besseren Zeitpunkt für einen Streik aussuchen können. Just zum Start der weltweit wichtigsten Tourismusmesse, der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin haben die Mitarbeiter den Flugverkehr in und von der deutschen Hauptstadt lahmgelegt. Hunderte Flüge fielen dadurch aus, darunter auch alle Verbindungen zwischen Berlin und Wien.

Die Hürde bei der Anreise trifft die Veranstalter, Aussteller und Besucher der ITB schwer. Im 51. Messe-Jahr ist der Streik jedoch eigentlich das kleinere Problem, mit dem die Tourismusbranche zu kämpfen hat. Die weitaus größere Herausforderung stellen die Digitalisierung und die neuen Ansätze dar, mit denen etablierte Geschäftsmodelle untergraben werden.

Symbolisch dafür, wie sehr die Digitalisierung in der Branche bereits Platz gegriffen hat, ist der Kommunikations-Android Chihira Kanae zu sehen, eine virtuelle Empfangsdame am Informationscenter der ITB, die Besuchern Auskunft erteilt.

"Es ist erstaunlich, mit welcher Professionalität sich Anbieter wie booking.com, die HRS Group oder Expedia auf der Messe präsentieren. Es ist spannend, die Unternehmen, die man sonst nur aus dem Internet kennt, einmal analog zu erleben", sagt der Strategieberater Stefan Höffinger von hoeffingersolutions, der sich auf der ITB nach Trends in der Branche umgesehen hat. Die Auftritte der Online-Anbieter zeigen deutlich, wie sich die Branche verändert, wo die Musik spielt. "Die etablierten Anbieter wie TUI oder Neckermann sind erstaunlich defensiv", urteilt Höffinger.

Oder die Branche versucht, den unbequemen Quereinsteigern Riegel vorzuschieben. Der US-Plattform Airbnb etwa oder deren Klon Wimdu, die sich auf die Vermittlung von privat angebotenen Zimmern und Appartements spezialisiert haben und sich damit rechtlich in einer Grauzone bewegen, finanziell und wirtschaftlich aber extrem erfolgreich sind und eine gewaltige Marktveränderung ausgelöst haben - mit Folgeproblemen wie etwa, dass Wohnungen in Städten nicht mehr auf den Wohnungsmarkt kommen, sondern gewinnbringend an Touristen vermietet werden und dadurch trotz vieler eigentlich leer stehender Wohnungen eine Wohnungsknappheit entsteht und die Wohnpreise steigen.

Es gehe darum, die Ansprüche von Gästen und Einwohnern in Einklang zu bringen, sagt Klemens Himpele von der Stadt Wien auf der Reisemesse ITB. "Wir sind kein Musm, in der Stadt leben viele Leute." Das Wachstum der neuen Internet-Anbieter müsse in geordnete Bahnen gelenkt werden. Taleb Rifai, Generalsekretär der Reiseorganisation der Vereinten Nationen, UNWTO, erklärt: "Das ist keine Sharing-Economy, sondern schlicht ein Geschäft." In Barcelona liegt der Anteil der über Airbnb oder Rivalen wie Wimdu vermittelten Wohnungen an allen Übernachtungen mittlerweile bei 75 Prozent - nach 20 Prozent vor fünf Jahren.

Innovations- und Investitionsbedarf

Mit juristischen Mitteln wird man die Konkurrenten aus dem Internet allerdings nur bedingt in Schach halten können. Die Reisebranche muss sich der Gegenwart stellen, denn, so Höffinger: "Die Reisewelt von früher wird nie mehr zurückkehren." Wer auch immer im Tourismusgeschäft der Zukunft mitmischen will - Hoteliers, Regionen, Destinationen oder auch Reiseanbieter und Vermittler - muss investieren.

Auch Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung, stößt in dieses Horn. "Wollen wir eine der erfolgreichsten Tourismusdestinationen der Welt bleiben, müssen wir uns auch auf allen Ebenen des Tourismus intensiv mit der Digitalisierung auseinandersetzen", sagt sie. Und Petra Nocker-Schwarzenbacher, Obfrau der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WKÖ, fügt hinzu: "Digitalisierung ist längst einer der bestimmenden Wettbewerbsfaktoren und somit eine absolute Notwendigkeit für jeden einzelnen Betrieb.“

