„Strategiearbeit wird zum Dauerthema“

Eine fixe Planung über fünf Jahre – schade ums Papier. Aber ein ständiger Strategiewechsel bringt es auch nicht. Über das Managen in volatilen Zeiten diskutieren Unternehmer CHRISTIAN PRANGL und Deloitte Experte ALBRECHT RAUCHENSTEINER.

„Strategiearbeit wird zum Dauerthema“

ZU DEN PERSONEN:
Albrecht Rauchensteiner ist Director bei Deloitte in Wien. Er begleitet Unternehmen unterschiedlicher Branchen bei der Entwicklung ihrer Strategie sowie bei komplexen Transformationsprozessen und zeichnet sich durch langjährige Beratungserfahrung und pragmatische Lösungsansätze aus. Zudem ist er für das Programm „Austria’s Best Managed Companies“ verantwortlich.

Christian Prangl ist Geschäftsführer des gleichnamigen, 1965 von seinem Vater gegründeten Familienunternehmens. Er hat nach Abschluss eines Jesuitenkollegs und der Handelsakademie an der Wirtschaftsuniversität Wien studiert und ein halbes Jahr in Los Angeles verbracht. Das Unternehmen ist Spezialist für Mobilkräne, Schwertransporte und Arbeitsbühnen. Prangl ist von 17 Standorten in sieben Ländern aus europaweit tätig und setzt mit 670 Mitarbeitenden 114 Millionen Euro um.


TREND: Die Stimmung bei den Unternehmen liegt derzeit zwischen Weltuntergang und übervollen Auftragsbüchern. Wie ist Ihre Einschätzung?

Christian Prangl: Diese Unterschiede hängen sicher mit den verschiedenen Branchen zusammen. Zu unseren Kunden zählen unter anderen die Bau- und die Baunebenbranche, die derzeit noch viele Aufträge aus den vergangenen Jahren abzuarbeiten haben. Wir hatten 2022 einen sehr guten Geschäftsverlauf, ich sehe da auch für die Zukunft nicht so schwarz. Aber aufgrund des Arbeitskräftemangels und auch der Lieferschwierigkeiten ist es im Moment sehr schwer, längerfristige Prognosen zu machen – eigentlich ist es unmöglich. Eine Planung über drei oder fünf Jahre? Schade ums Papier.

Albrecht Rauchensteiner: Wir spüren in unseren Beratungsprojekten auch genau diese Unsicherheit bezüglich einer langfristigen strategischen Planung. Daraus ergibt sich die Herausforderung, Strategieentwicklung mit einem deutlich kürzeren Planungshorizont in Einklang zu bringen. Das bedeutet aber auch, dass Strategiearbeit zum Dauerthema wird. Es reicht eben nicht mehr, eine langfristige Unternehmensstrategie zu entwickeln, und dann einmal im Jahr zu schauen, ob das mit der operationalen Ebene noch zusammenpasst. Jetzt ist das ein laufender Prozess. Der kann nur gelingen, wenn sich das Management auf die wesentlichen Themen fokussiert. Andernfalls sind die Führungskräfte nur noch mit Reporting und dem Ausfüllen von Tabellen ­beschäftigt, das ist ja sinnlos.

Prangl: Ich warne davor, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit zu schnellen strategischen Richtungswechseln zu überfordern. Ich kaufe Maschinen und Spezialfahrzeuge, die teilweise viele Millionen Euro pro Stück kosten. Die muss ich über viele Jahre einsetzen, damit sich dieses Investment rechnet. Ich sehe Unternehmensstrategie daher als eine Art Richtschnur, wohin das Unternehmen sich entwickeln soll. Wenn man da zu oft die Richtung wechselt, verlieren die Mitarbeiterinnen und ­Mitarbeiter die Orientierung.

Rauchensteiner: Da stimme ich absolut zu. Strategie bedeutet ja auch, ein zentrales Thema, eine zentrale Botschaft zu haben. Damit wissen die Beschäftigten auch in unsicheren Zeiten, warum sie in der Früh zur Arbeit kommen und welchen Beitrag sie leisten können.

Wie lässt sich diese Unsicherheit und Kurzfristigkeit managen?

Prangl: Managen bedeutet schon in normalen Zeiten, in die Zukunft zu schauen. Und dieser Blick muss jetzt geschärft und häufiger fokussiert werden. Früher haben wir uns unsere Preise einmal im Jahr angeschaut, jetzt müssen wir das häufiger machen – weil es eine Explosion beim Dieselpreis, den Kollektivvertragsabschlüssen und auch unseren generellen Investitionskosten gegeben hat. Das sind Faktoren, die wir im laufenden Geschäft berücksichtigen müssen.

