Das Millennials-Dilemma
Rund um die Jahrtausendwende wurden sie erwachsen, in den letzten 15 Jahren kamen sie auf den Arbeitsmarkt: Die Millennials wollten mehr Freiheit als alle Generationen vor ihnen - und sie wurden gehört. Ist deshalb alles bestens? Ganz und gar nicht. Und das hat strukturelle Gründe.
Millennials: Die Probleme der Generation Y haben strukturelle Gründe.
Veronika Krichenbauer ist Onlinemarketing-Managerin in einem Softwareunternehmen. Vorgesehen war das nicht. Die gebürtige Bayerin hat Literaturwissenschaft studiert, die Passion war groß, das Berufsziel ungewiss. Dass sie heute dort steht, wo sie steht, ist dennoch kein Schicksal: "Ich habe immer hart gearbeitet", sagt sie, "und, was besonders wichtig war, prekäre Jobangebote immer verweigert."
Heute ist sie fest angestellt, bewohnt mit ihrem Freund eine Vierzimmerwohnung im hippen siebenten Wiener Gemeindebezirk. "Ich weiß, dass viele meiner Altersgenossen beim Wohnen große Kompromisse machen müssen." Bei ihr geht es sich nur aus, weil sie beide relativ gut verdienen. An den Kauf einer Wohnung, wie er in der Elterngeneration zur Lebensplanung gehörte, denkt sie erst gar nicht. Für viele ihrer Altersgenossen ist das so gut wie ausgeschlossen: Es ist schlicht zu teuer.

Veronika Krichenbauer: "Habe prekäre Jobangebote immer verweigert."
Veronika Krichenbauer (siehe auch Porträt, unten) ist Teil jener Generation, die man unter den Namen "Millennials" oder auch "Generation Y" kennt. Menschen dieser Generation sind, je nach Definition, zwischen 1980 und 1999 geboren, und sie haben gemeinsam, dass sie in den vergangenen 15 bis 20 Jahren auf den Arbeitsmarkt kamen. Sie standen bisher für einen Wertewandel: Es geht weniger um Status und finanziellen Erfolg als darum, etwas Sinnvolles zu machen.
Gerne auch rund um die Welt, um die Globalisierung zu nutzen, und dank neuer Technologien auch immer erreichbar. Sie wollen aber auch mehr Flexibilität, Selbstbestimmung und bessere Vereinbarkeit von Freizeit und Familie. All das fordern sie auch ein, denn sie wissen: Sie sind eine eher kleine Generation. Gerade die Fachkräfte unter ihren Vertretern werden von Unternehmen quer über die Branchen hinweg gesucht.
In der Rushhour des Lebens
Jetzt, wo viele der Millennials die sogenannte Rushhour des Lebens erreichen, in der der berufliche Aufstieg öfter auch mit der deutlich späteren Familiengründung zusammenkommt, beginnt sich das Bild zu wandeln. Was ist von den Versprechen eines unabhängigeren Lebens übriggeblieben? Was von der Sinnerfüllung? Und wie geht sich das finanziell aus?
Schaut man genauer hin, zeigt sich ein gemischtes Bild: Auch die hier Porträtierten erfüllen manche Klischees, manche nicht. Und schaut man, wie Lukas Sustala, ganz genau hin, zeigen sich regelrechte Brüche. In seinem neuen Buch "Zu spät zur Party" beschreibt der stellvertretende Direktor des Thinktanks Agenda Austria, dass die Millennials bei essenziellen Themen sogar handfeste Nachteile haben. Vom Wohnen bis zur Bildung, von der Einkommensentwicklung bis zur Sicherheit der Pensionen und den Folgen des Klimawandels reicht laut Sustala das Spektrum, in dem Millennials trotz einzelner Ausreißer schlechter aussteigen als ihre Eltern. Einfach weil sie später geboren sind.

Lukas Sustala: "Die strukturellen Benachteiligungen sind in Österreich sehr hoch."
