ORF-General Wrabetz: "Man wird stark auf den ORF setzen müssen"

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im trend-Interview über Sport im Free-TV, Bündnisse gegen Google, Amazon & Co. - und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen TV unter Türkis-Blau.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz: "Nachhaltiges nationales Fernsehen nur mit dem ORF."

trend: Die einfachste Frage gleich am Anfang: Wer wird 2018 Fußball-Weltmeister?
Alexander Wrabetz: Argentinien. Italien kann es ja diesmal nicht werden.

trend: Gut aufgepasst. Sind die Prognosen für das ORF-Wirtschaftsjahr 2018 auch schon so genau?
Wrabetz: Wir rechnen vor allem im TV mit einem guten Jahr und einem leichten Anstieg der Werbeeinnahmen.

trend: Großereignisse wie die WM spielen da ja eine große Rolle, oder?
Wrabetz: Die WM ist neben den Olympischen Winterspielen das zentrale Sportevent des Jahres, und wir werden diese Ereignisse exklusiv im ORF übertragen.

trend: Während die Reichweiten der ORF-Senderflotte bemerkenswert stabil sind, erodieren die Marktanteile seit Jahren.
Wrabetz: Die "geraden Jahre" mit großen Sportereignissen wie 2018 bringen auf jeden Fall Stabilisierung. In der Gruppe liegen wir derzeit bei Monatswerten zwischen 30 und 34 Prozent Marktanteil, das wird im nächsten Jahr zu halten sein. Bei den Vielnutzern werden wir durch das immer weiter zunehmende Konkurrenzangebot logischerweise verlieren; bei den Selektivnutzern, zum Beispiel den "ZiB 2"-Zusehern, sind wir stabil.


Das Fernsehen wird eine erstaunliche Stabilität als Entspannungsmedium beibehalten.

trend: Weil Netflix &Co. bei Serien unglaublich stark sind, ist das Event für Sie noch wichtiger als bisher.
Wrabetz: TV-Events, von Sport über österreichische Fiction bis Show sowie Information, sind ganz sicher wichtig - allerdings bin ich auch der Meinung, dass das Fernsehen eine erstaunliche Stabilität als Entspannungsmedium beibehalten wird. Der Mensch ...

trend: Jetzt kommen Sie bitte nicht mit dem "Ein bisschen arm, ein bisschen fettleibig"-Zitat! (Noch-P7S1-CEO Thomas Ebeling über das TV-Publikum, Anm.)
Wrabetz: Im Gegenteil, der Respekt vor unserem Publikum ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum kommerziellen TV. Wir richten uns mit unseren Programmen an alle Zuseher, erreichen diese auch. Der Großteil der Menschen wird sich auch künftig im gut programmierten Fernsehen informieren, aber auch entspannen. Deshalb wird lineares Fernsehen robuster sein als vorausgesagt.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz: "Lineares Fernsehen wird robuster sein als vorausgesagt."

trend: Sport als Event verlieren Sie zusehends, ab Herbst etwa Champions League und Bundesliga.
Wrabetz: In Österreich wird jetzt nachvollzogen, was in Europa schon gang und gäbe ist. Mittelfristig ist das keine gute Entwicklung: Nächstes Jahr muss man sich, wenn man die Spiele dieser Ligen sehen will, ein Dazn- und ein Sky-Abo zulegen, was sich auf 500 Euro im Jahr zusammenläppern kann. Es wird schon deshalb ein politisches Thema werden müssen, weil vom Stadionbau bis zur Sicherheit und Verkehrsinfrastruktur viele direkte und indirekte Subventionen für diverse Sportarten fließen. Wenn diese dann nicht frei zugänglich sind, ist das ein Problem. Auch die Rechte für Großereignisse wandern ja mehr und mehr in die Hände der Herren Malone, Murdoch, Blavatnik und Wang.

