Thomas Cook ist pleite - hunderttausende Urlauber bangen
Thomas Cook, Erfinder der Pauschalreisen ist endgültig Pleite. Rund 200 Millionen Pfund haben für die vorläufige Rettung des britischen Reisekonzerns gefehlt. Über 600.000 Urlauber sind gestrandet und müssen zurückgeholt werden.

London/Shanghai. Der britische Reisekonzern Thomas Cook ist pleite. Man habe keine Alternative gehabt, als mit sofortiger Wirkung das Konkursverfahren einzuleiten, teilte der älteste Touristikkonzern der Welt in der Nacht auf Montag mit. Kurz zuvor hatte die britische Flugbehörde die Einstellung der Geschäfte und die Streichung aller Flüge bekanntgegeben. Selbst der Einstieg des finanzstarken chinesischen Konzerns Fosun im Frühjahr 2019 hat dem seit Jahren in Schieflage befindlichen Konzern nicht mehr genutzt.
"Ich würde mich gerne bei unseren Millionen Kunden und Tausenden Mitarbeitern, Lieferanten und Partnern entschuldigen, die uns viele Jahre lang unterstützt haben", teilte Firmenchef Peter Fankhauser mit. "Es handelt sich um einen zutiefst traurigen Tag für das Unternehmen, das Pauschalreisen erfunden hat und Millionen Menschen rund um die Welt Reisen ermöglicht hat."
"Dies ist eine Stellungnahme, von der ich gehofft hatte, dass ich sie nie abgeben müsse", sagte Fankhauser am Montag.
Das Unternehmen hätte zuletzt eine Finanzspritze in der Höhe von rund 200 Millionen Pfund benötigt, um die Pleite abzuwenden. Die benötigten 200 Millionen Pfund wären zu einem bereits ausgehandelten 900 Millionen Euro schweren Paket hinzugekommen, um über den kommenden Winter zu kommen, in dem branchenüblich weniger Umsatz erzielt wird. Insgesamt beliefen sich die Schulden bei den Banken zuletzt auf 1,6 Milliarden Pfund. Der Rettungsplan soll an den Kapitalforderungen der Lloyds Bank und der RBS gescheitert sein. Von der Pleite sind weltweit etwa 21.000 Beschäftigte betroffen, rund 9.000 Jobs davon in Großbritannien.
Bereits 2012 retteten mehrere Banken den Konzern nach immensen Abschreibungen auf das britische Geschäft und IT-Systeme mit frischem Geld vor dem Untergang. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast.
Derzeit sollen rund 600.000 Touristen, alleine 150.000 aus Großbritannien und 140.000 Touristen mit deutschen Reiseveranstaltern von Thomas Cook, auf Urlaub sein. Zudem seien "für Reisen mit Abreisen heute und morgen rund 21.000 Gäste gebucht", teilte die Thomas Cook GmbH in Oberursel am Montag auf Nachfrage der dpa mit. Auch Österreicher seien betroffen. Wie viel, ist derzeit nicht bekannt.
In Österreich ist Thomas Cook insbesondere mit der Marke Neckermann Reisen präsent und zählt rund eine Viertelmillion Reisende jährlich. Der Reisekonzern ist hierzulande der drittgrößte Anbieter von Pauschalreisen nach TUI und Rewe Austria Touristik. Ende 2017 beteiligte sich der Konzern mit seiner Airline Condor auch im Verfahren um insolvente Fluglinie Niki, und kooperierte später mit dem erfolgreichen Bieter Laudamotion.
Der Kontakt
Die österreichische Verkehrsbüro Group hat aufgrund der Umstände ein eigens eingerichtetes Krisenteam mit dem Monitoring der Situation sowie der laufende Kommunikation zu Kunden, Partnern und Medien eingerichtet. Sie rät ihren Kunden, die über Ruefa und Eurotours gebucht haben, sich umgehend mit den Reiseveranstaltern in Verbindung zu setzen. "Aufgrund der derzeit unsicheren Situation setzt Ruefa auf direkte Kundenkommunikation – Kundinnen und Kunden, die heute oder morgen (23.9./24.9.) mit dem Veranstalter Thomas Cook bzw. Neckermann in Form einer Pauschalreise in den Urlaub abfliegen, sollen sich unbedingt mit ihren Ruefa-Reiseberatern in Verbindung setzen bzw. die Kolleginnen und Kollegen im Service-Center kontaktieren (Telefonnummer: 0800200400)", so die Verkehrsbüro Group.
