Der Staat als Bauherrenmodell

Die Hilfe für Alpine Bau-Mitarbeiter ist okay, aber noch lange keine politische Zukunftsgestaltung.

Der Staat als Bauherrenmodell

Konjunkturpaket geschnürt, Jobs abgesichert: Die Koalition kann sich zufrieden in die Sommerpause verabschieden; beziehungsweise in die Vorbereitung des Wahlkampfes. Sogar von den Oppositionsparteien kommt Zustimmung zu den eilig beschlossenen Maßnahmen in Folge der Pleite des Baukonzerns Alpine. Das Urteil der Kommentatoren fiel überwiegend positiv aus. Die Regierung hat Handlungsfähigkeit bewiesen.

Leise Skepsis, ob die Konjunktur wirklich messbar angekurbelt wird, wie sie etwa die Wirtschaftsforscher des IHS formulierten, lässt sich da für den Kanzler und seinen Vize leicht aushalten. Gegen den Bau von Wohnungen, Hochwasserschutz-Einrichtungen oder Bahntrassen ist ja schwer was zu sagen. Und an öffentlicher Unterstützung für 5.000 Alpine-Mitarbeiter führt kein Weg vorbei.

Bei aller Selbstzufriedenheit der Politik muss aber schon auch die Frage zulässig sein: Ist der immer gleiche Reflex, schnell ein paar staatliche Bauprojekte aus dem Hut zu zaubern (oder vorzuziehen), tatsächlich das Einzige, was einem zum Thema Wirtschaftsbelebung einfallen kann? Ist es wirklich der Weisheit allerletzter Schluss, Tunnels mit zweifelhaftem Nutzen zu graben, noch ein paar Straßen zu verbreitern und noch einige Dutzend Kreisverkehre in die Landschaft zu pflanzen?

Der einstige Topmanager und jetzige Präsident der Nationalbank, Claus Raidl, erlaubte sich als einziger die Anmerkung, dass die österreichische Bauwirtschaft augenscheinlich zu groß geraten ist. Ein Vergleich zeigt: Die Zahl der Beschäftigten in dieser Branche ist seit 2008 in der EU insgesamt um 10,8 Prozent gesunken, während sie bei uns mit rund 275.000 nahezu unverändert blieb. Raidl schlug eine kontrollierte Redimensionierung im Wege einer Arbeitsstiftung vor, wie das vor 25 Jahren erfolgreich in der Stahlindustrie vorexerziert wurde.

Die Regierung müsste sich längst damit beschäftigen, ob ein Teil der in Aussicht gestellten 1,5 Milliarden Euro nicht gescheiter in Umschulungen als ins "Bohren von Löchern” (Raidl) investiert wäre. Die Gewerkschaft Bau-Holz will davon zwar nichts hören. Sie besteht darauf, dass Bauarbeiten der beste Konjunkturmotor sind - was aber unmöglich stimmen kann für ein Land, das langfristig nur durch technologisches Know-how und Produktivitätsvorsprung seinen Wohlstand absichern kann. Bei allem Verständnis für die Interessen der Gewerkschaft - und ohne den Bedarf nach Wohnraum und Infrastrukturverbesserungen zu leugnen: Das ist Denken in den Kategorien der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

Aber im Kern geht es ja weniger darum, ob die Baubranche überdimensioniert ist oder nicht, sondern um das prinzipielle Problem: Die Politik setzt lieber anlassbezogene Hauruck-Aktionen, anstatt den Strukturwandel aktiv und nachhaltig zu managen. Die Alpine-Pleite ist nur ein guter Anlass, sich darauf zu besinnen. Wenn der Staat schon Geld ausgibt, das er nicht hat, dann doch wenigstens, um damit Zukunft zu gestalten. Die Realität sieht aber so aus: Ein sogenanntes Bau-Konjunkturpaket wird in einer einzigen Nacht entschieden, die Verbesserung des Bildungssystems samt neuem Lehrerdienstrecht gelingt in zehn Jahren nicht.

Eine Konjukturpolitik, die vorrangig darauf basiert, dass der Staat große Aufträge vergibt, wird auf Dauer scheitern. Zum Beispiel: Mit den mindestens fünf Milliarden Euro, die der höchst umstrittene, trotzdem noch immer geplante Brenner-Basistunnel Österreich kosten wird, ließe sich eine Menge Sinnvolleres bewegen - inklusive Qualifizierungsprogramme für Tausende Bauarbeiter.

Eine Möglichkeit, die besonders ungern in Betracht gezogen wird, wären Konjunkturimpulse, die nicht das Ausgeben von Steuergeld erfordern, sondern den Verzicht auf ebendieses. Jobs werden dann geschaffen (oder gehalten), wenn die Unternehmen investieren. Dennoch hat die Politik steuerliche Anreize, das zu tun, schrittweise ausgedünnt. Stichwort: Investitionsfreibetrag. Und Ideen, die Motivation zu erhöhen, fehlen. Dabei hat sogar Frank Stronach, der überwiegend mit schwer verständlichen Leerformeln um sich wirft, in seinem Programm dazu einen Vorschlag: eine steuerliche Differenzierung je nachdem, wieviel von ihren Gewinnen Betriebe wieder in Österreich investieren.

Ebenso liegt auf der Hand, dass eine verringerte Abgabenentlastung auf Arbeit mehr Beschäftigung bringen würde. Aber Politiker finden es natürlich weit attraktiver, mit möglichst viel Steuergeld Aufträge zu vergeben, um sich für Konjunkturpakete feiern lassen zu können.

- Andreas Lampl