trend: Was muss die Politik tun?
Wrabetz: Ob auf europäischer Ebene die Liste der Spiele, die fürs Free-TV erhalten bleiben müssen, erweitert werden soll, ist zu diskutieren, aber es muss angegangen werden. Wir erleben eine Entdemokratisierung des Fußballs: Durch das Pay-TV ist so viel Geld ins System gekommen, dass immer weniger, aber umso kaufkräftigere Klubs den Ton angeben. Am Ende machen es sich, vereinfacht gesagt, zehn Oligarchenvereine untereinander aus.

trend: Wo würden Sie in der notwendigen Allianzenbildung gegen Google, Facebook & Co., die Sie in Ihren 12 Thesen thematisieren, regulatorisch ansetzen?
Wrabetz: Zum Beispiel beim Wettbewerbsrecht, das in Europa traditionell sehr streng ist, um Monopole zu verhindern. Nun steht man den quasimonopolistischen Digitalriesen aus dem Silicon Valley gegenüber und darf nicht einmal auf europäischer Ebene so zusammenarbeiten, dass man eine ausreichende Größenordnung erreicht.


Derzeit wird in Europa gejubelt, wenn ein europäisches Start-up teuer ins Silicon Valley verkauft wird. Es sollte das Ziel sein, dieses Start-up in Europa zu halten.

trend: Soll man die Quasimonopole zerschlagen wie einst die US-Ölkonzerne?
Wrabetz: Ich glaube nicht, dass das sinnvoll möglich ist. Nein, man sollte sie zum Beispiel regulieren, wenn sie Start-ups aufkaufen wollen. Nur so kann man die fortgesetzte Monopolbildung verhindern. Jetzt kauft Facebook ja immer den künftigen Wettbewerber vom Markt weg und wird so noch größer, Stichwort Instagram. Derzeit wird in Europa gejubelt, wenn ein europäisches Start-up teuer ins Silicon Valley verkauft wird. Es sollte das Ziel sein, dieses Start-up in Europa zu halten.

trend: Welches Echo haben Sie auf Ihre Vorschläge bekommen, Stichwort gemeinsamer Vermarktungsplatz?
Wrabetz: Es war positiv. Man hört, dass das Thema gemeinsamer Digitalaktivitäten auch im Regierungsprogramm stehen wird. Die Politik will eine österreichische Vermarktungsplattform unterstützen. Das sehen auch die Zeitungsherausgeber nicht von vornherein negativ. Die Austria Videoplattform funktioniert ja schon, sie könnte ein Role Model für den Werbebereich sein. Auch gemeinsame Streamingdienste sind vorstellbar, in Hinblick auf die Datenschutzverordnung sollten wir zudem ein gemeinsames "Österreich-Log-in" anstrengen. Und in jedem Fall sollten wir uns im Rahmen von 5G einbringen: Wir müssen klären, zu welchen fairen Bedingungen der Transport unserer Inhalte stattfindet. Es kann ja nicht sein, dass zum Beispiel Netflix von der A1 im Rahmen eines Paketes frei transportiert wird, während das bei der TVthek-Nutzung ganz anders ist.

trend: Was ist mit der angeregten Forschungs- und Entwicklungskooperation?
Wrabetz: Wir haben ein tolles Ökosystem in Österreich und sind ja auch bei weXelerate Partner, da können wir Kooperationen austesten. Europa hat es in einer Industrie - der Luftfahrtindustrie - geschafft, mit Airbus ein global wettbewerbsfähiges Unternehmen zu schaffen. Ich bin allerdings eher pessimistisch, ob so etwas auch im Digitalbereich möglich ist.

trend: Warum sollten Allianzen jetzt klappen? Gefordert werden sie seit Langem.
Wrabetz: Weil wir mit der Austria Videoplattform sehen, dass es funktioniert. Und weil die Zeit drängt: In zwei Jahren ist es zu spät, eine gemeinsame Vermarktungsplattform zu etablieren. Mit den Zeitungen ist die Kooperation aber einfacher als mit der ProSiebenSat.1-Puls-4-Gruppe.