Bei der Anfrage werde "jeder Fall einzeln geprüft und bestmöglich nach Lösungen und Alternativen gesucht". Eine pauschale Aussage, dass Reisende heute bzw. morgen nicht befördert werden können, sei "derzeit nicht zulässig". Das gilt sowohl für Reisende, die ihren Urlaub heute oder morgen antreten wollen als auch für jene, die an ihrem Urlaubsort sind und vor der Rückreise stehen. Damit die sogenannten "Reisebereitschaft" des Kunden sichergestellt wird, sollen sich die Reisenden auch auf den Weg zum Flughafen machen. Ruefa rät den Reisenden an die Flughafen zu fahren.
Zahlen und Belege sammeln
Für die Urlauber, die an ihrer Destination eventuell noch zu zahlende Leistungen (Hotel, Mietwagen, etc.) zu begleichen haben, rät Ruefa unmittelbar nach der Rückkehr die Belege umgehend einzureichen, da es sich hier jedenfalls um einen Versicherungsfall handelt.
Dutzende Flugzeuge im Konzern sind für den deutschen Ferienflieger Condor im Einsatz. Dieser teilte in der Nacht auf seiner Website mit, die Flüge fänden planmäßig statt. 'Condor fliegt von den Flughafenstandorten Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, Hamburg, Leipzig, München und Stuttgart Urlaubsreisende in die verschiedenen Urlaubsregionen in Europa sowie nach Übersee. Rund 140.000 deutsche Urlauber sollen mit Thomas Cook derzeit unterwegs sein.
Unmittelbar nach der Pleite hält die deutsche Thomas-Cook-Tochter Condor ihren Flugbetrieb aufrecht. "Wir führen den Flugbetrieb ganz regulär fort", sagte eine Sprecherin Montagfrüh der Deutschen Presse-Agentur. Natürlich gebe es besorgte Kunden, die sich bei dem Ferienflieger telefonisch meldeten.
"Es ist toll, unseren Kunden sagen zu können, dass wir weiter fliegen und dass der Flug normal geht", sagte sie am Montagmorgen. Condor fliegt vorerst weiter.
Die deutsche Regierung prüft, ob sie der bisher profitablen Fluggesellschaft einen Überbrückungskredit gewährt. Das könnte möglicherweise verhindern, dass sie im Sog der Thomas-Cook-Insolvenz ebenfalls in Schräglage gerät.
"Wir konzentrieren uns auch weiterhin auf das, was wir am besten können: Unsere Gäste pünktlich und sicher in den Urlaub zu fliegen", sagte Condor-Chef Ralf Teckentrup.
Condor hat rund 200 Millionen Euro als Überbrückungskredit beantragt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Er soll Liquiditätsengpässe verhindern. Im Schnitt sind weniger als ein Fünftel der Condor-Passagiere Gäste der Thomas Cook-Veranstaltermarken.
Die hessische Landesregierung stellte ergänzende Hilfe für die Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt in Aussicht. "Grundsätzlich sind wir offen, Condor bei der Überbrückung der aktuellen Krise zusammen mit dem Bund behilflich zu sein, etwa durch eine ergänzende Landesbürgschaft", teilte die Landesregierung mit.
Keine Staatshilfe
Die London war die Stimmung zuletzt am Nullpunkt angelangt. Die britische Regierung hat nach Angaben des britischen Premierministers Boris Johnson eine Finanzierungsbitte des britischen Reisekonzerns Thomas Cook über 150 Mio. Pfund (170 Mio. Euro) abgelehnt.
"Das ist natürlich eine Menge Steuergeld und stellt, wie die Menschen anerkennen werden, eine moralische Gefahr für den Fall dar, dass Unternehmen künftig mit solchen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden." Das sagte Johnson der britischen Agentur PA zufolge in der Nacht zum Montag noch vor der Einstellung des Geschäftsbetriebs von Thomas Cook.