"Sie befinden sich in einer Mehrfachmühle", beschreibt Lukas Sustala (siehe auch => Interview). Viele von ihnen sind im Nachfeld der Finanzkrise ins Arbeitsleben eingestiegen, das prägt ihre Erwerbsbiografien. Sie sind mit niedrigeren Einkommen, mehr befristeten Verträgen und höherer Unsicherheit gestartet, sie wurden in der Krise auch öfter gekündigt. Gleichzeitig seien, so Sustala, die Preise für Immobilien und Wohnen generell überproportional gestiegen, was es für diese Generation schwerer macht, auf Eigentum zu sparen. Die niedrigen Zinsen hätten das dann noch einmal verschärft, so der Ökonom. Dazu kommen die großen Brocken Klimawandel und Pensionen, denn es wird vor allem diese Generation sein, deren Randvertreter auf die 40 zugehen, die hier die höheren Kosten tragen wird - aber auf deutlich weniger Schultern verteilt. Ist das fair?
Interview mit Lukas Sustala:
"Junge Politiker machen nicht automatisch Politik für Junge"
Gerade in Österreich will Sustala keinen Generationenkonflikt heraufbeschwören, aber: "Es wäre wesentlich, den Sozialstaat früh genug so umzubauen, dass die Finanzierung von Pensionen nicht Investitionen in die Zukunft gefährdet." So weit, dass die Generationen gegeneinander ausgespielt werden, soll es gar nicht erst kommen. Dafür bräuchten die Jungen laut Sustala aber eine stärkere Lobby, mehr Verbündete - und ein besseres Verständnis ihrer Situation und dessen, was sie in Zukunft bedeuten könnte.
Das ist unterschiedlich ausgeprägt: Während sich Designerin Petra Wieser noch auf den Sparplan ihrer Mutter verlässt, findet Softwareentwickler Christian Lascsak klar, "dass der Staat dafür sorgen muss, dass auch meine Generation noch etwas ausgezahlt bekommt".
Sustala selbst hat die Sache früh selbst in die Hand genommen. Untypisch für seine Generation begann er bereits mit 20 Jahren während des VWL-Studiums zu arbeiten, er war Wirtschaftsredakteur beim "Standard", später Chefredakteur von nzz.at, seit zwei Jahren kann er sich bei Agenda Austria tiefgreifend etwa mit dem Thema Steuern beschäftigen. Sich selbst zu finanzieren, war ihm immer wichtig: "Wer eine sichere Altersvorsorge will, muss schauen, dass es eine nahezu lückenlose Erwerbsbiografie gibt, und auch privat vorsorgen, anders wird es sich schwer ausgehen."
Prekär oder selbstständig
Für viele ist das leichter gesagt als getan. In Italien, Spanien und Griechenland hat die Finanzkrise zu einer Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent geführt, dort spricht man von "verlorenen" Altersgruppen. Spuren hinterlassen hat die Krise aber auch in Österreich. Zum Beispiel bei den befristeten Arbeitsverhältnissen, die gestiegen sind und oft Junge betreffen.
Nirgends ist das so ausgeprägt wie beim wissenschaftlichen Personal der Universitäten. Dort waren zuletzt rund 78 Prozent des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals nur befristet angestellt, wie eine Statistik des Wissenschaftsministeriums zeigt. Darin sind zwar auch klassisch befristete Stellen wie Professuren oder studentische Mitarbeiter enthalten, dennoch ist das enorm, und die neue Regierung will die hier üblichen Kettenverträge auch ändern.

Petra Wieser: "Eine fixe Vollzeitstelle gibt finanzielle Sicherheit."
"Junge Wissenschaftler gehen oft ins Ausland, ebenso junge Mediziner", erklärt Sustala die bisherigen Reaktionen. In anderen Sparten wiederum beschließen Junge, lieber gleich als Freelancer zu arbeiten und sich mehrere Arbeitgeber aufzubauen, statt von einem abhängig zu sein. Und wieder andere gründen gleich selbst ein Unternehmen. Laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Marketagent (2018) wollen sich doppelt so viele Millennials selbstständig machen wie bei der Generation 40 plus.
