R.U.S.Z. - Kaputt ist keine Kategorie

REPARIEREN STATT WEGWERFEN: Aus der Vision eines kleinen Wiener Reparaturbetriebs ist mittlerweile eine EU-Norm geworden. Sie könnte auch im Arbeitsumfeld helfen, Tonnen an Kohlendioxid zu sparen.

R.U.S.Z. - Kaputt ist keine Kategorie

SEPP EISENRIEGLER kämpft gegen Wegwerfmentalität und Rohstoffvergeudung. Und das auf EU-Niveau.

Wenn schon nicht das Rad, zumindest das Reparieren hat er neu erfunden. Seit 23 Jahren kämpft Sepp Eisenriegler gegen die Wegwerfmentalität der Konsumgesellschaft. Etwa mit seinem kleinen Reparaturladen R. U. S. Z. (Reparatur-und Service-Zentrum) in Wien, in dem er und seine 26 Mitarbeiter elektrischen Haushalts-und Bürogeräten nach einer Rundumerneuerung zu einem Second Life verhelfen.

An die 9.000 Waschmaschinen, Kaffeeautomaten oder Computer sind es derzeit pro Jahr, die er der Deponie oder der Metallpresse entreißt, stets tapfer gegen die Lücke zwischen Restwert und Lohnkosten ankämpfend, die auch aufgrund der Billigstrategien der Hersteller immer kleiner wird.

Allein durch die Reparatur von Haushalts-, aber auch von am Arbeitsplatz eingesetzten Geräten spart R.U.S.Z. in Wien knapp 60 Tonnen CO2 pro Jahr ein, die sonst durch die Herstellung von Neuware entstanden wären, ist etwa Jurymitglied Philip Reuchlin, Chief Sustainability Officer bei Glacier, beeindruckt: "Der Sieger der Kategorie ,Arbeitsplatz und Ernährung' verbindet alle zentralen Themen der heutigen Zeit, vom maßvollen Umgang mit Ressourcen über Schadstoffreduzierung bis hin zu Biodiversität."

Know-how für die EU

Vor allem hat Eisenriegler sein Reparatur-Know-how nicht nur lokal verwertet, sondern gleich auf EU-Ebene eingebracht. Wenn die Europäische Kommission derzeit ihre Anstrengungen erhöht, um Kreislaufwirtschaft, Recycling und nachhaltige Produktion zu fördern, hat das viel mit ihm zu tun. Er ist mit dafür verantwortlich, dass die österreichische Norm zu reparaturfreundlichem Design von Elektrogeräten nach der Präsentation bei der Europäischen Umweltagentur in Kopenhagen tatsächlich als EU-Norm, nun ja, recycelt wurde. Mehr noch, das Engagement des Visionärs fiel auf, Eisenriegler wurde Leiter der Arbeitsgruppe Use & Standards, einer der Arbeitsgruppen, die die seit 2009 geltende Ökodesign-Richtlinie der EU wie vorgesehen jährlich mit Umsetzungsverordnungen zu neuen Problemfeldern erweitern.

Das Ergebnis: Die EN 45554 und einige produktspezifische Normen werden dafür sorgen, dass kurzlebige Geräte ab 2025 in der EU nicht mehr angeboten werden dürfen. Schon jetzt merkt man die Auswirkungen des Regelwerks, sagt Eisenriegler. Etwa, weil Hersteller gezwungen werden, bis zu zehn Jahre nach Ende der Produktion noch Ersatzteile vorrätig zu halten. Jurymitglied Christoph Thun-Hohenstein, Leiter der Vienna Biennale for Change: "Das Thema Kreislaufwirtschaft wird immer bedeutender, die Message von R.U.S.Z ist daher extrem wichtig."

Mehr als Recycling

Eisenriegler geht es aber um mehr als um bloßes Recycling: "Das ist nur eine Schleuse für ein gutes Gewissen der Konsumenten, bringt aber für die Rohstoffsicherung nichts. Unser Ansatz ist es, die gesamte Wertschöpfungskette nachzuverfolgen." Denn mehr als die Hälfte der Umweltbelastung entsteht bei Elektrogeräten während der Produktion, das heißt, das Nutzungsverhalten ist dann gar nicht so entscheidend: "Die Energieeffizienzlüge besteht dann darin, dass man bei einem ,AAA+++'-Gerät im Jahr nicht mehr als 1,80 Euro an Stromkosten spart."

Der Kreislaufwirtschaftsspezialist will die großen Haushaltsgerätehersteller zu mehr Nachhaltigkeit zwingen. In einem eigenen Verein entwickelt er neue Testmethoden, um sogenannte frühzeitig geplante Obsoleszenz zu erkennen. Damit ist die (immer wieder dementierte) Vermutung gemeint, Hersteller würden mit Absicht Schwachstellen in Elektrogeräte einbauen, um kürzere Wiederbeschaffungszyklen und damit auch höhere Umsätze zu generieren. Eisenriegler: "Das wird das perfekte Werkzeug für Konsumentenschützer und Behörden, um Wegwerfgeräte aus dem Markt zu drängen: Bis 2025 ist der ganze Schrott vom Markt verschwunden."

Und weil er ganzheitlich denkt, weiß er auch, was notwendig ist, sollten die von ihm ins Leben gerufenen Normen auch tatsächlich in großem Stil greifen: Dann braucht es ein ausgebautes Netzwerk an Reparaturstellen in ganz Europa. Deswegen ist er dabei, ein eigenes Franchisesystem auf die Beine zu stellen, um das Reparatur-Know-how von R.U.S.Z. über das Land verteilen zu können. Es soll in Österreich und international ausgerollt werden und 23 Franchisepartner bis 2025 in der D-A-CH-Region und in den EU-Hauptstädten umfassen.

Ganz schön hochfliegende Pläne für einen kleinen Reparaturladen. Doch Eisenriegler lässt sich nicht verdrießen: "Wir machen 1,5 Millionen Euro Umsatz, das ist nicht viel, und wir waren auch öfters schon knapp vor dem Konkurs. Aber seit wenigen Jahren geht sich ein kleiner Gewinn aus, das heißt, meine Idee ist auch ein Businessmodell und skalierbar, wie die Start-ups heutzutage so schön sagen."

Take Aways
  • R.U.S.Z. 1998 in Wien gegründet entwickelte das Unternehmen unter anderem 2005 die Ö3-Wundertüte gemeinsam mit Ö3 und der Caritas. Umsatz 2020: 1,5 Millionen Euro; 26 Mitarbeiter
  • Tätigkeitsfelder: Führung eines Netzwerks von Reparaturspezialisten, Arbeitstraining für Langzeitarbeitslose und Lehrlinge, Reparaturcafé "Schraube 14", Verkauf von Second-Life-Geräten, Gerätemiete, EU-Lobbying
  • Töchter: R.U.S.Z. Gmbh, R.U.S.Z.-Verein Prompt zur Entwicklung von Testmethoden, R.U.S.Z.-Franchising für die geplante Expansion
  • 60 t CO2 spart die Reparatur von jährlich 9.000 Haushalts-und Bürogeräten durch R.U.S.Z. ein. Gerade im Arbeitsumfeld lässt sich durch Re-Use-Produkte eine beträchtliche Klimawirkung erzielen.
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