Puls-4-Chef Markus Breitenecker: "Weißmann ist der große Gewinner"
ProSiebenSat.1-Puls-4-Chef Markus Breitenecker über die Vorteile des neuen ORF-Gesetzes für seinen Streamingdienst Joyn sowie notwendige Werbelimits für den öffentlichrechtlichen Sender.
Markus Breitenecker, P7S1P4-Chef
Bei dem schlagzeilenstarken Networking- und Infotainment-Gipfel Österreichs, am 4Gamechangers-Festival , will die Österreich-Tochter des deutschen Medienkonzerns ProSiebenSat.1-Puls4-Gruppe diesmal nicht nur mit großen Namen wie der Menschenrechtsanwältin Amal Clooney auffallen, sondern auch mit dem Launch eines eigenen Produkts: des Streamingdienstes Joyn.
In einem ersten Schritt werden über 50 Kanäle und 15 Mediatheken in Joyn vereint, um dem brutalen Vormarsch von Netflix, Prime, Disney+ und Co. eine Plattform mit überwiegend österreichischen Inhalten entgegenzusetzen.
Bisher unter "Zappn" bekannt, vereint die App auch 15 Mediatheken, darunter die ORF-TVthek, und bringt so private wie öffentlich-rechtliche Anbieter zusammen, ORF III ebenso wie ServusTV, Laola1 TV ebenso wie ORF Sport+ und natürlich die Programme aus dem eigenen Haus: Pro-Sieben, Sat.1, ATV, Puls 4 und Co.
In einem zweiten Schritt, so P7S1P4-Chef Markus Breitenecker, könnten auch ARD und ZDF dazukommen (siehe Interview, unten) . Stufe drei sieht für 2024 auch werbereduzierte Abomodelle vor.
Mit dem Streamingdienst Joyn will die P7S1P4-Gruppe nicht nur Netflix und Co. trotzen, sondern auch ein Leitmodell für die deutschsprachige TV-Welt etablieren. Bremsen könnte dabei ein Sparkurs im eigenen Haus.
trend:
Herr Breitenecker, ist Ihre Plattform Joyn wirklich die ultimative Waffe gegen Google, Facebook, Netflix & Co.?
Markus Breitenecker :
Es ist jedenfalls der Praxistest zur Theorie. Nur davon zu reden, dass wir Kooperation statt Konkurrenz brauchen, ist zu wenig. Wir denken, dass wir mit Joyn ein Angebot für all jene haben, die streamen, aber nicht für teure Abogebühren überwiegend amerikanische Inhalte haben wollen. Wir starten mit der ersten Phase am 4Gamechangers-Festival mit über 50 Livechannels und 15 Mediatheken sowie den "Joyn Originals". Im Herbst werden wir Phase zwei starten, die bis 2024 dauert. Da werden wir weitere Programme an Bord holen, wünschenswert sind etwa ARD und ZDF, nicht völlig ausgeschlossen ist auch, dass wir RTL einladen. 2024 wird es dann in Phase drei die Möglichkeit geben, die Programme gegen eine Abogebühr werbebefreit oder werbereduziert zu nutzen.
Auch der CEO der Konzernmutter ist derzeit in Gesprächen mit der öffentlichrechtlichen deutschen ARD zu so einem Player. Agiert Österreich als Testlabor?
Wenn das bei uns gut funktioniert, können wir ein Testlabor sein, ja. Wir durften ja auch die Marke Joyn von der Mutter übernehmen. Die Investitionen müssen wir aus dem eigenen Cashflow heraus finanzieren.

Die Vorgänger-App Zappn hat rund 700.000 User, Sie wollen mit Joyn 2024 auf eine Million kommen. Ist das nicht etwas wenig?
Was entscheidet, ist die Verweildauer. Wir wollen auf zwei Stunden pro User pro Tag kommen, das sind fast Fernsehnutzungszahlen. Daran sieht man, dass unser Hauptschauplatz nicht das Handy ist, sondern der Big Screen.
Der ORF hält nach unseren Informationen an der Idee fest, seinerseits einen Player zu etablieren. Damit gibt es in einem kleinen Markt wie Österreich erst recht zwei solcher Plattformen - schaut so Kooperation aus?
Jeder kann und soll seine Aktivitäten machen. Der Schulterschluss bei Joyn besteht darin, dass wir alle Inhalte auf einer Plattform anbieten können, auch jene von ServusTV und des ORF. Für den ORF wiederum ist wichtig, dass er Content-Owner bleibt und dass ihm auch die Reichweiten angerechnet werden - eine Win-win-Situation für alle.
Sie werden die Werbung auf Joyn vermarkten, nicht aber bei den ORF-Inhalten - welche Größenordnung kann das erreichen?
Mittelfristig kann das Umsätze wie jetzt im Fernsehen bedeuten durch unsere dynamische digitale Ad-Insertion-Technologie.

