Stephan Klasmanns "querformat":
Schlecht im Karpfenteich

"Jede Stimme für den Möchtegern-Hecht ist eine verlorene Stimme."

Gott sei Dank! Es gibt sie noch, die echten Helden. Und sie sind bereit, für uns zu kämpfen. Wahlzukämpfen zumindest. Also eigentlich für sich
wahlzukämpfen. „Der Martin geht ran“, beschied uns dieser Tage Hans-Peter Martin, von sich in der dritten Person sprechend, um schließlich doch noch in den weniger schizophrenen Nominativ zu wechseln: „Ich wage es, erneut zu kandidieren.“ Na bumsti! Mut kann man eben nicht kaufen! Da traut sich einer doch glatt für einen Job zu kandidieren, der mit lächerlichen 7.400 Euro monatlich dotiert ist und auch noch kaum besteuert ist! Wem sollte da nicht vor Ehrfurcht die Kinnlade bis zum Bauchnabel herabsinken!

Warum, fragen wir uns also, tut er sich das an? Was treibt so einen Titan der Selbstbescheidung und vornehmen Zurückhaltung dazu, in das verstörend grelle Licht der Öffentlichkeit zu treten und für das Schöne und Gute ins Feld zu ziehen? Sollten es etwa die zahlreichen Privilegien sein, die man als EU-Mandatar genießt? Nein! Natürlich nicht! „Es muss einen Hecht im Brüsseler Karpfenteich geben“, verkündete Martin, von sich in der dritten Person als Hecht sprechend. Der Hecht steht hier symbolisch für den tapferen Krieger, der den Schwarm dumpf vor sich hin fressender Karpfen vor sich hertreibt. Hans-Peter Martin ist nämlich ein richtiger Spesenritter. Nein, nicht so, wie Sie das jetzt verstehen! Natürlich in dem Sinne, dass er ritterlich die Spesen bekämpft! Vor allem die der anderen. Das bringt ja auch viel mehr. Seine eigenen Spesen bekämpfen – da kann man nicht viel ausrichten. Aber die der anderen Abgeordneten – da sind ja über 700 Karpfen in Brüssel. Da kommt schon was zusammen, wenn man deren Spesen bekämpft.

Die heroische Dimension des Martin’schen Vorhabens wird noch durch die Tatsache gesteigert, dass der selbst ernannte Raubfisch ja praktisch völlig auf sich allein gestellt um die Gunst der Wähler buhlt. Nur 500.000 Euro betrage sein Budget, ließ Herr Hecht wissen, den Werbewert seiner serienweise in der „Kronen Zeitung“ veröffentlichten Anti-EU-Kolumnen großzügig unterschlagend. Wer liest in Österreich schon die „Kronen Zeitung“!

Martin der Held wird also ins ferne Brüssel ziehen. Dort wird er uns als hochdotierter EU-Abgeordneter von den Skandalgagender EU-Abgeordneten berichten und als Privilegierter schonungslos die Privilegien der anderen Privilegierten anprangern.

Und hier beginnt der Ernst des Lebens ebenso wie jener dieser Kolumne. Denn was wird Hans-Peter Martin bewirken, einmal unterstellend, dass er überhaupt etwas über seine persönliche Überhöhung hinaus bewirken will? Außer durch gebetsmühlenartige Wiederholung einseitig EU-kritischer Parolen ist der Vorarlberger bisher nicht aufgefallen. Zwar bleibt es jedem unbenommen, auf den Club zu schimpfen, dem er selbst angehört. Aber das ist weder besonders glaubwürdig noch effizient.

Viel klüger, als abseits des Spielfeldes trotzig herumzugeifern, wäre es, sich am Match zu beteiligen und es in größtmöglichem Maße zu beeinflussen. Für Österreich und seine Bürger ist das jedenfalls die bessere Strategie. Bislang hat Martin mit seiner Generalopposition in Brüssel absolut nichts erreicht. Und das wird auch in Zukunft so bleiben. Jede Stimme für den Möchtegern-Hecht ist daher eine verlorene Stimme. Nicht, weil es an der EU nichts zu kritisieren oder gar zu verbessern gäbe, sondern weil eine politische Opposition ein Mindestmaß an Konstruktivität braucht, um wirksam zu sein.

klasmann.stephan@format.at