Für Maximilian Schirmer (siehe Porträt, unten), den Geschäftsführer von tarife.at, war das alternativlos. Der prototypische Vertreter dieser digital sozialisierten Generation wusste früh, dass er dazu "eigentlich nur einen Computer braucht". Auch Rita Huber ging ins Risiko, als sie mit ihrem Schwager eine Marktlücke entdeckte und 2014 den Essenslieferservice Rita bringt's begründete (siehe Porträt, unten). Der ist heute bestens etabliert und hat die Gründerin alles, aber nur nicht reich gemacht. "Ohne Unterstützung der Familie wäre das nicht gegangen", sagt sie. Sie schätzt an der späten Geburt, dass ihre Generation nicht mehr in streng vorgegebenen Lebensläufen planen muss, sondern mehr Freiheiten hat. Die Nebenwirkungen sieht sie allerdings auch: Erst kürzlich konnte sie sich ein bisschen aus dem Tagesgeschäft zurückzunehmen - und sich Gehalt auszahlen.
Die Designerin Petra Wieser wiederum sichert ihren Start in die Selbstständigkeit derzeit noch mit einer Anstellung ab. Verhaltensökonom Wolfgang Mayrhofer von der WU Wien beobachtet, dass diese Generation kaum klassische Karriereverläufe hat: "Diese Individualisierung setzt sie auch unter Stress. Sie müssen ihr Kulturkapital, ihre Skills laufend erneuern und aktuell halten."
Weniger Einkommen
Entlohnt werden diese Anstrengungen aber dürftiger denn je: Real sind die Einkommen der 20- bis 39-Jährigen zwischen 2008 und 2016 um ein Prozent gesunken. Bernhard Binder-Hammer, Demograf an der WU Wien und am Wittgenstein Centre, zeigt in der Analyse der Nettoeinkommen (siehe Grafik unten), dass es zeitgleich zu einer Umverteilung von Jung zu Alt kam, weil die Einkommen bei der Gruppe 60 plus stiegen. "Besonders benachteiligt sind deshalb die jungen Familien, bei ihnen ist auch die Armutsgefährdung am höchsten", so Binder-Hammer. Höher als bei den Pensionisten übrigens.

Das Medianeinkommen ist eine Grenze: Die Hälfte der jeweiligen Altersgruppe hat mehr, die Hälfte weniger als dieses Einkommen nach Steuern und Abgaben, aber inklusive Transfers zur Verfügung. Während es bei der jungen Generation in den vergangenen Jahren gesunken ist, stieg es bei der Generation 60 plus an. Es kam zu einer Verteilung von Jung zu Alt.
Es ist eine bittere Enttäuschung: Noch nie haben so viele Menschen in Österreich ein Studium abgeschlossen wie heute, noch nie wurde so viel Zeit in Ausbildung investiert. Und dennoch: Mehr Bildung führt nicht mehr automatisch zu mehr Einkommen. Das wäre aber die Voraussetzung, um etwa Eigentum zu begründen. Für Junge, die nicht auf ein Erbe hoffen, ist das zusehends undenkbar. Zwischen 2008 und 2018 sind etwa die Häuserpreise in Österreich real um 48 Prozent gestiegen. Und auch bei den Mieten wird es eng: Die Privatmieten sind laut Arbeiterkammer zwischen 2008 bis 2018 um 39 Prozent gestiegen, der Anteil befristeter Mietverträge nahm von 30,2 auf 45,8 Prozent zu.
Laut einer Studie der Bawag gaben Junge 2018 stolze 36 Prozent ihres Einkommens für Wohnen aus, Mitte der Neunzigerjahre lag dieser Wert noch bei 29 Prozent. Jungvater Micha Poszvek (siehe Porträt, unten) hat dennoch eine Lösung gefunden: Er wohnt in einer innovativen, aber noch seltenen Wohnform, die die Mieter selbst organisieren. Seiner Forderung schließen sich viele seiner Altersgenossen an: "Wohnen sollte ein Menschenrecht sein, leistbar und kein goldener Käfig in finanzieller Hinsicht."
