Der unscheinbare Revolutionär Florian Fritsch
Er ist größter Aktionär bei der Mühlviertler Batteriefirma Kreisel Electric und hat mit seiner Investmentfirma eine indische Fluglinie gekauft. Nun will der Unternehmer Florian Fritsch von Wien aus die Baubranche auf den Kopf stellen. Mit an Bord sind prominente österreichische und internationale Investoren.
GUTE AUSSICHTEN. Die Firma Gropyus soll nach dem Willen ihres Gründers Florian Fritsch so etwas wie ein Tesla der Bauwirtschaft werden.
Bodenständiges Hemd, die Haare hinten hochgebunden, sprachlich fest in der Bodenseeregion verankert - Florian Fritsch sieht und hört man es nicht an, dass er professionell Millionenräder dreht. Dennoch ist der 43-Jährige, der in Süddeutschland aufgewachsen ist, im Schweizer Kanton Appenzell auf 1.111 Metern Seehöhe lebt und den Sitz seiner Firma in Liechtenstein hat, nun auch in Österreich angekommen. Diesmal will er von Wien aus eine ganze Branche auf den Kopf stellen: die Bauwirtschaft.
Mit der Technologiefirma Gropyus, deren Sitz 2020 von Dornbirn nach Wien verlegt wurde, plant Fritsch gemeinsam mit seinen Co-Gründern, die alte Rollenaufteilung zwischen Planern, ausführenden Firmen, Facility-Managern etc. aufbrechen: "Es geht um die Modernisierung und Digitalisierung einer ganzen Branche", sagt er vollmundig. Mit hoch automatisierter Produktion in Holzbauweise soll leistbarer Wohnraum im industriellen Maßstab geschaffen werden. Das Produkt wird dabei immer vom Kunden her gedacht: eine App vom Mietvertrag über die Smart-Home-Steuerung bis hin zur Versicherung. Motto: alles aus einer Hand.
Das ist längst kein Luftschloss mehr, sondern hat bereits ein sichtbares Fundament. In Koblenz, einer Stadt in Rheinland-Pfalz, entsteht soeben ein neunstöckiges Gropyus-Haus mit 5.000 Quadratmetern Wohnfläche. Mit einem bekannten Grundstücksentwickler, behauptet Fritsch, gebe es bereits eine Absichtserklärung für eine Million Quadratmeter in Deutschland und Österreich binnen fünf Jahren.
Robo-Living
Noch Wegweisenderes ist im hessischen Ort Richen zu sehen, wo mit einer wachsenden Zahl von Robotern bereits Wohneinheiten gefertigt werden. Die Produktion hat Gropyus dem heimischen Holzkonzern Mayr-Melnhof abgekauft. Bis zu 12.000 Wohnungsmodule pro Jahr sollen dort hergestellt und zu den Baustellen ausgeliefert werden können. 275 Mitarbeiter beschäftigt Gropyus schon heute, 75 werden derzeit gesucht. Bei der Österreich-Tochter Gropyus Engineering nahe Wels werden flexible Roboterzellen gefertigt.

NEUSTART. Gemeinsam mit Partnern hat Fritschs Investmentfirma Kalrock Capital auch die ehemals größte private indische Fluglinie, Jet Airways, übernommen.
Dass Fritsch im Stil von Elon Musk nun eine ganze, von mächtigen Konzernen bevölkerte Branche erschüttern kann, ist eine riskante Wette. Aber sie findet gewichtige Unterstützer.
Eine einzigartige Kombination aus erfahrenen Unternehmern und genialer Geschäftsidee.
Schon die Liste der Co-Gründer ist eindrucksvoll, allen voran der Österreicher Markus Fuhrmann, Erfinder des Lieferdienstes Delivery Hero. Fritsch und er halten je mehr als ein Viertel. Der Vorarlberger Bauunternehmer Hubert Rhomberg ist mit rund fünf Prozent an Bord. "Gropyus vereint Digitalisierung und Industrialisierung und ist vom Nachhaltigkeits-Gesichtspunkt her innovativ gedacht: Alle Teile werden rückbaubar sein", so Rhomberg. Was ihn besonders fasziniert: "Das ganze Gebäude wird als ein einziges Produkt - wie ein Tesla-Auto - gedacht."
Sogar Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer, der Vize-Aufsichtsratschef der Firma ist, hat sich mit einem Mini-Anteil beteiligt. Er hält Gropyus für "eine einzigartige Kombination aus hoch erfahrenen Unternehmern, Weltklasse- Team und genialer Geschäftsidee".
Ende August wird die Vienna Insurance Group (VIG) eine Beteiligung bekanntgeben, die schwedische Wallenberg-Gruppe ist mit ihrem Beteiligungsvehikel FAM AB ebenfalls aufgesprungen.
