Wüstenrot-Chefin Susanne Riess-Hahn: "Sicherheit ist unser höchster Wert"
Susanne Riess-Hahn, Langzeit-Generaldirektorin von Wüstenrot, im Interview über die neue Wüstenrot-Bank, die Zins- und Geldpolitik der EZB, die stark gestiegenen Mietpreise, die Kickl-FPÖ und einen möglichen Bundeskanzler Herbert Kickl.
Wüstenrot Generaldirektorin Susanne Riess-Hahn
trend:
Sie wollen mit der Wüstenrot Bank im Juni an den Start gehen. Ist das angesichts der Unsicherheit auf den Finanzmärkten der richtige Zeitpunkt?
Für uns ist es jedenfalls der richtige Zeitpunkt. Unser Geschäftsmodell ist ja ein ganz bodenständiges, unaufgeregtes mit ausschließlich Retail- Kunden, denen wir Spar-, Girokonten und Hypothekarkredite anbieten wollen. Deshalb sind die Risikofaktoren auch sehr gering.
Aber gibt es in Österreich nicht schon genügend Banken?
Ja, es gibt genügend Banken in Österreich und Europa. Es geht ja nicht darum, noch eine Bank zu gründen, sondern das Geschäftsmodell der Wüstenrot-Gruppe abzurunden. Aus einem Fast-Allfinanzdienstleister wird ein Allfinanzdienstleister. Was uns im Angebot gefehlt hat, ist ein Konto. Das hat auch zu einer nicht unbeträchtlichen Kundenfluktuation geführt. Wenn ein Kunde von einer unserer Partnerbanken weggewechselt ist, hat er in der Regel dort auch seine Versicherung abgeschlossen. Es war nicht unsere Motivation, die Welt mit noch einer Bank zu beglücken, sondern etwas zu schaffen, was es in der Form noch nirgends gibt: einen echten Allfinanzdienstleister im Retailgeschäft.
Kryptoassets sind für uns kein Thema. Sicherheit ist bei uns der höchste Wert.
Wird man über die Wüstenrot Bank auch Kryptoassets kaufen können?
Nein, das ist sicher kein Thema. Unser Geschäftsmodell basiert darauf, dass wir keine exotischen, abenteuerlichen Produkte anbieten. Bei uns sind die Kunden gut aufgehoben, die auf der sicheren Seite sein wollen. Das ist ja auch die Basis unserer Vertrauenswerte. Sicherheit ist bei uns der höchste Wert. Damit sind wir fast 100 Jahre gut gefahren.
Wie wird die Bank finanziell und personell ausgestaltet sein?
Wir gehen davon aus, dass wir drei bis vier Jahre brauchen, bis die Bank positiv bilanzieren kann. 50 Mitarbeiter werden in der Wüstenrot Bank tätig sein. Mehr benötigen wir nicht, weil wir viele Synergien in der Gruppe haben.

Wüstenrot Generaldirektorin Susanne Riess-Hahn
Wie begegnen Sie dem schwierigen Arbeitsmarkt?
Als Arbeitgeber attraktiv zu sein, ist heute ein absolutes Muss. Da geht es nicht nur um das Gehalt, sondern immer stärker auch um Soft Facts. Wir bieten den Mitarbeitern 60 : 40 Büro und Homeoffice an, setzen stark auf die Themen Lehrlinge und Weiterbildung. Und es gibt Incentives, Mitarbeiter dürfen etwa Hunde ins Büro mitnehmen.
Die Bank wird Wüstenrot Bank heißen, oder bekommt sie einen anderen Namen?
Nein, wir werden sie nicht George oder Emily oder sonst wie nennen. Einfach nur Wüstenrot Bank, weil die Marke einen extrem hohen Bekanntheitsgrad hat.
Für Europa ist die Gefahr, dass es zu einer größeren Krise bei den Banken kommt, sehr gering einzuschätzen.
Nach den Turbulenzen bei der Credit Suisse (CS) geht die Angst vor einer weltweiten Bankenkrise um. Haben Sie die Probleme der CS überrascht?
Die Dimension hat mich schon überrascht. Dass die CS aufgrund von Managementfehlern Schwierigkeiten hat, war aber seit Jahren bekannt.
Ist die Angst vor einer Bankenkrise Ihrer Meinung nach berechtigt?
Das glaube ich nicht. Gerade in Europa sind die Banken viel resilienter als früher. Viele der regulatorischen Hausaufgaben, die wir in Europa nach der Finanzkrise 2008 gemacht haben, sind aber in den USA nicht gemacht worden. Für Europa ist die Gefahr, dass es zu einer größeren Krise bei den Banken kommt, sehr gering einzuschätzen. Für die USA lege ich meine Hand nicht ins Feuer.
Und die Regeln in Europa gehören jetzt auch nicht verschärft?
Die Regeln sind meiner Meinung nach scharf genug. Wir haben kapitalstarke Banken mit soliden Geschäftsmodellen.
Die Inflation ist der Geldpolitik der EZB geschuldet, die alle Schleusen hemmungslos geöffnet hat.
Als Konsequenz der jüngsten Bankenpleiten will die EU die Bankenunion vorantreiben. Was halten Sie davon?
