Robert Hartlauer: "Die Reserven sind aufgebraucht"
Von Lustshoppen, Brillendesinfektion und Passfotos mit Schutzmasken: wie Elektrohändler Robert Hartlauer nach dem Lockdown wie ein Löwe um den Neustart seines Unternehmens kämpft.
trend:
Sie hatten Ihre Filialen geschlossen und fahren den Betrieb nun langsam wieder hoch. Das fühlt sich ganz gut an, oder?
Robert Hartlauer:
Wir hatten genau einen Monat geschlossen. Und das war schon ein riesiger Rückschlag für mich als Unternehmer - und für meine Mitarbeiter, die alle derzeit noch in Kurzarbeit sind. Wir haben nun wieder geöffnet, teilweise eingeschränkt. Das richtige Lustshoppen fehlt im Moment noch etwas. Es geht aktuell eher um das Bedarfsshoppen, um Produkte fürs Homeoffice, Neubrillenaufträge oder Brillenreparaturen. Auch im Smartphonebereich gibt es eine große Nachfrage.
Sie sind ja kein Konzern, sondern ein Familienunternehmer: Wie geht sich das finanziell aus?
Hartlauer:
Es sind derzeit immerhin mehr als 50 Prozent vom Umsatz, aber noch lange nicht das alte Niveau vor Corona. Dabei hatte ich noch ein gutes vergangenes Jahr, die eigenen Reserven sind mittlerweile aufgebraucht.
Das Corona-Kurzarbeitsmodell sollte ja für eine gewisse Erleichterung sorgen.
Hartlauer:
Ja, ohne Kurzarbeit ginge es wohl gar nicht. Wesentlich ist freilich die Geschwindigkeit, mit der das Unterstützungsgeld jetzt auch bei uns ankommt, das muss passieren wie zugesagt. Denn das Urlaubsgeld im Juni wird bereits eine echte Herausforderung.
Lässt sich die Entwicklung schon aufs Jahr hochrechnen?
Hartlauer:
Insgesamt wird es kein lustiges Jahr, das ist jetzt schon absehbar, denn diesen einen Monat Totalausfall holen wir nicht mehr auf. Und dann kommt dazu, dass ja nur bei einer medizinischen Lösung einer Impfung oder eines Medikaments die Virusproblematik entschärft wird und nur dann eine rasche wirtschaftliche Erholung möglich ist. Sonst haben wir weiter ein abnormales Einkaufsverhalten. Aber ich versuche, optimistisch zu bleiben, und blicke nach vorne.
Auch wenn die Corona-Krise ein weltweites Problem ist?
Hartlauer:
Jetzt einmal geht es darum, einfach das Beste aus der Situation zu machen. Die weltweiten Auswirkungen sind noch nicht begreifbar. Eventuell müssen wir einen Schuldenerlass für alle Länder andenken, denn alle verschulden sich gerade in gleichem Ausmaß. Und Eurobonds bringen ja auch nichts, wenn alle Euroländer gleichermaßen ins Minus rutschen und nicht nur eines, wie es seinerzeit bei Griechenland der Fall war. Positiv zu werten ist wohl, dass es jetzt außer dem Virus ja keine Parameter gibt, die die Verwerfungen ausgelöst haben, und es nicht so wie in der Finanzkrise, eine wirtschaftliche Fehlentwicklung war.
Sie haben schon vor der Krise versucht, Ihr Onlinegeschäft massiv auszubauen. Hat das geholfen?
Hartlauer:
Was wir feststellen mussten: Online als Ersatz ging bei vielen Produkten nicht. Das liegt vielleicht auch an unserem beratungsintensiven Sortiment, Brillen, Hörgeräte und dergleichen. Wir konnten dadurch nicht einmal zehn Prozent unseres normalen Umsatzes retten. Obwohl wir viele Aktionen gestartet haben, etwa Reparaturservice per Post und ähnliches.
Enttäuscht?
Hartlauer:
Dass das Onlinegeschäft in unserem Bereich keine wirkliche Alternative zu direkter Beratung ist, war mir immer schon klar. Und es hat sich gezeigt, dass mein Ansatz richtig ist, beide Welten anzubieten. Online ist dabei immer nur Ergänzung, nie Ersatz für das stationäre Geschäft.
Für Handelsunternehmen sind ja Geschäftsmieten ein großes Thema. Wie geht es Ihnen damit? Sie sind ja über Ihre Immobiliengruppe auch Vermieter für viele Geschäftsstandorte.
