Privatkonkurs: Falle Kontoüberziehung und Konsumkredite

Schulden zu machen wird immer leichter. Konsumkredite und von Banken eingeräumte großzügige Konto-Überziehungsrahmen sind dafür mit verantwortlich. 60.000 Menschen haben in Österreich im Vorjahr Unterstützung von einer staatlich anerkannten Schuldenberatung erhalten. Für die ASB Schuldnerberatungen ist die Reform der Privatkonkurse ein Erfolg.

Privatkonkurs: Falle Kontoüberziehung und Konsumkredite

Im Vorbeigehen per Karte zahlen, Waschmaschine und Urlaub auf Raten begleichen oder unkompliziert das Konto überziehen: "Das Schuldenmachen wird immer leichter", warnt Clemens Mitterlehner, Chef der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen. Der neue Privatkonkurs sorgt dafür, dass mehr Menschen wieder aus der Schuldenfalle herauskommen. Eine Gratisentschuldung gibt es durch die Reform aber nicht.

Seit dem 1. November 2017 gelten neue Regeln für den Privatkonkurs, wodurch die Mindestquote entfällt. Aus Sicht der Schuldenberatung ermöglicht das auch Menschen mit sehr geringem Einkommen oder sehr hohen Schulden, sich mit einem Privatkonkurs zu entschulden. Nun müssen "nur" mehr fünf statt sieben Jahre lang alle Einkommen über dem Existenzminimum abgeliefert werden (Abschöpfung).

"Sämtliches Vermögen muss verwertet werden", betont Mitterlehner bei der Präsentation des aktuellen Schuldenreports. "Die Menschen leben jahrelang, gerichtlich verordnet, in Armut." Weil viele im Vorjahr zugewartet haben, werde die Zahl der Konkurseröffnungen 2018 auf 10.000 steigen. Zudem könnten durch die Reform viele Menschen nun eine Entschuldung angehen, "die bisher vom Privatkonkurs ausgeschlossen waren". Alleine im ersten Quartal 2018 gab es um 63 Prozent mehr Fälle als im Vorjahreszeitraum. Im kommenden Jahr werden sich die Privatkonkurse aber auf das Niveau der Vorjahre einpendeln, ist Mitterlehner sicher.

Hauptgründe für Überschuldung sind laut dem Experten Arbeitslosigkeit bzw. Einkommensverschlechterung, gescheiterte Selbstständigkeit sowie der fehlende Umgang mit Geld. "Einstiegsdroge" seien der Kontoüberzug und Konsumkredite. Auch die viel umworbenen Sofortkredite würden dazu einladen, unüberlegt zu handeln und "überrumpelt" zu werden. Mitterlehner hofft, dass Kreditgeber künftig strengere Bonitätsprüfungen durchführen, damit weniger Menschen in die Schuldenfalle tappen.

Wohnkosten als Budget-Killer

Die Durchschnittsverschuldung der Klienten lag bei 64.000 Euro, ehemals Selbstständige hatten durchschnittlich sogar 118.000 Euro Schulden. Einen großen Brocken der Schulden machen laut den Beratern Mahnspesen, Inkassokosten, Zinsen und Zinseszinsen aus, der offene Betrag liege meist nur bei der Hälfte. "In fünf Jahren verdoppeln sich die Schulden", nennt Mitterlehner eine Faustregel. 38 Prozent der Klienten waren arbeitslos und Arbeitslosigkeit bzw. Einkommensverminderung war der mit Abstand häufigste Überschuldungsgrund (bei 32 Prozent der Klienten). 42 Prozent der Klienten hatten nur einen Pflichtschulabschluss, bei jungen Klienten bis 30 Jahre sogar die Hälfte.

Ein Viertel der Menschen, die 2017 bei der Schuldenberatung waren, hatte weniger Einkommen als das Existenzminimum zur Verfügung, bei jungen Klienten bis 30 Jahre war es sogar ein Drittel. Für eine alleinstehende Person lag das Existenzminimum im Vorjahr bei 889 Euro. Bis zu diesem Betrag wird bei einer Lohnexekution gepfändet und alles bis dahin wird beim Privatkonkurs zur Rückzahlung der Schulden verwendet.

Auffallend ist, dass sich immer öfter Menschen melden, die eigentlich arbeiten, sagt Mitterlehner. "Beide Elternteile haben einen Job, trotzdem geht es sich nicht aus", erzählt er. Vor allem die immer höher werdenden Wohnkosten würden das Budget der Klienten belasten.

2017 gingen 60.197 Personen zu einer der 10 staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich. Zum Vergleich: 2011 waren es noch rund 52.000. Ein Viertel derer, die um Rat gesucht haben, hatte weniger als das Existenzminimum zur Verfügung. Bei den Unter-30-Jährigen war es sogar ein Drittel. Das Existenzminimum lag 2017 mit 889 Euro für Alleinstehende deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.238 Euro. Die Schuldenberater fordern deshalb eine Anhebung auf zumindest dieses Niveau.

Generationsübergreifendes Problem

Haben Eltern finanzielle Probleme, wirkt sich das auch auf die Kinder aus: Sowie sich das Bildungsniveau der Eltern beim Nachwuchs fortsetzt, ist das auch bei der Armut und Überschuldung der Fall, machen die Berater aufmerksam.

41 Prozent der Klienten haben laut dem Schuldenreport einen Job, 38 Prozent sind arbeitslos. 42 Prozent der im Vorjahr Betroffenen hatten nur einen Pflichtschulabschluss, bei den Jungen bis 30 Jahren war es sogar die Hälfte. "Bildung beugt Armut vor", sagt Mitterlehner.

Auch die gesundheitlichen Folgen von Schulden werden oft nicht beachtet. Allein das Denken an finanzielle Probleme hat den selben Effekt, wie eine durchzechte Nacht, meint der Sozialexperte und Psychologe Martin Schenk. Aus seiner Arbeit mit Betroffenen berichtet er von Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafproblemen und Depressionen. "Je länger Menschen unter diesem Druck leben, desto langfristiger sind die Folgen", so Schenk.

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