365 Tage Pandemie: Das Jahr des Corona-Virus
Nichts hat das Wirtschaftsgefüge in der Zweiten Republik stärker erschüttert als das Corna-Virus und die Lockdown-Serie, die Mitte März 2020 begann. Eine Bestandsaufnahme, Zahlen und Fakten nach einem Jahr Pandemie.
ON-OFF. Hotels und Lokale hatten mehr als die Hälfte des Jahres geschlossen, den Einzelhändlern gingen je nach Branche und Größe 75 Einkaufstage oder mehr verloren.
Am 11. März 2020 abends, einem Mittwoch, kursierten in Wien erste Gerüchte, die Regierung plane angesichts steigender Corona-Fälle ein praktisch völliges Herunterfahren des öffentlichen und des Geschäftslebens. Leaks gab es in den damit befassten staatlichen Stellen zu Genüge, und so sickerte das Thema im Lauf des kommenden Tages in die Redaktionen des Landes durch. Von ranghohen Politikern wurde es am Abend noch dementiert.
Am Freitag, dem 13. März, um 14 Uhr eröffneten Sebastian Kurz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer eine Serie von Corona-Pressekonferenzen, die bis heute nicht abgerissen ist. Einschränkungen bei Schulen und Großveranstaltungen waren schon davor verhängt worden, nun verordneten Kurz &Co., das soziale Leben ab 16. März "auf ein Minimum" herunterzufahren.

Urlaubsreisen gingen in den ersten drei Quartalen 2020 um 31,7% zurück, Geschäftsreisen um 40,5%, Businesstrips ins Ausland um 48,7%. Die Ausgaben für dekorative Kosmetik - u. a. Mascara und Lippenstift - gingen von 44 auf 36 € pro Haushalt zurück, die für Handseife und Handcreme stiegen von 9 auf 11€.
Vor einem Jahr völlig unvorstellbar, sind viele Einschränkungen inzwischen Alltag. Dass Händeschütteln weitgehend Geschichte ist, gehört zu den symbolischen Folgen. Dass aber Brauereien in großem Stil Bier wegschütten müssen - oft aus den geschlossen gebliebenen Skihütten des Landes ins Tal gebracht - hat sich in die Köpfe einer breiten Öffentlichkeit eingebrannt.

Der Spritverbrauch ging 2020 deutlich zurück. Bei Benzin waren es mit 1,7 Mrd. Liter um 20% weniger, bei Diesel mit sieben Mrd. Liter um 17%. Im ersten Lockdown gingen die geahndeten Geschwindigkeitsübertretungen um ein Drittel zurück.
Unabsehbare Folgen
Ökonomisch sind die Schäden noch nicht vollständig abschätzbar. Die Wirtschaft ist 2020 um knapp sieben Prozent geschrumpft, der ursprünglich für 2021 erhoffte große Sprung vorwärts wird durch die ständigen Lockdown-Verlängerungen nach hinten geschoben. Rund eine halbe Million Menschen sind arbeitslos, ebenso viele befinden sich in der "Corona-Kurzarbeit". Die Cafés, Wirtshäuser und Restaurants des Landes waren in diesen zwölf Monaten gerade einmal an 175 Tagen offen, die Hotels noch seltener. Den meisten Einzelhändlern gingen zumindest 75 normale Einkaufstage verloren, abhängig von der Größe und der Branche.

Der Verbrauch mobiler Daten hat durch Homeoffice & Co. Schub bekommen. Weil viele Telefonate aufs Handy verlegt wurden, lag bei den Gesprächsminuten das Plus zeitweise sogar bei über 80%. Am Buchmarkt legten nur Kinder- und Jugendbücher zu, Verlierer ist das Reisesegment. Der Buchmarkt schrumpfte in Österreich 2020 um 4,4 Prozent.
Wie groß die Pleitewelle mit dem allmählichen Auslaufen der Corona-Hilfen wird, ist noch umstritten. Sicher ist, dass ganze Branchen nicht mehr so sein werden wie vor den seriellen Lockdowns: Im Mode-Einzelhandel rollte die Welle schon das ganze Jahr über, mit Insolvenzen etwa bei Airfield, Colloseum, Mr. Sahm, Stefanel oder zuletzt Pimkie -Fortsetzung garantiert.

In der Zeit der Hamsterkäufe liefen die Toilettenpapier-Werke auf Volllast. Die Jahresbilanz ist gemischt. Während es bei Haushalten Zuwächse gab, litten die auf Hygienelösungen für Hotels spezialisierten Unternehmen.
Wie überall in den von der Pandemie getroffenen Ländern reagierte die Regierung mit Hilfsprogrammen in noch nie da gewesener Höhe: Mehr als 30 Milliarden Euro hat Finanzminister Blümel bisher zugesagt. Das Budgetdefizit für 2021 ist mit 7,1 Prozent veranschlagt.
Gemischte Gefühle
Der Schalter wurde quasi über Nacht umgelegt. Der Wiener Flughafen verzeichnete im Jänner und Februar 2020 noch zweistellige Zuwächse bei den Passagierzahlen, im großen Rest des Jahres waren es zusammen genommen (!) nur so viel wie im Rekordmonat August 2019. Die Skihütten waren zu Jahresbeginn 2020 berstend voll, in der Saison darauf sperrte das als "Virusschleuder Europas" international geächtete Ischgl nicht einmal mehr die Lifte auf. Corona war ein echter wirtschaftlicher Partykiller.

Von März bis Dezember verzeichnete der Flughafen Wien nur 3,71 Mio. Flugreisende. Das Verkehrsaufkommen stürzte ab März ins Bodenlose. Nur 12.632 Passagiere registrierte der Flughafen im April, ein Minus von 99,5 Prozent. 7,8 Mio. Passagiere waren es am Ende des Jahres, ein Minus von 75 Prozent. Im Rekordjahr 2019 waren es 31,7 Mio. Passagiere.
Und dennoch ist die Schadensbilanz extrem gemischt: So wie den einen schlagartig der Boden unter den Füßen weggezogen wurde wie etwa Zulieferern der Flugzeugindustrie, eröffnete es für andere wie dem steirischen Logistikunternehmen Knapp, eine neue Perspektive. Die Event-und Tourismusbranche ist wohl auf lange Zeit getroffen, die Bauwirtschaft hat sich hingegen relativ schnell erholt. Und für die Digitalwirtschaft war Corona dank Homeoffice, Homeschooling und Homeshopping ein Turbo, den keine Wirtschaftspolitik zünden hätte können.

Die EU-Prognose Mitte Februar sah Österreich unter dem EU-Schnitt. Laut letzten Berechnungen der Statistik Austria dürfte die österreichische Wirtschaft 2020 um etwas weniger als erwartet geschrumpft sein: minus 6,6 Prozent.
Die Inhalte sind der trend.PREMIUM Ausgabe vom vom 12.03.2021 entnommen.