DUELL. Neben den Werbeerlösen erhält der ORF künftig auch Mittel aus der Haushaltsabgabe in Höhe von mehr als 700 Mio. Euro.
Sie waren bisher sehr leise in Bezug auf das neue ORF-Gesetz, das derzeit in Begutachtung ist und dem öffentlich-rechtlichen Sender per neuer Haushaltsabgabe über 700 Millionen Euro an öffentlichen Finanzmitteln ermöglicht. Ein Nichtangriffspakt?
Es gibt jetzt den Versuch, einen unbestrittenermaßen überprivilegierten ORF, ohne ihn zu vernichten, zu einem Motor des Medienstandorts machen. Da haben wir auch etwas davon: Wenn der ORF nach dem neuen Gesetz online mehr darf, können wir auf Joyn auch mehr seiner Inhalte länger embedden. Insofern haben wir eine Interessengleichheit.
Sie hatten gute Kontakte zum seinerzeitigen Kanzler Sebastian Kurz. Hat Ihr Einfluss bei diesem Umdenken geholfen?
Ich musste mit jedem Kanzler und mit jedem Medienminister ein Auskommen finden. Tatsache ist, dass jetzt medienpolitisch mehr weitergeht als in den letzten Jahren. Unserem konstruktiven Zugang zu diesem Thema ist noch nie so viel Gehör geschenkt worden wie jetzt - das gab es auch unter Kurz nicht. Dieser Umstand hängt stark mit dem neuen Generaldirektor zusammen, der sicher der große Gewinner dieses ORF-Gesetzes ist und in zwei Jahren mehr vorangebracht hat als sein Vorgänger in 20 Jahren.

PARTNER. ORF-General Roland Weißmann will seinen eigenen Player – in reduzierter Form gegenüber dem ursprünglichen Konzept.
Sie finden den Umstand, dass auf der blauen Seite zwar Textbeiträge reduziert werden sollen, aber die Videobeiträge mehr als verdoppelt werden, aus Sicht eines Bewegtbild-Mitbewerbers gelungen?
Wir wollen den ORF nicht inhaltlich beschränken, sondern die Wettbewerbssituation auflockern. Dazu muss man sich den Werbebereich anschauen. Der ORF ist ja durch die Haushaltsabgabe jetzt stark abgesichert. Das sollte man in der Begutachtungsfrist noch einbringen.
Die angedachten Werbebeschränkungen - die Rede ist von rund 25 Millionen Euro für Online und Radio - reichen Ihnen da nicht?
Nein, Fernsehen muss hier in jedem Fall mitbedacht werden. 25 bis 30 Millionen Euro sind aber sicher eine Größenordnung, an der man sich orientieren kann.
Der Aufschrei bei den Verlegern ist angesichts der geplanten neuen Möglichkeiten für den ORF laut. Wurde mit dem Gesetz der gesamte Medienstandort mitgedacht?
Kein Kommentar.
Print ist tot?
Joyn ist ja ein gattungsübergreifendes Produkt. Da können sich auch die elektronischen Arme der Verlage wiederfinden, wir haben ja auch krone.tv und Kurier TV mit dabei. Wir wollen möglichst viele Audio- und Bewegtbildinhalte österreichischer Medienunternehmen integrieren.
Ihr Mutterhaus hat schlechte Zahlen vorgelegt und fährt jetzt einen harten Sparkurs. Inwiefern wird das die Österreich-Tochter und den Joyn-Start beeinflussen?
Alle Unternehmen in unserer Branche werden sparen und den Gürtel enger schnallen müssen. Wer sich am Markt finanzieren muss, hat Gegenwind. Deshalb müssen wir antizyklisch investieren - siehe Joyn - und weniger ausgeben als bisher. Bei uns wird das alle Bereiche umfassen, der Fokus wird auf den Sachkosten liegen.
Sie haben in Ihrer Karriere acht P7S1-Chefs überlebt. Wie geht das?
Weil in Deutschland die Konkurrenzsituation zu RTL doch härter ist. Wir haben jedenfalls so viel Freiraum, dass wir unternehmerisch arbeiten können, bekommen gleichzeitig immer Unterstützung aus München, wenn wir sie brauchen.
Eine Tätigkeit bei der Konzernmutter hätte Sie nie interessiert?
Ich bin sehr froh in Österreich, es ist sehr schön, den österreichischen Medienmarkt zu entwickeln und immer wieder nach Deutschland reisen zu dürfen.
ZUR PERSON
Markus Breitenecker, Jahrgang 1968, ist seit 25 Jahren Chef der Aktivitäten von ProSieben und Sat.1 in Österreich. Gestartet als reiner Werbevermarkter, gehören zur Gruppe heute auch die Sender Puls 4, ATV und ATV 2 sowie Puls 24. Breitenecker hat das 4Gamechangers-Festival gegründet, das 2023 vom 15. bis 17. Mai in der Wiener Marx halle stattfand.
4Gamechangers 2023
Persönlichkeiten am Digitalfestival in der Marx Halle vom 15. bis 17.5.2023
- PIONIERE. Am Eröffnungstag (15.5.) ging es um große Digitalthemen wie ChatGPT, Web3 und Start-up-Finanzierung.
- VISIONÄR. Leckerbissen für Metaverse-Fans: Yat Siu, Gründer von Animoca Brands mit Wiener Wurzeln, trat am 15.5. abends auf.
- CHARAKTERFRAUEN. Amal Clooney und die drei Friedensnobelpreisträgerinnen Jody Williams, Shirin Ebadi und Nadia Murad am 17.5.
- ACTS. Aftershow is King: Wanda am 15.5., Mathea am 16.5. und die Sportfreunde Stiller am 17.5.
Das Interview ist der trend.PREMIUM Ausgabe vom 12. Mai 2023 entnommen.

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