Ein kleines Beispiel für den nachhaltigen Wandel der letzten Jahre ist die Ausstattung von Hotels mit freien WLAN-Zugängen für die Gäste. Während Hoteliers dafür bis vor kurzem noch Gebühren in Rechnung stellen und somit ein nettes Zubrot erwirtschaften konnten, gehört das Internet mittlerweile zur Grundausstattung und zum Must-Have. "67 Prozent der Gäste wollen nicht in ein Hotel zurückkehren, das einen nur unzureichenden drahtlosen High-Speed-Zugang bietet“, weiß Nocker-Schwarzenbacher. Wer erfolgreich am Ball bleiben will müsse daher in einen professionellen Internet-Auftritt und in Online-Marketing investieren. Für ein durchschnittliches, im Ganzjahresbetrieb geführtes 4-Sterne-Hotel mit rund 100 Betten schätzt sie den dafür nötigen Investitionsbedarf über die nächsten fünf Jahre auf mindestens 60.000 Euro. Geld, das gut investiert ist, wenn es gelingt, damit online eine Marke aufzubauen

Werbung wird digital

Die Reisebranche war eine der ersten, die online Geschäfte machen konnte - noch ehe man den Konkurrenzdruck durch neu Online-Anbieter zu spüren bekommen hat. Konsequenterweise verlagert sich die Tourismuswerbung seit Jahren zusehends in das Internet. Auf der ITB gehen einige Regionen wie etwa die kanadische Region Vancouver/British Columbia überhaupt schon All-In und bieten gar keine gedruckten Broschüren mehr an, sondern verweisen nur noch auf die entsprechenden Websites und Online-Kataloge.

Für Österreich wäre das noch unvorstellbar. Die Präsenz Österreichs auf der ITB beurteilt Höffinger auch als eher konventionell und im Vergleich zum beeindruckend großen Messeauftritt Deutschlands als verhalten. "Alleine Bayern hat einen Auftritt, der mindestens dreimal so groß ist wie Österreich. Es ist beeindruckend, wie sich die Region Deutschland präsentiert", sagt Höffinger.

Dennoch: auch die Österreich-Werbung hat bereits voll in Richtung Internet eingeschwenkt. Mehr als 50 Prozent ihrer Marketingmaßnahmen laufen bereits digital. Der aktuelle Schwerpunkt liegt auf Bewegtbild, auf der ITB zeigt Österreich mit einem ersten, interaktiven 360 Grad-Video, einem virtuellen Spaziergang durch das Kunsthistorische Museum in Wien, auf. iTourism - intelligenter Tourismus - ist das Schlagwort der Stunde, die Österreichische Hotel- und Tourismusbank ÖHT bietet der heimischen Tourismusbranche Unterstützung bei den aus der Digitalisierung entstehenden Investitionen.

Ein Projekt der ÖW mit der TU Wien soll wissenschaftlich klären, zu welchem Zeitpunkt potenzielle Gäste erstmals an Urlaub in Österreich denken. Stolba hofft, daraus neue Erkenntnisse für die Tourismusmarketing und deren optimales Timing zu gewinnen. „Unsere Vision ist, in einer digitalen Welt persönlich zu kommunizieren. Das klingt selbstverständlich, ist aber extrem anspruchsvoll: in Echtzeit der richtigen Person die richtige Botschaft zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal senden – und dann noch die Kommunikationserfolge mess- und sichtbar zu machen“, sagt Stolba.

Wachsender Wettbewerb

Österreichs Position im internationalen Tourismusgeschäft ist aktuell noch ausgezeichnet. Zurücklehnen darf man sich jedoch nicht, denn die Online-Marketingmöglichkeiten stehen schließlich allen Regionen und Destinationen zur Verfügung und lassen auch bisher noch nahezu unbekannte Destinationen auf der touristischen Landkarte aufscheinen. Auf der ITB 2017 zeigen etwa die afrikanischen Länder südlich der Sahara wie Ruanda, dass sie Reisenden einiges zu bieten haben. "Das kannte man bisher eher nicht", meint Höffinger.

Und zwei weitere Trends sind dem Strategieberater aufgefallen. Einerseits der zu "Zweitstädten", also Städten, die bisher ein wenig im Schatten der vielfach schon oft besuchten Hauptstädte standen und andererseits der Trend, Natur in ihrer möglichst ursprünglichen Form zu erleben und zu genießen. "Die Essenz des Reisens, der Aufenthalt in der Natur kehrt zurück", sagt Höffinger: "Wandern oder barfuß durch einen zu Bach gehen - die Natur bietet Erlebnisse, an die sich viele kaum mehr erinnern können. Das ist vielleicht auch eine Sehnsucht, die wir in der modernen Zeit in uns tragen.

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