Angstthema Altersvorsorge
Viele Junge haben gut damit zu tun, durchzukommen, aber selbst bei denen, die besser verdienen, ist klar: Sie haben zwar Smartphones und mehr Freiheiten, aber leichter als ihre Eltern haben sie es nicht. "Das große Angstthema ist die Altersvorsorge", sagt Hannes Gruber, der mit dem Unternehmen FiP.S Jungakademiker bei den Finanzen berät: "Dass es mit der staatlichen Pension schwierig werden könnte, muss man heute keinem erklären. Diesen Realitätscheck haben die Millennials gemacht."
Tatsächlich ist es eine relativ einfache Rechnung: Damit das Pensionsbeitragssystem stabil bleibt, hätte die Babyboomer-Generation um 0,7 Kinder pro Frau mehr bekommen müssen. Das hat sie nicht, stattdessen arbeiteten auch viel mehr Frauen. "Der große Aufschwung damals wurde auch dazu genutzt, das Pensionsantrittsalter zu senken und die Leistungen zu erhöhen", sagt Binder-Hammer.

Micha Poszvek: "Wohnen sollte ein Menschenrecht sein."
Jetzt aber gehen die Babyboomer in Pension: "In den kommenden Jahren verlassen rund 120.000 bis 140.000 Menschen im Jahr den Arbeitsmarkt, nur knapp 80.000 werden nachrücken." Die Langfristprognose des Ex-Finanzministers Eduard Müller geht davon aus, dass allein die Pensionsausgaben bis 2040 um 1,5 Prozent des BIP steigen werden.
Noch gelten die Pensionen als sicher, auch die aktuelle Regierung hält große Reformen nicht für notwendig, und noch halten sich die Millennials mit Forderungen zurück. Viele Experten warnen aber davor, Reformen zu verschieben - auch Buchautor Sustala: "In einer Demokratie müssen wir alle zusammen trachten, dass sich die Kosten für die Jüngeren nicht mit der Zeit potenzieren und es richtig unfair für sie wird."
Die Zahlen liegen auf dem Tisch, die Entwicklungen sind für viele im Alltag spürbar. Millennials sehen das teils nüchtern, teils aber noch gar nicht. WU-Ökonom Mayrhofer beobachtet in dieser Alterskohorte auch eine "große Gelassenheit und das subjektive Glücksgefühl, dass die Zeit nicht vergeht". Das könnte sich aber bald ändern. Nicht zuletzt, weil die nächste Generation, die Klimabewegung, schon deutlich lauter ist. Und Fairness fordert.
Sechs Millennials im Porträt
- Rita Huber, 30 Gründerin Rita bringt's, Vegetarischer Lieferservice
- Maximilian Schirmer, 28 Gründer von tarife.at
- Veronika Krichenbauer, 30 Onlinemarketing-Managerin
- Micha Poszvek, 34 Boku- und TU-Absolvent, derzeit in Karenz
- Petra Wieser, 29 Designerin, mindfuldesignandcraft.com
- Christian Lascsak, 25 Softwareentwickler

Rita Huber, Gründerin von 'Rita bringt's' - Vegetarischer Lieferservice
Rita Huber, gerade einmal 30 Jahre alt, ist schon seit sechs Jahren im Geschäft. 2014 gründete sie gemeinsam mit ihrem Schwager Gerald Költringer Rita bringt's, einen Lieferservice in Wien für vegetarische Gerichte, die ausschließlich frisch mit Biozutaten zubereitet und mit Lastenfahrrädern ausgeliefert werden.
"Wir sahen diesen Anspruch und diese Lücke und wollten sie schließen", sagt Rita Huber. Sie waren also schon klimafreundlich, bevor es Fridays For Future gab, und stellten auch die Fahrer bereits an, bevor große Konkurrenten erst dazu gezwungen werden mussten. Heute beschäftigt die studierte Film- und Literaturwissenschaftlerin 24 Mitarbeiter, viele davon wollen in Teilzeit arbeiten.