trend: Die traditionellen Verleger sind kooperativer?
Wrabetz: Natürlich ist die Zusammenarbeit nur halb so lustig, wenn der potenzielle Partner von Privat-TV-Seite andauernd betont, dass er uns marginalisieren will - es wird ja alle paar Wochen etwas anderes gefordert, einmal die Hälfte unserer Gebühren, dann wieder die Werbeerlöse oder einige unserer Sender. Und natürlich fragen wir uns, mit wem wir da Vereinbarungen treffen. Über die Nachfolge von Herrn Mateschitz, dem Eigentümer von ServusTV, wird in Bangkok entschieden werden, wo sein Mehrheitsgesellschafter sitzt. Und bei Puls 4 entscheiden Vertreter von US-Fonds wie BlackRock im ProSiebenSat.1-Aufsichtsrat, die interessieren sich wohl eher am Rande für den österreichischen Medien- und Produktionsstandort. Wir bekennen uns zum dualen System und zum Wettbewerb - aber wenn man nationales Fernsehen nachhaltig haben will, wird man gerade in Zukunft stark auf den ORF setzen müssen. Die Zeitungsverleger haben ein anderes Bild von medialer Verantwortung, einen Zugang, der nicht ausschließlich von Renditenmaximierung geprägt ist und - vor allem: die Entscheider sitzen hier im Land.

Alexander Wrabetz im Gespräch mit trend-Autor Bernhard Ecker: "Die ORF-Zerschlagungspläne sind derzeit vom Tisch."

trend: "Österreich zuerst" lässt sich am besten via ORF kommunizieren, ist das Ihre Botschaft an die Politik?
Wrabetz: Die Zerschlagungspläne sind meiner Information nach jedenfalls derzeit vom Tisch. Und es stimmt, dass man ein aufwendig gemachtes Medium wie TV für einen kleinen Markt öffentlich-rechtlich organisieren wird müssen. Ich erwarte auch nicht, dass es zu einem Splitting des öffentlich-rechtlichen Auftrags kommen wird, der dann von mehreren Playern erfüllt werden soll. Das wäre ja unlogisch, wenn man auf der anderen Seite die 21 Sozialversicherungen zusammenlegen will.

trend: Zum organisatorischen ORF-Umbau: Könnte es sein, dass die angekündigten Channel Manager erst in der zweiten Jahreshälfte 2018 kommen, weil noch abgewartet wird, was in einem "ORF- Gesetz neu" steht?
Wrabetz: Nein, die kommen sicher im ersten Halbjahr. Entscheidend ist, dass wir jetzt nicht mehr über Themen wie Privatisierung oder Zerschlagung sprechen. Das war vor wenigen Wochen noch unklar. Dann folgt die Frage: Welche Entscheidungsbefugnisse sollen die Senderverantwortlichen haben und was bedeutet das für die Direktorenebene? Operativ kommen wir auch ohne diese Entscheidung voran. Derzeit arbeitet ja ein Kernteam an "ORF eins neu", dessen Neuaufstellung funktionieren muss, wenn der Live-Fußball im Herbst wegfällt. Und in ORF 2 haben wir die Daytime neu strukturiert ...

trend: Wird bei der parlamentarischen ORF- Enquete im Frühjahr auch eine Reform des ORF-Stiftungsrats und der ORF- Geschäftsführung diskutiert?
Wrabetz: Eine Gremienreform wird meiner Einschätzung nach zumindest nicht sofort kommen.

trend: Die schwierigste Frage also am Schluss: Werden wir uns in einem Jahr in identer Konstellation über das ORF-Jahr 2019 unterhalten können?
Wrabetz: Ich wurde vor gut einem Jahr bis Ende 2021 bestellt, also gehe ich - unser beider Gesundheit vorausgesetzt - davon aus.


Zur Person

ALEXANDER WRABETZ, 57, begann 1998 als Chefkaufmann beim größten österreichischen Medienunternehmen. 2016 wurde er zum zweiten Mal als Generaldirektor wiedergewählt; seine dritte Amtsperiode läuft bis 2021. 2018 wird der politische Beschluss für eine ORF-Gremienreform erwartet. Damit könnte auch der Job des SPÖ-nahen Managers wackeln.


Der Artikel ist der trend-Ausgabe 50-52/2017 vom 15. Dezember 2017 entnommen.

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