Das Roaming-Aus: Die acht wichtigsten Fragen
Ab 15. Juni fallen die Roaminggebühren in der EU. Die Telefonate ins Ausland bleiben gleich teuer. Kritiker der EU-Regulierung glauben, dass der Entfall der Roaminggebühren zu neuen Tarifsystemen führen könnte und Preiserhöhungen die Folge sind. Die EU warnt die Mobilfunkanbieter vor Preiserhöhungen. Die acht Eckdaten zum Wegfall des Roamings.
Mailand, Madrid oder Paris - Hauptsache EU. Ab 15. Juni ist alles EU fürs Surfen und Telefonieren gilt nur noch der Inlandstarif.
Wien. Mit 15. Juni sind die teuren Telefonate vom EU-Ausland in die Heimat und das kostspielige Surfen/SMS-Verschicken im europäischen Ausland Geschichte. Dann gibt es auch einen EU-Binnenmarkt in der Telekombranche, die sich bisher an den Staatsgrenzen abschotten konnte.
Bei Anrufen aus den EU-Ländern sowie Liechtenstein, Norwegen und Island nach Österreich gelten künftig die gleichen Preise wie für ein Inlandstelefonat. Die Verträge gelten automatisch für alle Vertrags- wie auch Wertkartenhandys. Es ist auch egal, ob man ein Telefonie/SMS/Datenpaket hat oder für jeden einzelnen Anruf/SMS/Datenverbrauch zahlt. Und auch für die Internetnutzung gilt dann der Inlandstarif - mit einer Ausnahme: Wer viel im Ausland lebt, bekommt den Inlandstarif nur bei geringer Nutzung. Damit soll verhindert werden, dass Grenzgänger im billigen EU-Ausland sich einen günstigeren Tarif besorgen als an ihrem Wohnsitzort, mit dem sie billiger surfen können.
Allerdings: Wer viel im Ausland lebt, bekommt den Inlandstarif nur bei geringer Nutzung. Wer als Intensivnutzer etwa Videos und TV im Ausland konsumiert, muss sich jedoch darauf einstellen, dass sein Tempo gedrosselt wird und bei Überschreiten eines Datenvolumens zusätzlich Gebühren fällig werden. Zusatzkosten dürfen die Anbieter lediglich bei Missbrauch erheben.
Die acht Eckpunkte, die nach dem Wegfall der Roaminggebühren zu beachten sind:
1. Zu welchem Preis kann ich in Zukunft im EU-Ausland telefonieren?
Die Kosten für Telefonate, Kurznachrichten oder die Nutzung des mobilen Internets sind für den Verbraucher genauso hoch wie zu Hause. Wer eine deutsche SIM-Karte besitzt, kann diese ab 15. Juni im Urlaub in Frankreich oder bei der Geschäftsreise nach Belgien zu denselben Konditionen wie in Deutschland nutzen.
2. Gibt es dafür eine zeitliche Beschränkung?
Nein. Die EU-Kommission hatte zwar zunächst vorgeschlagen, die Gebührenfreiheit im Ausland auf 90 Tage pro Jahr zu beschränken, scheiterte aber am Widerstand des Europäischen Parlaments. Grund dafür war die Befürchtung, dass andernfalls Missbrauch entstehen könnte.
3. Was ist mit Missbrauch gemeint?
Beispielsweise, dass ein Verbraucher einen Mobilfunkvertrag in den tendenziell günstigeren osteuropäischen Ländern abschließt, die SIM-Karte dann aber dauerhaft in Deutschland benutzt, um Geld zu sparen. Dafür sind nun Schutzbestimmungen getroffen worden, die dem vorbeugen sollen.
4. Wie sehen diese Bestimmungen aus?
Wenn eine SIM-Karte häufiger im Ausland als im Inland genutzt wird, liegt der Verdacht des Missbrauchs nahe. Das gilt auch, wenn eine SIM-Karte lange inaktiv bleibt und fast ausschließlich beim Roaming genutzt wird oder wenn ein Kunde mehrere SIM-Karten besitzt und diese nacheinander im EU-Ausland benutzt.