"Ohne Ersparnisse und ein kleines Erbe wäre es nicht gegangen,
das Unternehmen aufzubauen."
Rund 900 Portionen bringt ihr Team täglich in die Büros, als zweiter Geschäftszweig ist das vegetarische Catering dazugekommen. Die Zuwachsraten bei Rita bringt's waren und sind zweistellig - und doch haben sie und ihr Geschäftspartner sich erst im Vorjahr zum ersten Mal ein kleines Gehalt ausgezahlt. "Ohne eigene Ersparnisse und ein kleines Erbe wäre das nicht gegangen", sagt die Unternehmerin. Dass die Vorgängergenerationen kleine Vermögen aufbauen konnten, sieht sie als Vorteil ihrer Generation. Für sie war das der Antrieb, 80 Stunden die Woche zu arbeiten und es selbst zu schaffen.
An Wohnungskauf oder Altersvorsorge ist da nicht zu denken, an die Familiengründung auch noch nicht. Und doch sieht Rita Huber ihre Generation als privilegiert an: "Wir haben mehr Freiheiten, können unsere Lebensläufe öfter ändern, wenn wir die Konsequenzen tragen." Als Arbeitgeberin sieht sie das allerdings nicht nur positiv: "Es wird nicht einfacher, junge, freiheitsliebende Leute zu binden."
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Maximilian Schirmer, Gründer von tarife.at
Mit der langwierigen Suche nach einem Traumjob musste sich Schirmer nie aufhalten. "Ich wusste mit 16 Jahren, dass ich mein eigenes Unternehmen haben will und dazu nur einen Computer brauche." Für den Gewerbeschein war er noch zu jung, für das Ersinnen erster Geschäftsideen (ein WLAN-Infoportal, ein Gaming-Service) aber als Teenager schon sehr geschickt. Mit Erlangen der Volljährigkeit startete er ein Vergleichsportal für Handytarife und übernahm bald andere Vergleichsportale, um das Wachstum voranzutreiben. Finanziert hat er das aus dem Cashflow: "Wenn ich kein Geld brauche, nehme ich keines auf." Heute führt er mit tarife.at ein drei Mitarbeiter starkes Team, das "finanziell stabil ist", und das Verhandeln mit gestandenen Telekom-Managern ist sein Tagesgeschäft. Daneben studiert er Informatik und hält Vorträge über strategisches Performance-Marketing.
"In meiner aktiven Zeit will ich selbst aussorgen. Wenn es Spaß macht, werde ich arbeiten, solange es Sinn macht."
Besitz bedeutet ihm wenig bis gar nichts. "Ich wohne in einer 49-Quadratmeter-Mietwohnung mit Hofblick und habe ein Öffi-Ticket. Wenn ich ein Auto brauche, nutze ich Carsharing." Wer drei Wochen Strandurlaub braucht, hat für ihn "den falschen Job". Ihm reichen ab und zu Städtetrips, die ihn inspirieren. Wirklich wichtig ist ihm das tägliche Sporttraining: "Das ist gut für Körper und Psyche." Geld an sich bedeutet Schirmer nichts: "Geld bedeutet einfach mehr Möglichkeiten." Der Erwerb eines ausreichenden Vermögens ist für ihn ein langfristiges Ziel. "Ich will nicht von der staatlichen Pension abhängig sein. In meiner aktiven Zeit will ich selbst aussorgen." Das alles ist aber noch weit weg: "Wenn es Spaß macht, werde ich arbeiten, solange es Sinn macht."
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Veronika Krichenbauer, Onlinemarketing-Managerin
Die gebürtige Bayerin weiß, mit einem Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft eine ordentlich bezahlte Vollzeit-Festanstellung im Onlinemarketing zu bekommen, ist nicht selbstverständlich. Durch harte Arbeit, Verhandlungsgeschick und die bewusste Entscheidung gegen prekäre Arbeitsverhältnisse konnte sie nach ihrem Studium in ihrer Traumbranche zu arbeiten beginnen. "Für mich ist es wichtig, dass sich nicht nur meine Vorgesetzten mit meinem Gehalt und Vertrag wohlfühlen, sondern ich mich genauso."
