Metaller-KV in Rekordzeit besiegelt
Mit Rekordgeschwindigkeit haben sich die Sozialpartner auf einen neuen Metall-Kollektivvertrag geeinigt. Das Zeitkonto kommt und bietet Arbeitgebern und Arbeitnehmern künftig mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit. Die Überstundenzuschläge werden dabei gekürzt. Der langjährige Chefverhandler der Gewerkschaft Karl Proyer ist in der vergangen Nacht im Alter von 62 Jahren verstorben.

Wien. Der KV-Chefverhandler der Gewerkschaft, Rainer Wimmer (Pro-Ge), hat sich mit dem Ergebnis für die 120.000 Beschäftigten der Maschinen- und Metallwarenindustrie zufrieden gezeigt. "Es hat sich ausgezahlt", sagte Wimmer nach dem Ende des 24-Stunden-Verhandlungsmarathons in Wien. Die Löhne steigen ab November um 1,5 Prozent. Mit der dritten Verhandlungsrund wurde nun ein Kompromiss erzielt. Auch die Arbeitgeber sind mit der Einigung zufrieden. Trotz der "schwierigen Marktlage" wird die Lohnsteigerung als "vertretbar" bezeichnet."Das neue Arbeitszeitmodell hat deutliche Vorteile gegenüber bestehenden", betonte der Chefverhandler der Arbeitgeberseite Christian Knill. Er meinte allerdings, dass ein noch einfacheres Modell besser gewesen wäre.
Das neue dreistufige Arbeitszeitmodell mit einem Zeitkonto inklusive Zeitzuschlägen sei "sehr innovativ", so Wimmer. "Es ist ein Modell, das der Realität angepasst wurde." Es können somit mehr Überstunden als bisher angesammelt werden. Der Kompromiss sieht vor, dass die Arbeitgeber dafür nicht die geltenden vollen Überstundenzuschläge zahlen zu müssen.
Mehr Geld oder Freizeit
Der einzelne Arbeitnehmer kann selbst zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit wählen. Arbeitnehmer können sich bei der Freizeitoption anstelle der KV-Erhöhung von 1,5 Prozent mehr Freizeit im Ausmaß von zwei Stunden und 15 Minuten pro Monat nehmen - das entspricht rund dreieinhalb Arbeitstagen. Erfreut zeigte sich die Gewerkschaft auch, dass der 31. Dezember in der Maschinen- und Metallwarenindustrie künftig unter Fortzahlung des Entgeltes zur Gänze arbeitsfrei ist und somit kein Urlaubstag abgezogen wird.
Auf dem Arbeitszeitkonto können Minus- und Überstunden für ein Jahr angesammelt werden. Bis zu 167 Überstunden können auf dem Konto gesammelt werden, ab Stunde 61 bis 100 gibt es einen Zeitzuschlag von 10 Prozent und darüber hinaus einen Zuschlag von 20 Prozent. Bis zur 60. Stunde gibt es keinen Zuschlag.
Insgesamt 40 Stunden können ins nächste Jahr (Durchrechnungszeitraum) mitgenommen werden. Die restlichen Stunden müssten entweder abgebaut oder ausbezahlt werden, hieß es von der Gewerkschaft. Die Arbeitgeberseite wollte Details zum neuen Arbeitszeitmodell noch nicht kommentieren, weil noch nicht alles fixiert ist.
Mit dem neuen Arbeitszeitmodell könnten die Unternehmen laut Knill immerhin "Spitzen oder Unterauslastung besser abdecken" und "Schwankungen besser ausgleichen".
Die fixierte freiwillige Freizeitoption - mehr Freizeit statt KV-Erhöhung - und der 31. Dezember als Urlaubstag sei für die Arbeitgeberseite nicht so ein großes Thema gewesen, so Knill. Die KV-Erhöhung von 1,5 Prozent würde im Rahmen der Freizeitoption rund 3,5 Urlaubstagen entsprechen. Totz der "schwierigen Marktlage" sei der KV-Abschluss laut Knill "vertretbar".

Die Einführung der bereits öfter diskutierten Freizeitoption - also keine KV-Erhöhung und dafür mehr Freizeit - wertete Gewerkschafter Wimmer als Erfolg. Bei der Elektro- und Elektronikindustrie gibt es dieses Modell seit 2014. Der einzelne Arbeitnehmer kann selbst zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit wählen. Es bedarf hierfür einer Betriebsvereinbarung.