5. Welche Folgen hat ein festgestellter Missbrauch für den Verbraucher?
Die Telekommunikationsanbieter müssen den Missbrauch zunächst über einen Zeitraum von vier Monaten nachweisen. Verbringt ein Verbraucher mehr als zwei Monate davon im Ausland und nutzt dort seine SIM-Karte häufiger als zu Hause, kann der Anbieter eine Warnung an seinen Kunden schicken. Erst, wenn dieser binnen zwei Wochen nicht reagiert, dürfen Zusatzkosten erhoben werden.
6. Wie hoch sind die möglichen Zusatzkosten?
Dafür gibt es genaue Obergrenzen. Diese betragen drei Cent pro Minute bei Anrufen, ein Cent pro SMS. Die Kosten für mobiles Internet werden stufenweise herabgesetzt: Zunächst können Anbieter bei Missbrauch 7,70 Euro pro Gigabyte berechnen, 2018 sechs Euro, 2019 nur noch 4,50 Euro - bis ab 2022 dann nur noch 2,50 Euro pro Gigabyte fällig werden.
7. Warum gibt es diese Einschränkung?
Damit will die EU vermeiden, dass die Kosten für den Verbraucher steigen, in dem Anbieter ihre Tarife erhöhen. Denn diese zahlen für die Nutzung der Infrastruktur ausländischer Netzanbieter nach wie vor Entgelte. Für diese Gebühren, die sich die Telekommunikationsunternehmen gegenseitig in Rechnung stellen, gelten dieselben Obergrenzen.
8. Besteht dadurch nicht die Gefahr, dass Anbieter einfach vorher ihre Tarife verteuern?
Das ist nicht auszuschließen. In Deutschland ist das teilweise bereits geschehen. Andere Anbieter bieten neue sogenannte "AfD"-Tarife (Kurz für: Ausschließlich für Deutschland) an. Solche SIM-Karten funktionieren im EU-Ausland gar nicht. Die EU-Kommission hat aber auch befristete Ausnahmeregelungen zugelassen, in denen Anbieter trotzdem Gebühren erheben dürfen. Diese sind allerdings nur erlaubt, wenn dem Betreiber andernfalls zu hohe Verluste entstehen würden.

Die neue Regelung betrifft nur die Anrufe vom EU-Ausland nach Österreich und das dortige Internetsurfen - also das, was unter dem Stichwort Roaming bisher verstanden wurde. Wer von Österreich ins Ausland telefoniert, zahlt weiterhin die erhöhten Tarife, weil sie nicht - wie bisher - als Roaming gelten.
Ebenso ausgenommen sind Anrufe aus den Ländern außerhalb der EU in das Wohnsitzland des Kunden. Wer also seinen Urlaub beispielsweise in der Schweiz, der Türkei oder Serbien macht, zahlt genauso viel wie bisher. Die Roaming-Verordnung gilt auch nicht auf Schiffen und in Flugzeugen.
Die Roaminggebühren wurden seit dem Jahr 2007 auf Vorgaben der EU sukzessive reduziert. Die Tarife auf Anrufe und SMS aus dem Ausland wurden für Kunden österreichischer Mobilfunkkunden in den vergangenen zehn Jahren um 92 Prozent gesenkt.
Im Oktober 2015 wurde das Aus für Roaming beschlossen. Zuvor hatte sich die Telekombranche mit geballter Kraft gegen den Binnenmarkt gestemmt. Einfacher Grund: Auslandstelefonate hatten den Mobilfunkern fette Erträge in die Kassen gespült.
Warnung vor Preiserhöhungen
"Einige Anbieter haben Tariferhöhungen angekündigt, die wahrscheinlich nicht mit den Regeln vereinbar sind", schrieb der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizekommissionspräsident Andrus Ansip am Donnerstag in seinem Blog. Diese müssten vor dem 15. Juni angepasst werden, andernfalls drohten Strafen.
Einige Anbieter gebrauchten die Einführung von "Roam like at home", also die Nutzung des Mobiltelefons im Ausland zu den Konditionen im Heimatland, um auch die nationalen Tarife anzuheben. "Ich finde das sehr enttäuschend", erklärte Ansip. Mit den neuen Regeln nicht zu vereinbarende Angebote müssten angepasst werden, andernfalls würden die zuständigen nationalen Behörden Strafen verhängen.