"Es ist wahr, dass an die Regierung eine Bitte für eine Unterstützung in Höhe von etwa 150 Millionen (Pfund) ergangen ist", sagte Johnson. Er sagte, es müssten Wege gefunden werden, damit Reiseveranstalter wie Thomas Cook oder der Ferienflieger Monarch, der 2017 Insolvenz angemeldet hat, vor einer Pleite geschützt werden.
Anders scheint die Situation bei der Thomas-Cook-Tochter Condor in Deutschland zu sein. Condor hat rund 200 Millionen Euro als Überbrückungskredit beantragt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Er soll Liquiditätsengpässe verhindern. Im Schnitt sind weniger als ein Fünftel der Condor-Passagiere Gäste der Thomas Cook-Veranstaltermarken.
Die Pleite des Thomas-Cook-Konzerns beflügelt erneut die Spekulationen über einen Verkauf von Condor. Ein Lufthansa-Sprecher wollte sich zu einem möglichen Interesse von Europas größter Airline an dem deutschen Ferienflieger am Montag nicht äußern.
Flughäfen und Gewerkschaften unterstützten die Bitte des Unternehmens um Staatshilfe. Die Fluggesellschaft hat 4.900 Beschäftigte und unterhält 58 Flugzeuge. "Ein gesundes und für sich genommen wirtschaftlich stabiles Unternehmen verdient eine faire Chance, zu überleben", betonte auch die Flugbegleitergewerkschaft Ufo, ähnlich wie Verdi und die Vereinigung Cockpit.
Operation "Matterhorn"
Allein aus Großbritannien sind etwa 150.000 Urlauber in 55 Urlaubsdestinationen betroffen. Für sie startete die britische Regierung eine Rückführungsaktion unter dem Namen "Matterhorn". "Die größte Rückführungsaktion des Vereinigten Königreichs in Friedenszeiten ist angelaufen. Wir werden jeden nach Hause bringen. Es ist eine riesige Aufgabe, es wird einige Verzögerungen geben, aber wir arbeiten rund um die Uhr, um alles zu tun, was wir können."
Der chinesische Großaktionär Fosun, der Thomas Cook retten wollte, hat sich "enttäuscht" über den Insolvenzantrag des britischen Reiseveranstalters geäußert. Der chinesische "Club Med"-Eigner war erst heuer eingestiegen, um das Unternehmen mit frischem Geld vor dem Aus zu retten. Diese Operation misslang, weil zuletzt 200 Millionen Pfund fehlten. Zu Jahresbeginn hatte der Konzern angekündigt, seine Flugsparte einschließlich des deutschen Ferienfliegers Condor verkaufen zu wollen. Auch diese Ankündigung ließ sich nicht mehr realisieren.
Nach den gescheiterten Verhandlungen hieß es am Montag in einer Mitteilung, die auf der Webseite von Tencent Finance veröffentlicht wurde: "Fosun Travel ist enttäuscht, dass die Thomas-Cook-Gruppe nicht in der Lage war, eine praktikable Lösung für ihre vorgeschlagene Rekapitalisierung mit anderen Partnern, wichtigen Kreditgebern, führenden Investoren und zusätzlich beteiligten Parteien zu finden."
Der Chef von Thomas Cook, Peter Fankhauser, hat das Scheitern der Bemühungen zur Rettung des Touristikkonzerns als "verheerend" bezeichnet. "Dies ist eine Stellungnahme, von der ich gehofft hatte, dass ich sie nie abgeben müsse", sagte Fankhauser am Montag vor Journalisten.
"Trotz großer Anstrengungen über mehrere Monate und weiterer intensiver Verhandlungen in den vergangenen Tagen konnten wir keinen Deal abschließen, um unser Unternehmen zu retten." Das Ergebnis werde für viele Menschen verheerend sein und Angst und Stress auslösen.
Der Erfinder der Pauschalreise
Thomas Cook gilt als Begründer der Pauschalreise. Am 5. Juli 1841 brachte der Baptistenprediger Cook 570 Personen mit einem Sonderzug von Leicester nach Loughborough zu einer Veranstaltung gegen Alkoholmissbrauch. Auch wenn er schon lange nicht mehr Weltmarktführer ist, betreute Thomas Cook bis zuletzt mit 22.000 Mitarbeitern jährlich 19 Millionen Reisende.