Rauchensteiner: In der Beratungspraxis zeigt sich: Es ist zentral für ein Unternehmen, sich als wichtige Konstante einen strategischen Rahmen mit gewissen operationalen Bandbreiten zu geben. Dann hat man einerseits die Möglichkeit, schnell zu entscheiden, ob gewisse Maßnahmen zu dem passen, was man sich vorgenommen hat. Und man hat gleichzeitig die Möglichkeit, auf geänderte Umstände flexibel zu reagieren, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine gewisse Freiheit haben – aber eben innerhalb eines Rahmens, damit man nicht aufgrund äußerer Einflussfaktoren ständig eine neue Unternehmensstory erfinden muss. Im Rahmen von „Best Managed Companies“ haben wir bei einer Vielzahl der Preisträger eine ähnliche Systematik der strategischen Systeme vorgefunden, was sich sehr positiv auf die Resilienz der jeweiligen Unternehmen ausgewirkt hat.

Ob ich mir ein Fertigteilhaus kaufe, das Prangl dann aufstellt, oder der Bund sich entscheidet, eine Brücke zu sanieren, und dafür Ihre Maschinen braucht, können Sie nicht beeinflussen. Was bedeutet da Strategie für einen Dienstleister wie Prangl?

Prangl: Einerseits geht es um die Frage, wie wir unseren Fuhrpark – und damit unser Dienstleistungsangebot – langfristig ausrichten. Also zu identifizieren, wo die relevanten Bereiche und Industrien sind, in denen wir tätig sein wollen. Und wie wir es schaffen können, dort einen möglichst großen Marktanteil zu erreichen. Damit hängt auch die Frage zusammen, wo wir regional vertreten sein wollen. Erst kürzlich haben wir eine Gesellschaft in Serbien gegründet. Eine klare Perspektive sehe ich bei der Windenergie. Wir brauchen noch mehr davon, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür müssen die Türme und Rotorblätter, die immer gewaltiger werden, transportiert und aufgestellt werden. Und das ist genau unser Geschäft. Dann bedeutet Strategie für uns auch, gewisse zentrale Zukunftsthemen zu identifizieren, an ­denen wir dann auch nicht rütteln. Eines davon ist die Digitalisierung. Da geht es um die gesamte Kommunikation und die Abläufe mit allen relevanten Stakeholdern. Klares Ziel ist, hier zu den führenden Unternehmen der Branche zu gehören. Und dabei bleiben wir, egal, wie hoch der Dieselpreis ist.

Rauchensteiner: Die Digitalisierung ist in vielen Unternehmen derzeit ein großes Thema. Wichtig ist dabei nur, das nicht als reines IT-Projekt zu sehen, sondern die Digitalisierung in die Gesamtstrategie einzubetten. Sonst stellen sich die erhofften Effekte meistens nicht ein beziehungsweise ist das Risiko von „Sunk Costs“ hoch.

Prangl: Auch wir haben uns bewusst entschieden, die Digitalisierung gesamtheitlich zu betreiben. Wir haben eine eigene Digitalisierungsabteilung gegründet, dessen Leiter Teil des Managements und damit bei allen strategischen Entscheidungen dabei ist.

Rauchensteiner: Ein weiteres großes strategisches Thema, das jetzt bei den mittelständischen Unternehmen angekommen ist, ist ESG, also das nachhaltige Wirtschaften und eine verantwortungsvolle Unternehmensführung unter besonderer Berücksichtigung von sozialen und Umweltaspekten. Hier arbeiten wir im Rahmen der Strategieentwicklung häufig mit einem Reifegrad-Modell, dass den Unternehmen eine Standortbestimmung ermöglicht. Es ist jedenfalls ganz eindeutig, dass die Themen Digitalisierung und ESG in den Fokus rücken und auch in die unternehmerische Gesamtstrategie integriert werden müssen.

Wie gehen Sie mit dem Thema Arbeitskräftemangel um?

Prangl: Wie fast alle anderen Unternehmen suchen auch wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, bemühen wir uns, einen schönen und interessanten Arbeitsplatz zu bieten. Das klingt banal, ist es aber nicht. Denn ein Großteil unserer Beschäftigten sind Fahrerinnen und Fahrer, deren Arbeitsplatz die Geräte sind. Deshalb investieren wir viel Geld in gute Maschinen und deren Wartung, binden die Mitarbeitenden dabei auch ein, führen regelmäßige Sicherheitstrainings durch. Wir haben einige Lehrlingsinitiativen gestartet und einen Bildungscampus für die persönliche Weiterbildung ins Leben gerufen. Dabei geht es auch um Austausch zwischen Abteilungen. Es ist wichtig, dass auch jemand aus der Buchhaltung versteht, welchen Fuhrpark wir haben und was die Leute damit machen. Das schafft Verbundenheit zum Unternehmen.

Rauchensteiner: Das ist ein zentraler Punkt, der sich bei allen Befragungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeigt: Das Silodenken zwischen den Abteilungen aufzubrechen und Vernetzungen zu schaffen, ist ein ganz großes Bedürfnis. Damit wird gleichzeitig die Voraussetzung geschaffen, dass die gesamte Organisation strategische Zusammenhänge versteht. Zudem ist es sinnstiftend, wenn jeder Einzelne erkennt, welche Rolle er im Betrieb spielt.


Prangl ist eines der ausgezeichneten Unternehmen im Rahmen des Programms Austria’s Best Managed Companies.
Details dazu unter: www.deloitte.at/bestmanaged


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