Natürlich machen gemeinsame Regeln in Europa Sinn. Ich bin aber skeptisch, ob die Bankenunion in dieser Form sinnvoll ist.

Wüstenrot Generaldirektorin Susanne Riess-Hahn
Die EZB hat letzte Woche erneut die Zinsen erhöht. Was bedeutet das für die Wüstenrot Gruppe?
Wir hatten in der Bausparkasse Jahre einer extremen Niedrigzinsphase. Das hat für unser Geschäftsmodell große Probleme gebracht. Dafür hatten wir Rekorde bei der Wohnbaufinanzierung. Wir sehen jetzt starke Steigerungen im Ansparbereich und bei den Vorsorgethemen. Für uns hat die Zinssteigerung in einigen Bereichen sehr positive Auswirkungen, aber auf der Kreditseite sehen wir wie alle anderen Rückgänge. Ganz allgemein möchte ich aber schon sagen, dass wir bei der Inflation jetzt da stehen, wo wir stehen, schon der Geldpolitik der EZB geschuldet ist, die alle Schleusen hemmungslos geöffnet hat.
Aber ist die EZB jetzt am richtigen Weg?
Jedenfalls hat sie zu spät reagiert und hinkt daher der realpolitischen Entwicklung oft hinterher. Die lockere Geldpolitik der vergangenen Jahre ist Ursache mancher heutiger Probleme.
Ich halte nichts davon, dass man rituell alle paar Monate Geld mit der Gießkanne verteilt.
Sie gehen davon aus, dass die Leute wegen steigender Zinsen wieder mehr in Vorsorge investieren werden. Aber haben die Leute das Geld überhaupt noch dafür? Wer kann sich Vorsorge noch leisten?
Trotz der massiven Verwerfungen für manche Menschen in Österreich ist die Gesamtsituation ja nicht so trist, wie oft behauptet. Österreich ist sicher kein Land, das von Armut und Untergang bedroht ist. Für die Gruppe Menschen, die echte Probleme hat, muss man etwas tun, aber ich halte nichts davon, dass man rituell alle paar Monate Geld mit der Gießkanne verteilt. Unsere Kunden sind kleine und mittlere Einkommensbezieher, und bei diesen merken wir nach wie vor, dass Vorsorge große und wachsende Bedeutung hat.
Viele Gebühren von Versicherungen oder Banken sind an den Verbraucherpreisindex gebunden und steigen gerade massiv an. Ist das Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?
Dass Banken Gebühren für ihre Serviceleistungen einheben, ist ganz klar. Wenn man Konsumentenschützern zuhört, klingt das nur nach Ausbeutung und Raubrittertum. Entscheidend ist immer die bestmögliche Beratungs- und Serviceleistung, und die hat ihren Preis.
Wohn-Eigentum ist nach wie vor die beste Vorsorge.
Das Thema Wohnen ist ja für Wüstenrot ein ganz zentrales Thema. Wie soll Wohnen leistbarer gemacht werden?
Das Thema ist sehr komplex und fängt damit an, was und wo gebaut wird. Es werden immer noch viele Singlewohnungen gebaut, und es wird zersiedelt. Und man muss sich Gedanken darüber machen, wie sich alte Menschen Wohnen leisten können. Für dieses wichtige Thema gibt es kaum Konzepte. Eigentum ist nach wie vor die beste Vorsorge.
Wie wird sich die KIM-VO (Kredit-Vergabestandards für Immobilien, Anm.) auswirken?
Damit wird es jungen Leuten de facto unmöglich gemacht, jemals Eigentum zu erwerben. Darauf hat die Branche von Anfang an hingewiesen. Dabei ist der Anteil derer, die in Österreich Wohnungseigentum haben, ohnehin schon sehr gering. Mit der Verordnung wird nun eine Generation heranwachsen, die keine Chance auf Wohnungseigentum hat. Das wird sich in ein paar Jahren tatsächlich in zunehmender Altersarmut niederschlagen.
Ein Bundeskanzler Kickl wäre für mich ein absolutes No-Go.
Wüstenrot hat ja das Headquarter in Salzburg. Sie haben den Wahlkampf also hautnah miterlebt. Wie beurteilen Sie die Regierungsbildung in Salzburg?
Was mich generell besorgt, ist, dass wir immer mehr Konstellationen bekommen, die ein Land unregierbar machen. Koalitionen sind meist schwierig und erfordern nicht nur gegenseitiges Vertrauen und Toleranz. Je weiter die Parteien programmatisch auseinander sind, desto schwieriger wird es, zu regieren. Das gilt im Besonderen für Dreierkoalitionen. Das ist davor in Salzburg erstaunlich gut geglückt. Ich halte es auch für bedenklich, dass sich eine Partei wie die KPÖ von vornherein aus dem Spiel nimmt und sagt, sie will nicht mitregieren. Also sind die Optionen enden wollend. Ich denke deshalb auch, dass ein Mehrheitswahlrecht der Demokratie sehr gut tun würde. Dieses Gezerre in Koalitionen führt zur Stärkung der linken und rechten extremen Ränder.