Hartlauer:
Das mit den Mieten und dem Vermieten ist eine komplizierte Sache, jeder Anwalt hat da eine andere Meinung. Wir selbst haben uns für einen Mittelweg entschieden, wir bezahlen unsere Mieten mit Vorbehalt einer späteren rechtlichen Klärung. Und wir fordern als Vermieter auch Mietzahlungen mit demselben Vorbehalt ein. Aber natürlich, einklagen tun wir derzeit gar nichts. Ich hoffe darauf, dass eine gesetzliche Regelung kommt, die für alle gilt.
Manche Unternehmer empfinden die politischen Lockdown-Maßnahmen mittlerweile als übertrieben. Wie beurteilen Sie das?
Hartlauer:
Ich denke, dass die österreichische Politik uns bisher grundsätzlich gut durch die Corona-Krise gebracht hat. Natürlich kann man im Nachhinein immer leichter erkennen, was richtig und was falsch war. Da mache ich niemandem einen Vorwurf, wenn dann in Einzelbereichen nicht alles hundertprozentig passt.
Zum Beispiel?
Hartlauer:
So etwa darf ich noch keine Passbilder machen, nur weil man da klarerweise die Maske ein paar Sekunden runternehmen muss. Da gibt es keine Ansteckungsgefahr. Aber ich musste damit aufhören, als sich die Innung der Fotografen aufregte und bei den Behörden über uns beschwerte. Oder stellen Sie sich vor, wie wir derzeit Hörgeräte verkaufen. Wer eines braucht, hört schon schlecht, und dann muss er mit dem Verkäufer ein Gespräch durch zwei Masken führen, wo man sich gegenseitig schon normal schwer versteht.
Es wird wohl eine Zeit dauern, bis wir uns an die "neue Normalität" des Einkaufens gewöhnen.
Hartlauer:
Jetzt sind unsere Geschäfte mit den neuen verbesserten Schutzmaßnahmen wie Visieren und FFP2-Masken bestens ausgestattet. Wir haben zwei getrennte Besetzungen pro Geschäft, die sich abwechseln. Alles wird ständig desinfiziert, Oberflächen, Produkte, die Kunden in die Hand nehmen. Wir messen bei unserer Mannschaft Fieber, Händewaschen ist ohnehin selbstverständlich. Wir rechnen mit maximal einem Kunden pro 20 Quadratmeter Geschäftsfläche.
Können Sie schon Lehren für die Zukunft ziehen?
Hartlauer:
Wir werden wohl mehr Schutzausrüstung in den Geschäften lagernd haben. Denn wir hätten eigentlich aufsperren können, da wir Medizinprodukte verkaufen. Aber wir hatten schlicht keine Masken, Handschuhe oder Desinfektionsmittel. Und die ersten Masken, die ich in China auftreiben konnte, habe ich nach dringender Anfrage dem Roten Kreuz überlassen.
Und persönlich: Nehmen Sie da etwas mit?
Hartlauer:
Auch das haben wir gelernt: Wir werden den sozialen Kontakt wieder mehr schätzen, wir verstehen, dass wir andere Menschen auch spüren müssen. Jeder, der in den vergangenen Wochen wie ich Dutzende Konferenzen nur via Webcam gemacht hat, weiß nun, wie anstrengend das auf die Dauer wäre.
Zum Unternehmen
Das Handelsunternehmen mit dem Löwen im Firmenlogo und Hauptsitz in Steyr (OÖ) hat sich mit einer Gemischtwarenstrategie (u. a. Hörgeräte, Foto, Brillen, Handys und - eher unbekannt - Immobilien) als einer der wenigen größeren österreichischen Filialisten neben anderen Internet-Elektronikriesen behauptet (Cosmos, Niedermeyer, Ditech, Köck u. a. mussten aufgeben).
Hartlauer beschäftigt in 160 Filialen österreichweit 1.716 Mitarbeiter, darunter 570 gelernte Optiker, 270 geprüfte Hörgeräteakustiker. Der Umsatz wuchs im Vorjahr um sieben Prozent auf 281,2 Millionen Euro, rund die Hälfte davon aus dem Medizintechnik-und Gesundheitsbereich.
Das Familienunternehmen wurde 1971 von Franz Josef Hartlauer, dem Vater des jetzigen Firmeninhabers, Robert Hartlauer (45), gegründet.