Siemens Österreich CEO Hesoun: "Es braucht wieder mehr Zusammenhalt und Vertrauen“

Wolfgang Hesoun, Generaldirektor von Siemens Österreich, im trend. Interview über die Pandemie, den Klimawandel und über Forschung als Auftrag, um den großen Herausforderungen unserer Zeit begegnen zu können.

Wolfgang Hesoun, Generaldirektor Siemens Österreich AG

Wolfgang Hesoun, Generaldirektor Siemens Österreich AG

trend: Es seit nun fast zwei Jahren beherrscht die Coronapandemie die Wirtschaft, die Politik und die Gesellschaft. Hätten Sie das vor einem Jahr, als der erste Impfstoff zugelassen wurde, gedacht?
Wolfgang Hesoun: Ich war von Anfang an überzeugt, dass die Pandemie nicht in ein bis zwei Jahren zu Ende sein wird. Wir haben daher im Unternehmen sehr früh begonnen, umfassend zu kommunizieren, und den Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets an erste Stelle gestellt. Im Sommer dieses Jahres war bereits absehbar, dass der Herbst mit steigenden Fallzahlen verbunden sein wird. In Kombination mit einer zu geringen Durchimpfungsrate war das für mich ein klarer Fall, sehenden Auges in den nächsten Lockdown zu schlittern. Traurig, zu sehen, dass wir aus der Vergangenheit und den harten Erfahrungen mancher Länder nicht gelernt haben.

Nach Deutschland zu schauen und zu sagen, dort ist es nicht viel besser, hilft auch wenig. Was ist schiefgelaufen?
In Zeiten von Unsicherheit und vielfach auch Angst braucht es Sicherheit und Transparenz. Unternehmen brauchen Planungssicherheit, Mitarbeiter Jobsicherheit. Wir konnten Kurzarbeit in allen Produktionsbereichen abwenden. Auch haben wir umfassend, klar und unter Beiziehung von Expertinnen und Experten informiert. Dies hat die öffentliche Hand verabsäumt. Daher haben Informationsportale, die alternative Fakten streuen, regionale oder politische Gruppen, die hier ihre eigene Agenda verfolgen, leider einen fruchtbaren Boden gefunden. Was es braucht, ist wieder mehr Zusammenhalt und Vertrauen.



Wir brauchen den internationalen Vergleich mit anderen Innovationsnationen nicht scheuen.

"Too little, too late" - zu wenig gemacht, zu spät reagiert - war im November das Resümee von trend-Autor Josef Votzi zum Corona-Management der Regierung. Laufen wir beim Klimawandel Gefahr, den gleichen Fehler zu machen?
Es ist mittlerweile unbestritten, dass jeder von uns einen Beitrag leisten muss, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Diesen Punkt sehe ich bei Covid leider noch nicht. Was Klimaschutzmaßnahmen betrifft, gilt es hier jedoch breit zu denken und nicht einseitig zu fokussieren. Weder darf die energieintensive Industrie zum Abwandern gezwungen werden, noch scheint es mir zielführend, im Individualverkehr Technologien auszuschließen und nur mehr auf Elektromobilität zu setzen. Es müssen vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen werden, die national wie international greifen. Der Klimawandel kann nicht in Einzelstaaten oder einzelnen Regionen gelöst werden. Wirtschaft und Industrie nehmen den Kampf für den Klimaschutz sehr ernst. Wir investieren laufend in neue Technologien und Innovationen. Auch aus Eigeninteresse. Es ist eigentlich eine klassische Win-win-Situation. Sonst würde sich ein Technologieunternehmen wie Siemens nicht so intensiv damit beschäftigen.

Corona, Klimawandel, Digitalisierung - Forschung und Entwicklung sind in all diesen Bereichen Treiber und Erfolgsgaranten. Ist die Forschung in Österreich stark genug, um mitzuspielen?
Wir brauchen den internationalen Vergleich mit anderen Innovationsnationen nicht scheuen. Und die EU ist mit nur sieben Prozent der Weltbevölkerung für 20 Prozent der globalen F&E-Investitionen verantwortlich. Wir haben eine robuste industrielle Basis, die uns in der Krise stark geholfen hat. Wir haben hohe Expertise im Bereich künstliche Intelligenz, IoT und Edgecomputing in Verbindung mit dem notwendigen industriellen Know-how, das Microsoft, Google usw. eben nicht haben. Allein wir bei Siemens in Österreich haben mehrere zukunftsweisende und auch international beachtete Projekte im Bereich der Energieeffizienz wie das Forschungsprojekt in der Seestadt Aspern oder den Campus Microgrid in der Siemens City. Anders kann ich mir das starke internationale Interesse an unseren Projekten oder Laboren nicht erklären.