Kein Unternehmen habe einen Grund, das Ende der Roaminggebühren als Ausrede zu nutzen, um die Tarife anzuheben, hieß es in dem Blog-Eintrag weiter. Um dem vorzubeugen, hatte die EU Schutzmechanismen eingerichtet. Zum einen dürfen Anbieter bei Missbrauch die Kosten, die sie selbst für die Nutzung der Infrastruktur eines Netzbetreibers entrichten müssen, in solchen Fällen weitergeben. Zum anderen sind befristete Ausnahmeregelungen möglich, in denen die Anbieter Gebühren erheben dürfen - etwa, wenn ihnen andernfalls zu hohe Verluste drohen.
Massive Kritik an der EU
Kritik an der EU und den dort arbeitenden Bürokraten hat immer Konjunktur - ob sachlich gerechtfertigt oder auch nicht. Das Beratungsunternehmen Strand Consult hat nun ein "Warn-Pamphlet" verfasst. Und das Thema "Roam like at Home" marktschreierisch mit der derzeitigen Krise der EU und Europäischen Integration in Verbindung gebracht. Die von den Steuerzahlern bezahlten EU-Bürokraten haben in dem Pamphlet zudem noch das Fett abbekommen.
Dass die Roaming-Verhandlungen alles andere als ein Schnellschuss waren und gut zehn Jahre lange Verhandlungen vorausgegangen waren, wird von den Beratern nicht erwähnt. Die geschimpfte EU hatte in den Verhandlungen mit Heerscharen von Lobbyisten und Beratungsunternehmen à la Strand Consult zu kämpfen, um den für die Nutzer günstigen Tarife herauszuschlagen - und den Binnenmarkt zu formen.
Kaum verwunderlich, dass Strand Consult in ihrer Analyse "Bad News" resümiert, was das Ergebnis anbetrifft. So warnt das Beratungsunternehmen davor, dass die Netzbetreiber gezwungen werden können, zwei Preisschemen anzubieten - eines für Nutzer nur für die Nutzung in ihrem Wohnsitzland, eines für Nutzer, die auch im EU-Ausland telefonieren wollen wie zuhause.
Der Kunde müsse sich nun vorab entschieden, ob er nur das Service im Inland nutzt oder auch im Ausland nutzen will. Die Wahl würde also fallen zwischen einem Inlandsprodukt und einem Produkt mit Auslandstarifen. Die Kunden würden das billigere Service bevorzugen, meint Strand Consult. Das klassische Roaming-Produkt "pay as you go"-Produkt, das angeblich von den Kunden bisher angenommen wurde, aber nun durch die Regulierung ab 15. Juni fällt, würde es künftig nicht mehr geben. Dass dieses Produkt teuer war, haben die Berater allerdings nicht in ihrem Pamphlet geschrieben.
Auf den Fall der Roaming-Gebühren hätten sich die Netzbetreiber bereits mit Preiserhöhungen der Tarife für Telefonie und Surfen vorbereitet. In weiterer Konsequenz würde der Fall der Roaming-Gebühren die Bezieher geringer Einkommen unverhältnismäßig treffen. Rund 100 Millionen der 500 Millionen EU-Bürger würden somit benachteiligt werden, die selbst wenig oder kaum reisen.
Die tickende Zeitbombe
Außerdem kritisiert Strand Consult die vorgeschobene Kostenneutralität infolge der Abschaffung der erhöhten Roaming-Tarife. Vor allem für die Mobilfunkanbieter ohne eigenes Mobilfunknetz (sogenannte MVNO-Mobile Virtual Network Operator), die zuletzt etwa in Österreich viel Schwung in den Markt gebracht haben, würde die neue Regulierung zur Existenzfrage. Von einer "tickenden Bombe" spricht, Strand Consult. MVNO droht die Kostenfalle. Die kostengünstigen Tarifen könnten künftig nicht mehr kostendeckend anbieten. Die EU hat die Netzpreise, die sich die Netzbetreiber untereinander verrechnen (Großhandels- oder Wholesale-Preise, eher hoch angesetzt. Gleichzeitig sinken die Endkundenpreise per EU-Regulierung und dies zudem bei gleichzeitiger Steigerung der Datenvolumen. Der Vorwurf: Das neue Preisregime würde MVNO die Marge kosten oder extrem vermindern.
Die zusätzlichen Belastungen der Betreiber würde außerdem dazu führen, dass die Netzbetreiber Investitionen in die nächste Mobilfunkgeneration 5G verschieben könnten.