Stephan Klasmanns "querformat":
Auf der Jagd nach Gordon Gecko

"Der Besitz eines großen Vermögens ist nicht per se unmoralisch."

Nachdem monatelang immer höhere Beträge für Bankenrettung, Industriestützung und Konjunkturankurbelung beschlossen wurden, beginnt es nun ganz langsam zu dämmern: Irgendjemand wird diese
Milliarden einmal zurückzahlen müssen – eine unangenehme, wenngleich realistische Annahme. Doch das offene Aussprechen unbequemer Fakten zählt nicht zu den herausragenden Eigenschaften des typischen Regierungsmitglieds.

Mit Schlagwörtern wie Reichensteuer, Vermögenszuwachssteuer oder Stiftungssteuer versuchen daher populistische Politiker zu suggerieren, die horrenden – aber notwendigen – Budgetdefizite der Jahre 2009 und 2010 könnten durch die Schröpfung der Reichen ausgeglichen werden. Damit wird gleichzeitig den unterschwelligen Rachegelüsten der Besitzlosen Rechnung getragen. Denn eine Verschwörung der Gordon Geckos, so die landläufige Meinung, hat uns in diese missliche Lage gebracht, und daher ist es nur angemessen, wenn dieses millionenschwere Pack jetzt auch für den entstandenen Schaden aufkommen muss. „Hetzt die Reichen“ hat Saison.

Doch die Verfolger der monetären Elite irren sich gleich dreifach:
Erstens trifft die allermeisten Reichen an der aktuellen Krise keinerlei Schuld. Im Gegenteil, sie sind – zumindest was die erlittenen Verluste anbelangt – die Hauptleidtragenden. Mindestverdiener haben schließlich überhaupt kein Geld zu veranlagen, und selbst der Mittelstand investiert in Österreich nicht in Aktien, sondern in Sparbücher, Anleihen oder Bausparverträge. Der Absturz der Börsen und die Betrügereien von Madoff haben – wenigstens in Österreich – die Wohlhabenden getroffen
und nicht die breite erzürnte Masse.

Zweitens ist die Schlussfolgerung, dass man böse, gierig und ausbeutend sein muss, um reich zu werden, ganz einfach falsch. Unternehmer wie Dietrich Mateschitz, Karl Wlaschek oder Novomatic-Gründer Johann Graf haben mit ihrem Pioniergeist immerhin Tausende Arbeitsplätze geschaffen. Sie sind dafür ein hohes persönliches Risiko eingegangen und fanden sich schließlich – im Gegensatz zu den meisten, die eine Unternehmerkarriere riskieren – auf der Gewinnerseite wieder. Was ist daran schlecht? Superreiche wie Bill Gates, Warren Buffett oder George Soros haben Milliarden für wohltätige Zwecke wie medizinische Versorgung, Universitäten und Katastrophenhilfe gespendet. Nicht der Besitz eines großen Vermögens ist also unmoralisch, allenfalls kann es der Einsatz desselben sein.

Der dritte Irrtum besteht darin, zu glauben, eine Besteuerung großer Vermögen könnte den arg zerzausten Staatshaushalt sanieren. Dafür gibt es ganz einfach zu wenige Reiche, und deren Vermögen sind viel zu mobil. Auch die geächteten Spitzenverdiener wie Treichl & Co machen das Kraut nicht fett: Nur etwa ein Prozent aller Steuerzahler verdient über 100.000 Euro pro Jahr. Selbst eine massive Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 60 Prozent brächte nur ein paar hundert Millionen zusätzlich ins Budget. Gegenüber den Beträgen, die für die Ankurbelung der Wirtschaft nötig sind, ist das ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Eat the rich“ mag daher für frustrierte Meinl-Anleger psychisch befriedigend sein, realwirtschaftlich ist es bloß Schonkost. Wer wird also am Ende des Tages die Konjunkturmilliarden durch höhere Steuern bezahlen? Stellen Sie sich vor einen Spiegel, wiederholen Sie die Frage, und schon sehen Sie die Antwort.

klasmann.stephan@format.at