Stichwort Seestadt Aspern: Welche Bedeutung hat dieses Leuchtturmprojekt für Siemens und den Standort Österreich?
Wir forschen in Aspern an einem hochaktuellen Thema: der Energiezukunft im urbanen Raum. Unser grundlegendes Ziel ist es, marktnahe, skalierbare und wirtschaftliche Lösungen für die Energiezukunft im urbanen Raum zu entwickeln und so das Energiesystem effizienter und klimafreundlicher zu machen. Wir wissen heute, dass es bei entsprechenden Rahmenbedingungen möglich ist, urbane Stadtteile thermisch autark zu gestalten bzw. mit einem hohem eigenerzeugten Energieanteil zu betreiben. Das Schöne an diesem Forschungsprojekt ist nicht nur die starke Involvierung von realen Daten aus dem Stadtentwicklungsgebiet Aspern, sondern auch, dass die hier gewonnen Erkenntnisse bereits weltweit in Form von neu entwickelten bzw. erweiterten Siemens-Produkten und -Lösungen zum Einsatz kommen. Auch greift die Bundesimmobiliengesellschaft bereits auf unsere Erkenntnisse zurück.



Unternehmertum hat immer mit Optimismus zu tun, sonst ist man fehl am Platz.

Wie könnten in Europa und in Österreich vermehrt solche Leuchtturmprojekte entstehen?
Österreich hat eine exzellente Forschungsförderungslandschaft und offenbar auch eine auf Forschung neugierige Mentalität, die dazu beiträgt, dass internationale Konzerne Projekte hier initialisieren. Am Ende des Tages geht es aber immer darum, ob es gelingt, den Kunden am Weg zur Erreichung seiner Unternehmensziele zu unterstützen. Das kann nur funktionieren, wenn Authentizität gegeben ist. 2015 war Siemens eines der ersten Industrieunternehmen weltweit, das sich zur CO2-Neutralität der eigenen Geschäftstätigkeit bis 2030 verpflichtete. Auf diesem Weg unterstützen wir jetzt etwa auch Unternehmen wie Coca-Cola. Hier ist es uns gemeinsam gelungen, im Werk Edelstal den Verbrauch von Ressourcen und Energie detailliert zu analysieren und so Potenziale für die Verkleinerung des CO2-Fußabdrucks zu finden.

Nicht nur die anhaltende Pandemie bremst den Aufschwung. Rohstoffknappheit, dysfunktionale Lieferketten und die steigende Inflation tun ein Übriges. Fällt es Ihnen leicht, 2022 optimistisch nach vorne zu blicken?
Unternehmertum hat immer mit Optimismus zu tun, sonst ist man fehl am Platz. Wir hatten trotz einer hohen Volatilität der Märkte ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2021. Ein Ausblick auf 2022 ist schwierig, da wir uns in einer sicherlich noch nie dagewesenen Marktsituation befinden, die von steigenden Energiepreisen, hoher Inflation, einem weiterhin herrschenden Fachkräftemangel und politischen Veränderungen geprägt ist. Hinzu kommt, dass die Pandemie die Risiken hinsichtlich Marktzugang, Markt-und Fertigungsvolumen, aber auch hinsichtlich Fragilität der globalen Lieferketten klar aufgezeigt hat. Diese Liste ließe sich leider noch weiter fortsetzen. Viele dieser Themen werden uns im kommenden Jahr noch intensiv beschäftigen. Wahrscheinlich wird dies à la longue zu einem strategischen Umdenken im Footprint von Produktionen und den verbundenen Lieferketten führen.

Können wir wieder eine "Wir-schaffen-das"-Parole ausrufen?
Oscar Wilde sagte angeblich: "Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende." Die Pandemie hat die Welt verändert, und die Klimadiskussion wird noch viele Neuerungen bringen. Ich hoffe, wir können uns bald an die veränderte Situation gewöhnen und das rechte Maß finden.


Zur Person

Wolfgang Hesoun, geb. 1960, ist seit 2010 Vorstandsvorsitzender der Siemens AG Österreich mit Verantwortung für weitere 20 Länder in CEE. Hesoun ist zudem Präsident des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI). Vor seiner Zeit bei Siemens war er Vorstand und Generaldirektor von Porr AG und Porr Umwelttechnik.


Das Interview ist der trend. EDITION vom Dezember 2021 entnommen.

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