OeNB-Vizegouverneur Haber: Österreichs Banken sind stabil
Nationalbank-Vizegouverneur Gottfried Haber sieht die Stabilität der Banken in Österreich und der EU gesichert. Auch die steigenden Zinsen hält er für kein großes Risiko.
OeNB Vizegouverneur Gottfried Haber
Der Vizegouverneur der Nationalbank, Gottfried Haber, sieht den österreichischen Bankensektor durch die aktuellen Verwerfungen auf den Märkten nicht in Gefahr. Der gesamte europäische Banken- und Finanzmarkt sei aus seiner Sicht strukturell gut aufgestellt und verfüge über genügend Liquiditätspolster. "Das gilt ganz besonders auch für Österreich", sagte Haber am Montag am Rande einer Pressekonferenz.
"Natürlich gibt es Turbulenzen auf den Märkten", räumte Haber ein. Die Ausgangssituation hierzulande sei aber nicht mit jener in anderen Ländern vergleichbar, zumal sich der österreichische Bankenplatz gemeinsam mit 9 anderen Ländern in der höchsten Ratingklasse bewege. Außerdem gebe es gewichtige Unterschiede zwischen den heimischen Banken und ausländischen Instituten wie der insolventen Silicon Valley Bank (SVB). Deren Geschäftsmodell, das beispielsweise von vielen kurzfristigen Einlagen geprägt gewesen sei, wäre hierzulande nicht denkbar. Ein derartiges Geschäftsmodell gebe es in Europa nicht. "Das kann es auch nicht geben."
Auch Proportionalität sei ein Faktor. Das bedeute, dass die Regulierung für große Banken in Europa umfangreicher sei als für kleine Banken. "Aber Proportionalität heißt immer noch, dass es sehr hohe Standards für kleine und mittlere Institute gibt." Die SVB sei mit umgerechnet 250 Mrd. Euro Bilanzsumme in den USA als kleine Bank eingestuft worden, was in Europa nicht denkbar wäre. Die Folge sei gewesen, dass die Bank keine Liquiditätskennzahlen melden musste. "Ich glaube, dass es hier schon eine Regulierungslücke in den USA gegeben hat, die es in Europa nicht gibt."
Folgen der steigenden Zinsen
Der von der EZB eingeläutete Kurswechsel schlägt mittlerweile deutlich auf die Zinsen in Österreich durch. Einerseits erfreuen sich Sparer dadurch steigender Raten auf ihre Bankeinlagen. Gleichzeitig werden aber Kredite teurer und der Druck auf Bezieher von Krediten mit variabler Verzinsung steigt. "Die monatliche Zinsbelastung der Haushalte und auch der Unternehmen hat sich innerhalb eines Jahres etwa verdoppelt", berichtete Haber.
Nach Daten der Nationalbank sind die Kreditzinssätze im Neugeschäft bis Jänner 2023 im Schnitt auf 3,95 Prozent geklettert. Folgen habe dies aber auch für Bestandszinssätze und damit für Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer, deren Kredite variabel verzinst sind. Österreich sei im europäischen Vergleich ein Ausreißer, meinte Haber bei einer Pressekonferenz, da hierzulande deren Anteil mit fast der Hälfte am gesamten Kreditvolumen besonders hoch liege. "Das bedeutet, dass in Zeiten steigender Zinssätze diese variabel verzinsten Finanzierungen auch teurer werden und der durchschnittliche Bestandszinssatz entsprechend ansteigt."
Bei Unternehmen ergab sich ein ähnliches Bild. Infolge des Ukraine-Kriegs und damit einhergehender Kostensteigerungen sei der Bedarf nach Krediten mit kurzfristiger Laufzeit und variabler Verzinsung zuletzt groß gewesen, erklärte Johannes Turner, Direktor der OeNB-Hauptabteilung Statistik. Folglich hätten sich auch für diese die Kreditaufnahme sowie die laufenden Kosten spürbar verteuert. Die von österreichischen Unternehmen zu leistenden monatlichen Zinszahlungen seien von 227 Mio. Euro im Jänner 2022 auf etwa 528 Mio. Euro im Jahr darauf angeschwollen, so Turner.
Gebremste Kreditnachfrage
Die steigenden Zinsen dämpfen darüber hinaus das Kreditwachstum, vor allem im Immobiliensektor. So ist das entsprechende Volumen zuletzt deutlich gesunken, nach dem das erste Halbjahr 2022 noch von einer kräftigen Dynamik am Markt geprägt war. "Was wir gesehen haben ist, dass im ersten Halbjahr 2022 trotz ansteigender Zinsniveaus die Nachfrage nach Wohnbaukrediten hoch geblieben ist." Haber führte dies auf Vorzieheffekte in Erwartung höherer Zinsen sowie auf die KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung) zurück, wodurch größere Hürden für die Vergaben von Krediten entstanden.
Eine Trendumkehr gab es jedoch auch bei den Zinsen auf Bankeinlagen, die im Neugeschäft zuletzt im Schnitt auf 2,03 Prozent gewachsen sind. "Zinsen sind ja immer des einen Freud und des anderen Leid", sagte Turner dazu. Mittlerweile würden sich die gebundenen Einlagen wieder rechnen, was sich auch der höheren Nachfrage der Haushalte ablesen lasse. "Es ist Bewegung in die Zinslandschaft auf der Einlagenseite gekommen." Dabei dürfe man jedoch nicht vergessen, dass es sich um Nominalzinssätze handle, deren Effekte von der hohen Inflation abgeschwächt würden.
Überschaubares Ausfallsrisiko
Gestiegen sind zuletzt auch die Bestandszinssätze von variabel verzinsten Einlagen. Mit einem Niveau von durchschnittlich 0,29 Prozent sind die Steigerungen in diesem Segment aber hinter dem Neugeschäft geblieben. Im Gegensatz zu den Kreditzinsen erfolge die Entwicklung zeitverzögert, erklärte Haber, der dies grundsätzlich positiv wertet: "Das ist ein gutes Zeichen für die Liquiditätsausstattung der Kreditinstitute. Die brauchen schlichtweg einfach nicht so dringend Liquidität durch Spareinlagen, um hier bei den Zinssätzen hinaufzugehen." Ob und wann mit noch größere Sprüngen für die Konsumentinnen und Konsumenten zu rechnen sei, könne er schwer einschätzen, so Haber.
Ein größeres Ausfallrisiko bei Krediten sieht Haber durch die Zinssteigerungen aktuell nicht. "Wir haben in Österreich einen historischen Niedrigstand bei notleidenden Krediten." Für die Institute gelte es in der nahen Zukunft, auf die Kreditqualität zu achten, riet Haber. Diese müssten weiter sicherstellen, dass leistbare Kredite vergeben werden und die Kundinnen und Kunden bei steigenden Zinsen nicht unter Druck geraten, so der OeNB-Vizegouverneur.