Start-ups und Konzerne: Schnellboote und Supertanker

Etablierte Unternehmen und Start-ups sollten trotz kultureller Differenzen dringend zusammenarbeiten, meint Werner Wutscher in seinem Gastkommentar. Innovative Kooperationen sind der Zukunftsmotor der Wirtschaft.

Start-ups und Konzerne: Schnellboote und Supertanker

Der oft beklagte politische Stillstand steht in einem krassen Gegensatz zur Dynamik, die sich in der Wirtschaft zeigt: Wir leben parallel in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Technologien und Märkte verändern sich oft rascher, als das Unternehmen, Politik und Gesellschaft nachvollziehen. Wir stehen an einem ähnlichen Umbruch wie zu Zeiten der Erfindung des Buchdrucks: So wie die Renaissance das Mittelalter verdrängte, wird die digitale Revolution unsere Gesellschaft fundamental verändern. Die sogenannten "Digital Natives" kommunizieren, konsumieren und pflegen ihre Beziehungen anders, als wir es gewohnt waren.

In der Wirtschaft ist das am stärksten spürbar: In ganzen Branchen erodieren etablierte Geschäftsmodelle. In vielen Sektoren wird eine Abwehrhaltung eingenommen. Bezeichnend für die Rückzugsgefechte ist das OGH-Urteil zur Vermietbarkeit von Wohnungen durch die Plattform Airbnb. Dabei läge die Lösung so nahe: Erkennt man, dass unternehmensintern die Ressourcen für neue Geschäftsmodelle nicht da sind, weil das Management mit operativen Themen eingedeckt ist oder innovative Lösungen nicht umsetzen kann, müssen Externe ran - wachstumshungrige, innovative Nischenplayer.

Start-ups sind "Labors der Zukunft". Sie haben schon Ideen am Markt getestet, ihre Geschäftsmodelle sind an vorderster Front der technologischen Entwicklung, und ihre Gründer verstehen als "Digital Natives" die Kunden von morgen. E-Commerce revolutioniert den Handel, soziale Medien haben das Marketing neu definiert, und die "Sharing Economy" fordert ganze Branchen heraus. Aber auch Themen wie industrienahe Dienstleistungen oder Industrie 4.0 werden von Start-ups vorangetrieben.

Was Start-ups auszeichnet, ist ihre Innovationskraft in einer Nische. Sie entwickeln skalierbare Geschäftsmodelle und sind stark wachstumsorientiert. Österreichische Erfolgsbeispiele wie Runtastic oder whatchado schaffen zudem die Arbeitsplätze, die wir dringend benötigen. Was diesen "Speed Boats" fehlt, sind aber sehr oft Ressourcen und Management-Know-how, über das etablierte Unternehmen ausreichend verfügen. Der erste wichtige Industriekunde oder eine funktionierende Vertriebspartnerschaft können über Sein oder Nichtsein eines Start-ups entscheiden. Daher sind Kooperationen zwischen den "Speed Boats" und den "Supertankern" so fruchtbar: Kooperationsmodelle zwischen industriellen Leitbetrieben, KMU und Start-ups schaffen durch gezielte und strukturierte Vernetzung Innovationen, die auch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern.

In Österreich fehlen bisher Plattformen, wo sich Start-ups und etablierte Unternehmen auf Augenhöhe begegnen können. Wichtig sind maßgeschneiderte Modelle, damit aus der Zusammenarbeit wirklich eine Win-win-Situation wird. Das braucht professionelle Vorbereitung. Viele Beteiligungen etablierter Unternehmen an Start-ups scheitern etwa an kulturellen Differenzen.

Das Thema hat auch mehr politische Aufmerksamkeit verdient. Die Start-ups von heute sind die "Hidden Champions" von morgen. Die österreichische Forschungs-und Innovationspolitik hat erfolgreich viele Cluster aufgebaut. Es sollte nun in einem nächsten Schritt auf diese bestehenden Strukturen eine Welle der Spinoffs und Unternehmensgründungen folgen. Das Paradigma der Gießkanne hat ausgedient. Hier ein Ökosystem zu entwickeln, in dem möglichst viele Menschen Unternehmen gründen, die Mitarbeiter anstellen, ist vielleicht die wichtigste wirtschaftspolitische Maßnahme für die Zukunft. Die schwieriger gewordene Kreditfinanzierung erfordert auch neue Finanzierungsformen und Anreize für Privatinvestoren.

Die Karriereverläufe ändern sich. Immer mehr Manager gründen eigene Unternehmen. Vielleicht haben wir damit ja das positive wirtschaftspolitische Zukunftsthema gefunden, das in der öffentlichen Diskussion derzeit fehlt: die optimale Zusammenarbeit von Start-ups und etablierten Unternehmen. Das Ergebnis wäre ein Ökosystem, in dem erfolgreiche Kooperationen für junge Unternehmen und innovative Impulse für etablierte Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil und mittelfristig auch ein Standortvorteil für Österreich werden.

w.wutscher@nvs.co.at

Zur Person
WERNER WUTSCHER war Rewe-Vorstand und entwickelt heute als Berater Kooperationen etablierter Unternehmen mit Start-ups. Er ist Vorstand der Austrian Angel Investors Association AAIA .