Naher Osten: Katar-Krise könnte der Wirtschaft deutlich schaden
Im Emirat Katar herrscht der Ausnahmezustand. Das Land, das hunderte Milliarden Dollar in den Ausbau seiner Infrastruktur investiert hat und 2022 Die Fußball WM austragen wird, ist vom Nahrungsmittelimport aus Saudi-Arabien abgeschnitten. Die Kapitalmärkte könnten Staaten der Region und damit auch das die OPEC dominierende Saudi Arabien abstrafen.

Das Emirat Katar wird von dem Boykott-Aufruf seiner Nachbarn aus allen Zukunftsträumen gerissen: Der kleine Staat am persischen Golf hat über 200 Milliarden Dollar in Flughäfen, Hafenanlagen und sonstige Verkehrsprojekte investiert. Es will zum Touristen-Magneten werden und als Gastgeber der Fußball-WM 2022 glänzen. Mit seiner hochfliegenden Vision "Qatar 2030" will der Staat die Wirtschaft breiter aufstellen sowie Bildung und Wissenschaft fördern.
Der Streit zwischen Katar und seinen Nachbarn hat sich weiter verschärft . Bürger des Staats dürfen nun nicht mehr in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) einreisen und dort auch nicht mehr an den Flughäfen umsteigen. Das Verbot umfasst die Großflughäfen Abu Dhabi, an dem Etihad seine Heimatbasis hat, sowie das Drehkreuz Dubai der größten VAE-Fluglinie Emirates. Die Regelungen gilt auch für Ausländer, die mit Aufenthaltsgenehmigung in Katar leben. Die VAE haben außerdem jegliche Sympathiekundgebung für Katar verboten.
Noch hängen zwei Drittel der Wirtschaftsleistung direkt oder indirekt vom Öl- und Gasgeschäft ab. Mit der Erweiterung der Hafenanlagen kann der winzige Wüstenstaat nun trotz Boykotts zumindest seine Flüssigerdgas-Exporte vorantreiben. Doch zugleich sieht er sich nun von Nahrungsmitteleinfuhren aus dem großen Nachbarland Saudi-Arabien abgeschnitten. Bilder mit leeren Warenregalen aus der Hauptstadt Doha zeigen, dass sich das Land statt Visionen nun Überlebensstrategien zurechtlegen muss. Doch die Nachbarstaaten, die ihre Verbindungen zu Katar gekappt haben, drohen sich mit dem Boykott auch ins eigene Fleisch zu schneiden.
Wichtigste Wirtschaftsbeziehungen
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stellten 2015 fast ein Drittel der eine Milliarde Dollar (rund 888 Millionen Euro) schweren Lebensmitteleinfuhren des Wüstenstaats. "Falls sich der Streit in die Länge zieht, drohen gewaltige Folgen", sagt ein ausländischer Banker, der anonym bleiben möchte. Auch die Kosten auf den Baustellen Katars dürften steigen, wenn Aluminium und andere Materialen nicht mehr über die Landgrenze zu Saudi-Arabien eingeführt werden können. Noch sind die staatlichen Kassen prall gefüllt: Allein der katarische Staatsfonds ist mit schätzungsweise 335 Milliarden Dollar an Vermögenswerten üppig ausgestattet.
Doch das Land kann seine ehrgeizigen Zukunftspläne nicht alleine finanzieren und ist auf das Vertrauen ausländischer Investoren angewiesen. Als Folge des Boykottaufrufs wird es für Katar nun teurer, Geld am Markt aufzunehmen. Auch Staaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) wie Saudi-Arabien, Bahrain und Kuwait könnten in Mitleidenschaft gezogen werden. "Vermögensverwalter werden nicht zwischen Katar und den Staaten des GCC unterschieden. Internationale Anleger werden von den Papieren dieser Staaten die Finger lassen", warnt ein ausländischer Banker.