Krichenbauer weiß ihr Glück zu schätzen, in Wien eine Vier-Zimmer-Mietwohnung mit Balkon, die sie sich gemeinsam mit ihrem berufstätigen Partner auch leisten kann, innerhalb von zwei Monaten gefunden zu haben. "Ich weiß, wie viele meiner Bekannten beim Wohnen große Kompromisse eingehen müssen." Dass der Mietvertrag befristet ist, ist für sie okay, "wer weiß, ob wir in fünf Jahren noch in Wien sind."
"Finanzielle Sicherheit ist wichtig. Ich sorge langfristig vor - mit Aktien. Das geht heute ja gar nicht anders."
Der Job ist Krichenbauer wichtig, die Ansprüche an ihren Arbeitgeber formuliert sie so: "Ich lege Wert auf einen respektvollen Umgang auf Augenhöhe, schätze das möglichst hierarchiefreie, agile Arbeiten. Ich will gefordert und gefördert werden. Da entspreche ich ganz dem Millennials-Klischee." Stillstand ist nichts für sie. "Ich weiß, dass es für mich oder auch im Unternehmen selbst zu Stagnationsphasen kommen kann. Für eine gewisse Zeit ist das in Ordnung. Wenn sich so etwas aber nicht auflöst, ziehe ich einen Wechsel in Betracht."
Krichenbauer plant auch langfristig, vor allem finanziell. Auf Glück will sie sich hier keinesfalls verlassen. "Frauen sind bei den Pensionen ohnehin benachteiligt, und sollten wir noch Kinder bekommen, wird das meine finanzielle Situation nicht verbessern." Krichenbauer sorgt vor: "Finanzielle Sicherheit ist mir wichtig. Ich sorge langfristig vor - mit Aktien. Das geht heute ja gar nicht anders. Und Eigentum zu begründen, rentiert sich für uns derzeit nicht."
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Micha Poszvek, Boku- und TU-Absolvent, derzeit in Karenz
Poszvek musste nicht um Elternkarenz bitten: "Wann und wie lange willst du gehen?", fragte der Chef der Firma realitylab, die soziale Prozesse in Wohnbau und Stadtentwicklung begleitet. Er hatte Poszvek direkt nach dem Studium abgeworben. Studiert hat der Wiener an der Boku und an der TU München, wo er sich u. a. mit nachwachsenden Rohstoffen beschäftigte.
"Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit - ökologische, ökonomische und soziale - ziehen sich wie ein roter Faden durch meinen Lebenslauf", sagt Poszvek, der im Weltverband der Pfadfinder "prägende Erfahrungen in der europäischen Jungpolitik" machte. "Das hat auch mein globales Denken geschult." Als Teil des Gründungsteams der Jugend-Umwelt-Plattform Jump setzte Poszvek schon ein paar Jahre vor Fridays For Future spannende Initiativen. Für all das war er jahrelang ehrenamtlich tätig.
"Die Erfahrungen in der Jungpolitik haben mein globales Denken geschult."
Poszvek hat mit seiner Freundin und seinem Sohn vor wenigen Monaten eine Wohnung in der Hausgemeinschaft "Grüner Markt" bezogen: ein Wohnprojekt, in dem sich die Mieter selbst organisieren und viele Dinge - vom Essen bis zum Auto - teilen. "Klassisches Eigentum war nie ein Ziel von uns. Wohnen sollte ein Menschenrecht sein, leistbar und kein goldener Käfig."
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Petra Wieser, Designerin, mindfuldesignandcraft.com
Handwerk liegt ihr, das wusste sie schon mit 16. Abgehalten wurde sie vom wohlmeinenden Umfeld, das der guten Schülerin zur höheren Ausbildung riet. Der Grund, warum sie sich zur Ergotherapeutin ausbilden ließ, war ein pragmatischer: ein sicherer Job mit Handwerk als Therapiemittel. Den hatte sie dann auch, Vollzeit, Festanstellung. Dass sie damit nicht glücklich werden würde, war ihr nach zwei Jahren klar: "Ich war Bezugsbetreuerin, die handwerkliche Arbeit mit den Klienten machten aber andere."
