Ritter Sport: Erfolg im Quadrat
Erfolg in der Krise: Die Österreicher haben in der Corona-Pandemie genascht wie nie und ihre Schoko-Laden kräftig aufgefüllt. Ritter Sport hat nach dem Sieg im Rechtsstreit gegen Milka Appetit auf mehr und startet mit einer neuen Fabrik im Burgenland durch.
Wolfgang Stöhr, Geschäftsführer Ritter Sport Österreich
„Quadratisch, praktisch, gut.“ Diesen seit Jahrzehnten bekannten Claim des Schokoladenherstellers Ritter Sport wird und soll man in den nächsten Wochen und Monaten wieder öfter hören. Wolfgang Stöhr, seit 2012 Österreich-Chef des 1912 gegründeten deutschen Familienunternehmens, hat ihn nach dem gewonnenen Rechtsstreit mit Mondelez International (Milka), wieder hervorgeholt und wird Mitte Oktober damit eine breite, österreichweite Werbekampagne starten.
„Das ist für Österreich eine Novität. Es wird die erste eigenständige Markenkampagne in unserer Geschichte sein“ sagt Stöhr, der über den Ende Juli vom deutschen Bundesgerichtshof in letzter Instanz getroffenen Rechtsspruch immer noch sichtlich erleichtert ist. „An diesem Tag haben wir eine Flasche Sekt aufgemacht“, erzählt Stöhr. Berechtigt, denn der Entscheidung war ein über zehn Jahre dauernder Rechtsstreit vorangegangen.
Die Richter haben damit entschieden, dass die charakteristische quadratische Verpackung, die dank einer Naht an der Rückseite einfach aufgeknickt werden kann, als dreidimensionale Marke oder Formmarke zur Ritter Sport Schokolade gehört. „Die Legende sagt, dass Clara Ritter, die Frau des Firmengründers Eugen Ritter, die Idee dazu hatte, weil quadratische Schokoladetafeln besser in die Sakko-Taschen von Fußballspielern gepasst haben und die Schokolade nicht abgebrochen ist, was bei normalen Langtafeln oft passiert ist. So sind das Quadrat und die Bezeichnung „Sport“ gleichzeitig entstanden“, erklärt Stöhr.
Die Schokoladenfabrik
Es gab im laufenden Jahr für den sportlichen Firmenchef noch einen weiteren Anlass, eine Flasche Sekt zu öffnen. Das war Ende Mai, als der Corona-bedingte Lockdown zu Ende ging. Die Alfred Ritter GmbH besiegelte mit 26. Mai die Übernahme der Fabrik von Mars Austria im burgenländischen Breitenbrunn. Ein Meilenstein in der über 100 Jahre langen Unternehmensgeschichte, ist doch die Schokoladenfabrik im Burgenland das erste Werk des Unternehmens außerhalb Deutschlands.
Noch hat der Österreich-Chef Zeit, alles in entsprechende Bahnen zu leiten, denn schlagend wird die Übernahme erst mit Jänner 2021. Rund 70 bis 80 Ritter-Mitarbeiter sollen, so Stöhrs aktuelles Ziel, in der Fabrik Arbeit finden. Viele davon werden aus der ehemaligen, 110 Köpfe starken Mars-Belegschaft kommen.
Und Stöhr schmiedet mit der neuen Fabrik und den zusätzlichen Mitarbeitern Pläne für die Zukunft. „Wir haben die Fabrikshalle und die Produktionsanlage und die Marken Amicelli, Fanfare und Banjo erworben“, sagt er. Und nein, die Amicelli- und Fanfare-Röllchen sollen dann nicht in quadratischer Form produziert werden. Aber Stöhr lässt durchklingen, dass Ritter seine Produktwelt mit der neuen Fabrik in andere Richtungen ausdehnen wird.
Süßes und saures
„Die Fabrik ermöglicht es uns weiter zu wachsen“, sagt Stöhr. In einem Markt, in dem ein harter Verdrängungswettbewerb herrscht, ein wesentliches Kriterium. Zwei Zahlen dazu: Alleine der Tafelschokolade-Markt ist in Österreich rund 180 Millionen Euro schwer. Der Durchschnittsverbrauch an Süßwaren liegt in Österreich bei rund 8,5 Kilo pro Kopf und Jahr und lässt sich kaum mehr nach oben steigern.
Kein Wunder, dass sich die Wettbewerber im Süßwaren-Business gegenseitig oft saures geben und dabei gar nicht zimperlich sind. Siehe eben den Rechtsstreit zwischen Ritter Sport und Mondelez oder ähnliche vor Gericht ausgetragene Prozesse um Schoko-Osterhasen (Lindt & Sprüngli gegen Riegelein) oder Gummibären (Haribo gegen Lidt bzw. Ositos & Co).

Eine Kakaofrucht - der Rohstoff für ein hunderte Millionen Euro schweres Geschäft.