Diplomatische Eiszeit in der Wüste
Auch Ägypten, das nicht dem GCC angehört, hat sich dem Boykott angeschlossen - und riskiert ebenfalls viel mit diesem Konfrontationskurs. Nicht weniger als 350.000 Ägypter sind als Gastarbeiter in Katar. Das ist eines der größten Kontingente der insgesamt 1,6 Millionen ausländischen Arbeiter, die in dem Wüstenstaat die Zukunftsträume der Herrscher auf den Baustellen Wirklichkeit werden lassen sollen. Sollte die diplomatische Eiszeit in der Wüste weiter eskalieren, droht den Gastarbeitern der Verlust ihrer Jobs. "Die Ägypter haben Angst. Sie haben hier Arbeit und ein geregeltes Leben mit ihren Familien. Es herrscht Panik", sagt der Vorsitzende der ägyptischen Gemeinde in Katar. Insbesondere Arbeiter, die auf staatlichen Baustellen beschäftigt sind, bangen um ihre Zukunft und fürchten die Ausweisung.
Mauretanien hat seine diplomatischen Beziehungen zu Katar ebenfalls abgebrochen. Katar unterstütze durch seine Politik Terrororganisationen und die Verbreitung extremistischer Ideen, erklärte das mauretanische Außenministerium. Der Ölproduzent Gabun, wie Katar und Saudi-Arabien Mitglied der Opec, verurteilte Katar, weil es internationale Vereinbarungen zum Kampf gegen den Terrorismus nicht respektiere.
Auch kleinere Nadelstiche dürften Katar wirtschaftlich schmerzen: So hat der saudiarabische Fußballclub Al-Ahli Saudi einen Vertrag mit der Fluggesellschaft Qatar Airways aufgekündigt - auf Geheiß des Königshauses. Zudem könnte die Krise im Verhältnis der Wüstenstaaten weitere Kreise ziehen. Zur Zuspitzung käme es etwa, wenn Saudi-Arabien ausländische Firmen vor die Wahl stellen sollte, Geschäft aus Katar abzuziehen oder den Zugang zum wesentlich größeren Markt im Königreich zu verlieren. Auch am Finanzplatz Abu Dhabi geht die Furcht um: "Die Region hat wohl kaum jemals solche Turbulenzen vor ihrer eigenen Haustür erlebt. Jeder fragt sich wie weit das noch geht. Wir erleben hier eine schrittweise Eskalation", befürchtet Mohammed Ali Jasin vom Finanzhaus NBAD Securities.
Katar will mit Hilfe Kuwaits die diplomatische und wirtschaftliche Isolation durch die arabischen Golfstaaten durchbrechen. Kuwaits Herrscher Scheich Saba Al-Ahmad Al-Dschaber al-Saba sollte noch am Dienstag mit dem saudischen König Salman einen Ausweg aus der die Krise ausloten. Sein Land "glaubt, solche Differenzen zwischen Schwester-Staaten müssen durch Dialog gelöst werden", begründete Katars Außenminister Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani die diplomatische Initiative.
Trump feiert diplomatischen Sieg
US-Präsident Donald Trump hat die Isolierung Katars als persönlichen Erfolg bewertet. Seine Nahostreise zahle sich bereits aus, erklärte Trump viaTwitter.
So good to see the Saudi Arabia visit with the King and 50 countries already paying off. They said they would take a hard line on funding...
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 6. Juni 2017
Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums würdigte dagegen erneut den "anhaltenden Einsatz" Katars für den Frieden in der Region. Das Emirat will mit Hilfe Kuwaits die diplomatische und wirtschaftliche Isolierung durchbrechen. Die Krise in der ölreichen Golfregion wirkte sich weltweit aus. In Europa verbuchten die Aktienmärkte Verluste, während die Preise für das in Krisenzeiten gefragte Gold stiegen.
Trump erklärte, bei seinem Besuch im Mai hätten die Golfstaaten ihm zugesichert, eine harte Linie gegen die Finanzierung des Extremismus zu fahren. "Alle Anspielungen deuteten auf Katar", hieß es in der Botschaft. "Vielleicht ist es der Anfang vom Ende des Terrorismus-Horrors". Dies steht im Widerspruch zu einer Erklärung des zuständigen Regionalkommandos der US-Streitkräfte, in der Katar für die Unterstützung im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat gedankt wird. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jeff Davis, wollte die Frage, ob Katar den Terrorismus unterstütze, nicht beantworten. "Ich sehe in ihnen den Gastgeber für unseren sehr wichtigen Stützpunkt Udeid." Auf dem Luftwaffenstützpunkt in Katar sind rund 8000 US-Soldaten stationiert. Von dort werden auch Luftangriffe auf den IS im Irak und Syrien koordiniert.