"Mir ist das Leben im Hier und Jetzt wichtiger. Glücklich sein ist für mich das neue reich."
Mit 25 Jahren sattelte sie um auf "Design, Handwerk &materielle Kultur" an der New Design University St. Pölten und hat sich mit dem Abschluss im Sommer 2019 als Designerin selbstständig gemacht. Das Atelier teilt sie sich mit zwei anderen, und das unternehmerische Risiko muss sie nicht voll tragen, denn sie hat an der Uni eine fixe Vollzeitstelle bekommen. "Das gibt mir finanzielle Sicherheit. So kann ich mir die nächsten zwei, drei Jahre dieses Standbein in Ruhe aufbauen." Wieser ist froh, dass sie den Weg "zurück zum Handwerk" gewählt hat, das sie nicht romantisiert: "Töpferscheibe und 3D-Drucker sind bei mir gleichwertige Werkzeuge."
Materiell ist sie genügsam, bewohnt mit ihrem Freund eine 55-Quadratmeter-Mietwohnung in der St. Pöltner Innenstadt. Beim Konsum zählt Nachhaltigkeit: "Ich fahre viel mit dem Rad. Vorwiegend Secondhandkleidung zu tragen ist für mich eine Frage der Haltung." Über ihre langfristige Absicherung hat sie sich "zwar schon einmal Gedanken gemacht", aber noch nichts investiert. "Meine Mutter spart ein bisschen etwas für mich an. Mir ist das Leben im Hier und Jetzt wichtiger. Glücklichsein ist für mich das neue Reich."
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Christian Lascsak, Softwareentwickler
Lascsak hatte nie Probleme, einen Job zu finden. Er entwickelt Software, eine Fähigkeit, die von vielen Unternehmen nachgefragt wird. Deshalb war es auch während des Informatikstudiums für ihn nie schwer, Teilzeitjobs zu finden, und hat auch nie Vollzeit gearbeitet, um seine Bachelorarbeit in Ruhe zu Ende zu bringen.
Seit neun Monaten hat er eine Vollzeitstelle bei der Firma Nagarro, die er sich auf Empfehlung ausgesucht hat und erst, nachdem er deren "gutes Arbeitsklima" im Netz ausrecherchiert hatte. Neben einer ordentlichen Bezahlung sind ihm Offenheit ("kein fader Laden, viele junge Leute hier") und Flexibilität ("gute Arbeitszeiten und spannende Projekte") wichtig und - natürlich - entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten. "In der IT-Branche gibt es immer neue Entwicklungen. Ich will Wissen vertiefen und Neues lernen."
Sein letzter Arbeitgeber konnte als kleines Unternehmen nicht mit den Anforderungen mithalten: "Ich bin derzeit froh, vorwiegend in der Entwicklung zu arbeiten. Projektmanagement und Kundenkontakt würde ich für die Zukunft nicht ausschließen."
"... auch meine Generation muss etwas ausgezahlt bekommen."
Mit seiner Freundin bewohnt er eine Mietwohnung in guter Lage. "So eine zu finden war nicht einfach, ohne Makler ging das nicht." Die Umwelt ist Lascsak "schon wichtig". Bei der Verringerung seines ökologischen Fußabdrucks könnte er "schon mehr machen", gibt er zu.
Dass manche Studienkollegen Panik haben, wenn sie an ihre langfristige finanzielle Absicherung denken, hat er mitbekommen. "Ich habe während der früheren Teilzeitjobs in eine private Pensionsvorsorge investiert, das aber nach zwei Jahren wieder aufgegeben. Ich finde doch, dass auch der Staat dafür sorgen muss, dass auch meine Generation noch etwas ausgezahlt bekommt."
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