Österreich hat seinen Datenskandal
Unternehmen im Geheimdienst-Modus: Der Einzelnen wird zum gläsernen Kunden, der sich ständig rechtfertigen muss.

Die Aufregung über die bösen, bösen Ami-Geheimdienste ist noch immer groß und nicht ganz unberechtigt: Diese schnüffeln, offenbar in enger Zusammenarbeit mit ihren europäischen Verbündeten, wahllos in Facebook-Seiten, Telefonprotokollen und E-Mails herum. Doch Geheimdienste sind längst nicht die Einzigen, die computergestützt Informationen über Personen verarbeiten: Wie heute bekannt wurde, überprüfen die Banken, ob Kontoeingänge vom AMS oder von einem Arbeitgeber kommen ist Ersteres der Fall, wird offenbar sofort der Überziehungsrahmen gestrichen.
Aufgeflogen ist dieser "AMS-Alarm", weil durch eine Datenpanne bei der BAWAG nicht zwischen Beziehern von AMS-Geldern und AMS-Mitarbeitern unterschieden wurde das Kontolimit wurde auch den Mitarbeitern des Arbeitsmarktservices gestrichen. Datenschützer sehen darin eine Verletzung des Datenschutzgesetzes, das eine automationsunterstützte Verarbeitung von Daten verbietet.
Wir brauchen also in Zukunft gar nicht mit dem Finger auf NSA oder andere ausländische Institutionen zeigen, wenn es um den bedenklichen Umgang mit Daten geht. Viel dringender ist die Frage, wie österreichische Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zum Datenschutz stehen. Der vom "Kurier" aufgedeckte "AMS-Alarm" bei der BAWAG ist mit Sicherheit nur die Spitze des Eisbergs. Generell sollte auch darüber diskutiert werden, wie Banken mit Menschen umspringen, die sich in einer schwierigen Lage befinden und ob die drohenden Verluste bei überzogenen Konten wirklich so immens sein können gerade im Vergleich zu Großpleiten á la Alpine Bau.
Die Verknüpfung von Konto- mit Personendaten (Kontolimit und Information, woher regelmäßige Überweisungen kommen) zeigt indes, welches Schindluder getrieben wird: Die meisten Banken finden wohl gar nichts dabei, es dient ja alles dem Risk-Management und der wichtigen Bonitätsprüfung genauso wie Versicherungen immer heikler werden, wenn es um Lebensversicherungen geht. Prinzipiell ist das ihr gutes Recht: Es geht um die Absicherung von Geschäften und die Vorgaben der externen wie internen Regelungen dafür werden immer strenger (Stichwort Franken-Kredit). Es ist aber erstaunlich und erschreckend, wie salopp und mit welcher Selbstverständlichkeit diverse Datenquellen angezapft werden können.
Das lässt für die Zukunft Schlimmes erwarten, da die Nutzung der immer rascher wachsenden Datenmengen aus unterschiedlichsten Quellen für Unternehmen und Behörden großes Potenzial verspricht (Stichwort Big Data ) aber auch große Gefahren für den Datenschutz und die Rechte des Einzelnen.
Wollen Sie, dass Versicherungen, Banken und andere Unternehmen wissen, wie hoch Ihr Blutdruck ist, welche Krankheiten Sie (oder Ihre Vorfahren) schon hatten, welchen Sport Sie ausüben, wohin Sie auf Urlaub fahren, welche Hobbys Sie haben? Sollen wirklich berufliche und private Daten verknüpft werden, damit der Arbeitgeber jedes kleinste Detail kennt? Und soll das Finanzamt erfahren, wofür Sie Ihr sauer verdientes Geld ausgegeben haben?
Wollen Sie sich ständig rechtfertigen müssen, weshalb jetzt gerade kein Geld am Konto ist, wieso Sie einen neuen Job haben, weshalb Sie letzte Woche einen Strafzettel kassiert haben, weshalb Sie im Vormonat gleich zweimal beim Arzt waren?
Die Verknüpfung von Daten ist ein schlimmer Trend, der aus uns gläserne Bürger und gläserne Kunden macht. Höchste Zeit, dass dem rasch ein Riegel vorgeschoben wird.
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