Deal-Making
Wird hier bloß die nächste Börsenstory hochgejazzt?"Wie alle meine Firmenbeteiligungen ist Gropyus so gebaut, dass sie jederzeit an die Börse gehen kann", sagt Fritsch ohne Umschweife. Entwickeln und Kassemachen sind ihm nicht fremd: Er hat mit seiner Investmentfirma Kalrock Capital beim Verkauf des Internet-of-Things-Start-ups Relayr an den Versicherungskonzern Munich Re, der vor drei Jahren dafür 300 Millionen Dollar zahlte, ein mittleres Vermögen verdient, ebenso über seine frühen Investments in Tesla und Delivery Hero. Doch es gehe ihm, der in Kürze erstmals Vater wird, um mehr: "Ich will was bewirken, bei großen Themen dabei sein, die Welt nachhaltiger machen."
So hat er sich mit 26,25 Prozent an der Mühlviertler Batteriefirma Kreisel Electric beteiligt, indem er die Anteile des früheren CEOs Christian Schlögl übernahm. Damit ist Fritsch bei der Technologie-Zukunftshoffnung größter Einzelaktionär: "Bei Kreisel Electric ist die Idee faszinierend, mit einem Batteriepack 700.000 statt nur 200.000 Kilometer fahren zu können. Und allein mit der Verpackung der sechs Millionen Essen, die Delivery Hero täglich zustellt, kann ich etwas verändern."

NACHHALTIGKEITSPIONIER. Der Bauunternehmer Hubert Rhomberg ist von der Idee fasziniert, "dass das ganze Gebäude als ein Produkt -wie ein Tesla Auto -gedacht wird".
Wie passt dann aber der jüngst erfolgte Einstieg von Kalrock Capital bei Jet Airways, der früher größten privaten indischen Fluglinie, dazu? Er dürfe dazu nichts sagen, sagt der Investor, nur so viel: "Warum nicht eine nachhaltige Airline bauen, in der Businesskunden für ein Ticket 6.000 statt 3.000 Euro zu bezahlen bereit sind?"
Fritsch hatte in seinem Jugendzimmer das Modell einer Saturn-5-Rakete stehen und wirkt ähnlich missionsgetrieben wie seine großen Vorbilder Elon Musk & Co. Sich selbst bezeichnet er als "bewussten Kapitalisten mit Verantwortung für die Gesellschaft". Als Jugendlicher hat er noch die sozialdemokratische "Vorwärts"- Zeitung ausgetragen, die Lehrer-Eltern waren tendenziell links.
Heute treiben ihn andere Dinge an, die er verändern will: "Ich verstehe nicht, dass Bier mittlerweile schneller geliefert wird, als ein Rettungswagen kommt." Und bei Rettungswagen kennt er sich aus, sie standen am Anfang seiner unternehmerischen Karriere.
Nach dem Schulabschluss machte er eine Ausbildung zum Sanitäter, kurz darauf gründete er ein privates Rettungsunternehmen. Dass er den meist älteren Patienten auf dem Weg zur Reha Heimatfilme vorführte, bevor er sie mit der Frage "Und wollen Sie mit uns auch wieder zurückfahren?" köderte, spricht für ein Talent zur Kundenbindung. Der Rest ist Geschichte. "Ich habe jahrelang sehr wenig kommuniziert", erklärt er seinen jüngsten PR-Sinneswandel: "Doch nun ist es an der Zeit, den großen Eigentümern von bebaubaren Grundstücken wie Kirche und Städten zu sagen: Gebt uns euer Land, gerne in Erbpacht, damit wir mit Gropyus leistbaren Wohnraum schaffen können."
Langer Atem
Hier wird also groß gedacht und posaunt. Fritsch, der lieber über Visionen als über Zahlen spricht, hat mit seines Co-Gründern jedoch noch einen harten Weg vor sich. Er sei vor zehn Jahren schon einmal grandios mit einer Firma, die Ladeinfrastruktur für E-Autos bereitstellte, gescheitert, erzählt der Unternehmer offen:"Natürlich gibt es dieses Risiko bei jedem Projekt. Aber noch größer erscheint mir das Risiko, es nicht zu tun. Außerdem bin ich hartnäckig und habe Gottvertrauen."
Auch Hubert Rhomberg meint, es werde "noch ein paar Jahre dauern, die Bauindustrie ist derzeit noch mit anderen Themen beschäftigt". Den Fachkräftemangel in der Branche sieht er aber als starkes Argument für Robotisierung à la Gropyus.
Ein langer Atem ist folglich gefragt: Bereits im Rumpfgründungsjahr 2019 ist ein Anlaufverlust von einer Million Euro angefallen, wie aus dem Firmenbuch hervorgeht. Es ist noch nicht absehbar, wie viele Millionen es in den kommenden Jahren sein werden. Als Fritsch sich mit seiner Frau, einer Innovationsexpertin, vor der Gropyus-Gründung beriet, antwortete er auf ihre Frage, wie lange ihn das neue Firmen-Baby beschäftigen werde: "Das ist ein Zehn- Jahre-Ding."