Für Stöhr und sein bisher nur zehn Mitarbeiter starkes Team bedeutete das bisher, permanent zu rennen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Da lohnt es sich, dass Stöhr etliche Jahrzehnte Erfahrung im FMCG-Business, dem Geschäft mit den schnelldrehenden Konsumgütern hat. Vor seiner Zeit als Ritter Sport Chef war er unter anderem für Marken wie Maresi oder Kellogg‘s zuständig. Er weiß daher, dass laufend Verhandlungen mit dem Handel nötig sind, um die Waren auch in die Regale zu bringen und dort besser zu positionieren, in Aktionen und Flugblätter hineinzubringen. „Der Kampf ums Regal spielt sich aber natürlich nicht nur innerhalb der Produktgruppen, sondern auch zwischen den Produktgruppen ab“, sagt er.
Neue Vielfalt
Mit dem bisherigen Team waren dem Österreich-Chef im Vertrieb oft etwas die Hände gebunden. „Mir ist grundsätzlich jeder Kontaktpunkt recht. Wir sind eine sehr kleine Organisation mit nur zehn Mitarbeitern in Österreich, fünf davon sind im Außendienst. Die Sonderkunden außerhalb des Lebensmittel-Einzelhandels zu betreuen ist relativ viel Aufwand. Man muss auch ihnen die Marke erklären und die Produkte vorstellen – für einen relativ bescheidenen erwartbaren Umsatz.“
Wenn die Produktion in der Fabrik anläuft und damit auch das Produktsortiment des Unternehmens wächst, wird Stöhr zusätzliche Kräfte im Vertrieb und im Backoffice benötigen. Zunächst sollen in Breitenbrunn zunächst bereits eingeführte Produkte und vegane Schokoladen, bei denen die Nachfrage zuletzt um über 20 Prozent gestiegen ist, hergestellt werden, ehe man an die Entwicklung neuer Produkte geht. Stöhr denkt dabei in die Richtung des stark wachsenden Snack- und Riegel-Markts, für den etwa die von Mars übernommene Marke Banjo wiederbelebt werden könnte.
„Um weiter wachsen zu können kann man in einer Produktgruppe Line-Extensions machen und verschiedene Sorten herstellen. Irgendwann ist das Thema aber ausgereizt. Dann bleiben noch die Möglichkeiten, in den Export oder in andere Produkte zu gehen“, sagt Stöhr.
Das Corona-Jahr 2020 stellt eine Ausnahme in dieser einfachen Management-Regel dar. In der Zeit der Ausgangsbeschränkungen ist es der Süßwaren-Branche den Markterhebungen des Nielsen-Instituts zufolge gelungen, um über acht Prozent zu wachsen. „Wir liegen mit unserem Umsatzplus genau im Branchenschnitt. Offenbar haben die Österreicher gerne ihre Schoko-Laden zuhause aufgefüllt“, freut sich Stöhr über das bisher so starke Geschäftsjahr.
Nachhaltig naschen
Doch nicht nur in die Produktvielfalt, auch in deren Image soll künftig mehr investiert werden. Das auch für die Konsumenten immer wichtigere Thema Nachhaltigkeit steht dabei weit oben. Auf den Ritter-Sport-Tafeln gibt es kein Fairtrade- oder EZA-Logo, dennoch kann man Ritter Sport Schokolade – in verträglichen Mengen – ohne schlechtes Gewissen genießen. „Wir waren der erste große Schokoladenhersteller, der zu 100 Prozent nachhaltig zertifizierten Kakao verwendet hat und haben auch in Nicaragua 2.500 Hektar Grund gekauft, wo im umweltverträglichen Agroforst-System und in Mischkultur Kakao angebaut wird“, erzählt Stöhr.

Nachhaltig und fair: In Nicaragua baut Ritter Sport auf einer 2.500 Hektar großen Plantage Kakao an.
Dass die bekannten grünen Labels auf den Verpackungen fehlen sei eben auch Markenphilosophie: Will man mit seiner eigenen Marke Träger für ein anderes Label sein? „Die Marke muss stark genug sein, dass unsere Kunden über unsere Nachhaltigkeits-Initiativen Bescheid wissen, ohne dass wir Werbeträger für ein externes Siegel sind“, sagt Stöhr. Er räumt allerdings ein, dass Ritter Sport dafür in der Vergangenheit vielleicht ein bisschen zu brav war. Ihm schwebt völlige Transparenz vor. Die Kunden sollen wissen, wo der Kakao in ihrer Schokolade herkommt und die gesamte Logistikkette nachvollziehen können. QR-Codes auf den Verpackungen wären eine Möglichkeit dafür. „Leider haben wir in Österreich aber keinen Einfluss auf die Verpackung“, bedauert Stöhr.
Dennoch sieht er sich mit der neuen Fabrik für 2021 und darüber hinaus gut aufgestellt: „Unsere Marke Ritter Sport hat de facto 100 Prozent Bekanntheit, den Claim „quadratisch, praktisch, gut“ kennt jeder und die Marke ist zudem ausschließlich positiv besetzt.“ Die Voraussetzungen, dass bald weitere Flaschen Sekt geköpft werden, könnten kaum besser sein.