Auch die Lehrlingsentschädigungen sowie Zulagen und Aufwandsentschädigungen werden um 1,5 Prozent erhöht. Auf eine 6. Urlaubswoche für alle nach 25 Jahren Arbeit konnten sich die Sozialpartner nicht einigen. Das Thema bleibt aber auf der Agenda der Gewerkschaft.
Ob es vor dem Arbeitsmarktgipfel am kommenden Freitag Druck gegeben habe, sich auf einen Abschluss zu einigen, verneinte Wimmer. "Wir lassen uns von niemanden drücken."
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl lobte die "Lösungskompetenz" der Verhandler "auch in schwierigen Zeiten". "Es ist der Umsicht und Beharrlichkeit der Verhandlungspartner geschuldet, dass ein guter Kompromiss erzielt werden konnte", bedankte sich Leitl bei den Chefverhandlern Knill und Wimmer.
Selbst die Industriellenvereinigung (IV) war mit dem Ergebnis gerade noch zufrieden. Die erzielte Einigung über eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent sei "gerade noch vertretbar", erklärte der IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung. Entscheidender sei aber, dass "es endlich gelungen ist, bei der dringend notwendigen flexibleren Gestaltung von Arbeitszeiten endlich etwas weiterzubringen".
Der Abschluss gilt als Leitlinie für die kommenden Tarifvertragsverhandlungen der verbleibenden fünf Fachverbände
Chefverhandler Karl Proyer verstorben
Der langjähriger Chefverhandler der Gewerkschaft bei den traditionellen Herbstlohnrunden, Karl Proyer hat das Ergebnis der Verhandlungen nicht mehr miterlebt. Er ist in der Nacht auf Mittwoch an einer schweren Erkrankung verstorben.
Der 62-Jährige hat 1980 seine Karriere bei der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) gestartet. Von 1980 bis 1988 war Proyer in der GPA-Zentrale Wien als Sekretär der Sektion Industrie und Gewerbe tätig. Ab 1988 wurde er als stellvertretender Leitender Sekretär für den Arbeitsschwerpunkt Kollektivvertragspolitik zuständig. Ab dem Jahr 2000 war er dann Geschäftsbereichsleiter Interessensvertretung in der GPA-Zentrale und ab 2005 stellvertretender Bundesgeschäftsführer der Privatangestellten-Gewerkschaft.
Seine besondere Stärke war das Verhandeln: Wo andere verzweifelten, lief Proyer zur persönlichen Höchstform auf. Dabei kannte er viele Tricks und leitete manchmal mit überraschenden Wendungen die Verhandlungen geschickt zum von den Arbeitnehmern angestrebten Ziel.
Auch als Krisenfeuerwehr kam Proyer oft zum Einsatz, bei drohenden Kündigungen kämpfte er mit großem Engagement um den Erhalt der Arbeitsplätze. Fast immer war er gleich an mehreren Schauplätzen engagiert, in einer Verhandlungspause gab er dann telefonisch den anderen Tipps.
Während er für Arbeitszeitverkürzung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen kämpfte, schien er selber oft rund um die Uhr im Einsatz zu sein. Dass er dabei oft an seine Grenzen und darüber hinaus ging, versuchte er mit gesünderem Leben und Ruhepausen mit der Familie, im Urlaub und im Garten zu kompensieren. Für attraktive "Nebengschaftln", wie sie in Österreich bei Funktionären oft üblich sind, blieb ihm bei diesem Leben keine Zeit.
Nicht nur bei den eigenen Leuten war der sozialdemokratische Gewerkschafter beliebt und geschätzt. Auch auf der anderen Seite, bei den Arbeitgebern und ihren Vertretern, hat sich Proyer mit seinem Auftreten Respekt und Achtung erarbeitet. Heuer hatte Proyer wegen seiner schweren Erkrankung die Verhandlung bei der traditionellen Herbstlohnrunde nicht mehr anführen können. Er starb in der Nacht auf heute, Mittwoch, im Alter von 62 Jahren - während "seine" Metaller die Nacht durchverhandelten.