Tatsächlich liest sich die Firmengeschichte wie eine Aneinanderreihung von Pioniertaten. So organisierte Cook im Jahr 1855 die erste Europa-Rundreise für britische Touristen, im Jahr 1869 folgte die erste Nilkreuzfahrt mit einem Dampfer. Im Jahr 1872 führte der Firmengründer persönlich die erste Weltreise über 40.000 Kilometer, die 222 Tage dauerte und 300 Pfund kostete (in heutigem Wert rund 35.000 Euro).
Thomas Cook erfand auch Hotelvoucher und Reisekreditschecks, die Reisen ohne mühsamen Währungsumtausch ermöglichen sollten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts Weltmarktführer, vertrieb das Unternehmen im Jahr 1919 auch die ersten Flugtickets. Zu den prominentesten Reisenden von Thomas Cook zählten die Literaten Mark Twain und Rudyard Kipling sowie der britische Premierminister Winson Churchill.
Ab 1928 ging das Familienunternehmen durch mehrere Hände, war zunächst im Besitz der französischen Zuggesellschaft "Compagnie Internationale des Wagons-Lits et des Grands Express Europeens", ehe im Jahr 1948 die nationale britische Eisenbahn British Railways ans Ruder kam.
Gelangte das Unternehmen ab den 1970er Jahren in die Hände britischer Finanzunternehmen, bestimmten ab den 1990er Jahren deutsche Anteilseigner den Kurs bei Thomas Cook. Im Jahr 1992 stieg die Westdeutsche Landesbank (West LB) ein und übernahm es drei Jahre später ganz. Danach übernahm die Hannoveraner Preussag die Kontrolle. Im Jahr 2001 erfolgte die Fusion mit der C&N Touristik, bekannt nach der Marke Neckermann und der Fluglinie Condor. Im Zuge der Übernahme des britischen Reiseveranstalters MyTravel ging das Traditionsunternehmen im Jahr 2007 an die Londoner Börse.
In den vergangenen Jahren geriet Thomas Cook immer wieder in Schieflage. Bereits 2012 retteten mehrere Banken den Konzern nach immensen Abschreibungen auf das britische Geschäft und IT-Systeme mit frischem Geld vor dem Untergang. Dadurch saß das Unternehmen auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzte unter hoher Zinslast.
Erst heuer war Fosun bei Thomas Cook eingestiegen. Der chinesische Großaktionär hatte eigentlich über seine in Hongkong gelistete Touristiktochter Fosun Travel (Foliday) in Thomas Cook investieren und seinen Anteil von 18 Prozent ausbauen wollen, was praktisch auf eine Übernahme herausgelaufen wäre. Fosun wollte nach den im August berichteten Überlegungen 25 Prozent des Reiseveranstalters und 75 Prozent des Airline-Geschäfts übernehmen.
An der Spitze des privaten Mischkonzerns steht der Milliardär Guo Guangchang, der in Anlehnung an den berühmten US-Investor gerne als "Chinas Warren Buffett" beschrieben wird. Die Firma hatten er und vier andere Studenten der Shanghaier Fudan Universität 1992 gegründet. Ihren Aufstieg verdankten sie anfangs Investitionen in Pharmazieunternehmen. Seit 2007 ist der Investmentarm Fosun International an der Börse in Hongkong gelistet.
Fosun hat heute in Immobilien, Stahlunternehmen, Versicherungen, die französische Modemarke Lanvin, die griechische Juwelierkette Folli Follie, das Touristik-Unternehmen Club Med und den Zirkus Cirque du Soleil investiert. In Österreich ist Fosun mehrheitlich am börsennotierten Strumpfkonzern Wolford beteiligt. Die Gruppe wirbt für sich als "familienorientiert" und teilt ihre Geschäftsbereiche in "Gesundheit", "Glück" und "Wohlstand" ein. Der Umsatz von Fosun International stieg im ersten Halbjahr 2019 unerwartet stark um 57 Prozent auf 65,5 Mrd. Yuan (8,37 Mrd. Euro). Der Nettogewinn wuchs um 11 Prozent auf 7,6 Mrd. Yuan.