Wüstenrot Generaldirektorin Susanne Riess-Hahn im Gespräch mit Angelika Kramer
In Salzburg stehen die Signale auf Schwarz-Blau. Ist das nicht Ihre Wunschregierung?
Mir sagt nur die eine Hälfte zu, die andere nicht. Die Programmatik der FPÖ ist jedenfalls nicht die meine und in eine Dimension abgedriftet, die ich nicht für gesund halte.
Was hielten Sie von einem Bundeskanzler Kickl?
Das wäre für mich ein absolutes No-Go. Jemand, der derartig destruktiv ist und nur zerstören will, kann keine Verantwortung für das Land übernehmen. Die FPÖ ist heute eine ganz andere Partei, als sie vor 20 Jahren war. Sie ist vergleichbar mit AfD in Deutschland oder Le Pen in Frankreich. Die Regierungsfähigkeit der FPÖ wurde noch nie bewiesen.
Wären Sie heute noch in der Politik, wie würden Sie eine FPÖ geführte Regierung verhindern?
Man muss aufrichtige Politik machen, die dem Wähler vor Augen führt, dass weder die FPÖ noch die KPÖ Konzepte für das Weiterkommen des Landes und der Gesellschaft haben. Die Wahlkämpfe der beiden Parteien sind sehr monothematisch. Die anderen Parteien zeigen diese Mängel viel zu wenig auf.
Mich besorgt, dass in einem Rechtsstaat wie Österreich Vorverurteilungen passieren.
Sie galten ja als Unterstützerin oder Vertraute von Sebastian Kurz. Sind Sie von ihm enttäuscht?
Nein, warum sollte ich enttäuscht sein? Es gab mit Thomas Schmid einen bösen Geist in der Regierung, auf den all die Probleme zurückzuführen sind. Sebastian Kurz hat jemandem vertraut, der dieses Vertrauen gröblichst missbraucht hat.
Kurz selbst kann man Ihrer Meinung nach nicht vorwerfen, dass die Regierung gescheitert ist?
Natürlich kann man ihm vorwerfen, dass er sich mit falschen Leuten umgeben hat, aber alle fanden Schmid super. Es herrschte ja ein richtiger Hype um ihn.
Dass jetzt gegen die halbe Regierung Kurz ermittelt wird, stört Sie nicht?
Die Hälfte der Ermittlungen etwa gegen Gernot Blümel oder Hartwig Löger wurde schon wieder eingestellt. Mich besorgt, dass in einem Rechtsstaat wie Österreich solche Vorverurteilungen passieren. Dieser Rufmord in systematischer Form als Mittel der politischen Auseinandersetzung ist abzulehnen.
Je mehr Frauen in Führungspositionen, desto mehr rücken nach
Sie sind bereits seit knapp 20 Jahren an der Spitze von Wüstenrot...
Ich bin ein Dinosaurier.
Wie hält man sich 20 Jahre erfolgreich an der Spitze?
Die Finanzindustrie ist heute eine ganz andere als vor 20 Jahren, als ich begonnen habe. Ich habe viele Veränderungen erlebt und gestaltet, und es war immer spannend. Als ich begonnen habe, hätte ja niemand darauf gewettet, dass ich hier lange bleibe. Viele haben geglaubt, ich würde wieder in die Politik zurückgehen. Ich war aber immer dankbar, dass ich in der zweiten Hälfte meines Lebens die Chance für diese neue Karriere bekommen habe. Und ich mache meinen Job mit großer Freude.
Außer Ihnen gibt es in Österreich aber nach wie vor sehr wenig weibliche CEOs in Finanzinstituten.
Ja, leider.
Wieso tut sich da nicht mehr?
Es hat sich schon einiges getan. Als ich begonnen habe, war ich in vielen Gremien die erste und einzige Frau. Das bin ich heute Gott sei Dank nicht mehr. Dass es nicht schneller geht, liegt vielleicht auch daran, dass das Thema Teilzeit auch in Führungspositionen zunimmt. Ich setze aber sehr auf den Multiplikatoreffekt: Je mehr Frauen in Führungspositionen, desto mehr rücken nach.
Wenn Sie noch einmal von vorne beginnen könnten, würden Sie wieder in die Politik gehen?
Ich habe die Politik mit großer Leidenschaft gemacht und habe mir aus der Zeit viele Freundschaften erhalten. Ich möchte die Zeit also nicht missen. Auch die schlechten Zeiten in der Politik haben mir wertvolle Lektionen mitgegeben.
Sie sitzen auch im Beirat von René Benkos Signa. Muss man sich um das Unternehmen Sorgen machen?
Definitiv nicht.
ZUR PERSON
Susanne Riess-Hahn, geb 1961 in Braunau am Inn, war von 2000 bis 2003 Vizekanzlerin in der Regierung Schüssel-Haider. 2003 schied sie aus der Politik aus und ging zur Wüstenrot-Gruppe, wo sie 2004 zur Generaldirektorin ernannt wurde. Riess-Hahn sitzt im Generalrat der OeNB, im Beirat der Signa Gruppe und ist Vizepräsidentin im Bankenverband.
Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 12. Mai 2023 entnommen.