Der Kanzler und der Kaufhauskönig
Werner Faymann sagt, ein Politiker muss mehr können als ein Manager. Wohlan: ein unbotmäßiger Vergleich seiner Karriere mit der Rene Benkos.

Der eine ist, wie sein Berater Wolfgang Rosam sagt, längst "too big to fail. Der andere hat das Vermögen seiner Partei (=Wählerzuspruch) so geschrumpft, dass es nur noch eine Frage der Zeit scheint, wann er fällt.
Die Rede ist vom 37-jährigen Innsbrucker Immobilientycoon Rene Benko, der dieser Tage mit der Übernahme der deutschen Karstadt-Kette den Höhepunkt seines Aufstiegs vom Dachbodensanierer zum Kaufhauskönig erlebt. Zweiter Dealmaker der Stunde ist Werner Faymann, der mit Umbildung seiner Regierungsmannschaft einen Befreiungsschlag versucht. Der 54-Jährige steht unter Druck. Die eigenen, ÖGB und AK, machen Dampf für die Einführung von Vermögenssteuern, die ihm der Koalitionspartner nicht geben will. Er selbst hat schlechte Popularitätswerte.
Verstimmt reagiert Faymann in Ö1 auf die Frage, ob das Herumgeschiebe von FunktionärInnen von einem Ressort ins nächste bedeute, dass nun keine Fachkompetenz mehr nötig sei. Politiker müssten eben mehr können als Manager, grantelt er. Fachkompetenz sei nicht "unbedingt gefragt, dafür "analytische Begabung, nicht Scheuklappen einer bestimmten Berufssparte.
Abgesehen vom wirtschaftsfeindlichen Ausritt, der die Grundhaltung der regierenden SPÖ ausdrückt: Ist es überhaupt möglich, Parallelen zwischen so verschiedenen Branchen wie Wirtschaft und Politik zu finden? Die eine meist schnell, die andere langsam, ziseliert und kompliziert - hier zumindest hat Faymann recht.
Da drängt sich ja fast ein unbotmäßiger Vergleich mit Benko auf. Seine Signa-Holding verwaltet ein Imperium von sechs Milliarden Euro, ist größter heimischer privater Immobilienbesitzer. Klar, bei solchen Karrieren ist nicht alles Gold, was glänzt. Benko ist wegen "verbotener Intervention in einem Steuerverfahren bedingt zu einem Jahr Haft verurteilt. Seine beiden Hauptinvestoren sind, sagen wir es mal so, "schillernde Milliardäre aus Griechenland und Israel. Oft wurde gemutmaßt, die rasche Expansion sei auf Sand gebaut.
Durch alle Storys über den "Goldjungen aus Tirol ziehen sich aber drei Merkmale. Erstens: Die Fachkompetenz des Schulabbrechers, der "in allen Details, ökonomisch, technisch und gesellschaftlich bewandert sei, wie der "Spiegel fast bewundernd einen Partner zitiert: "Wenn sie mit dem über den zweiten Stock des KaDeWe reden, kennt er Quadratmeterzahl und erzählt ihnen etwas über die Platzverschwendung dort. Auch das Berliner Kultkaufhaus gehört Benko.
Zweitens: Der leise auftretende Benko verfügt immer über einen Plan. Entwicklung, Finanzierung, Umgang mit Behörden, A und O im Immobiz, stehen, ehe er ein Projekt angeht. Dazu, drittens, hat er sich ein Netzwerk an Managern, Partnern, Beratern aufgebaut, das mittlerweile nicht nur in Österreich hochkarätig ist. Auch in Deutschland liest es sich wie ein Who s who - Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, Consultinglegende Roland Berger et al. Bedeutenden Anteil am Salonfähig-werden Benkos hat Alfred Gusebauer. Er steht dem Signa-Beirat vor, prüft alle Geschäfte auf Herz und Nieren. Bei der Karstadt-Sanierung kommt Gusenbauer die zentrale Rolle zu. Es geht um mehr als 80 Standorte und 17.000 Arbeitsplätze. Der Ex-Kanzler wird der skeptischen Gewerkschaft ver.di das Sanierungskonzept verkaufen müssen, Sozialpläne inklusive. Ganz Deutschland schaut dabei erste Reihe fußfrei zu.
Womit sich der Kreis schließt, sozusagen von Altkanzler zu Kanzler, beide innig verfeindet. Und sich der Unterschied zwischen Benko und Faymann herausschält. "Nur starke Führungspersönlichkeiten umgeben sich mit starken Persönlichkeiten, meint einer, der beide gut kennt. Dass der Ballhausplatz gerne Rat von außen inhaliert - das ist nicht wirklich überliefert. Hochkarätige Runden mit Wirtschaftskapitänen etc., all das, was unter Vorgängern gang und gäbe war, gibt es nicht mehr.
Ja, mehr noch: Mit Hannes Androsch, Industrieller, Citoyen, einer der wenigen in der SPÖ mit Weitblick und Internationalität, hat Faymann nun auch gebrochen. Weil Androsch Vermögenssteuern ablehnt.
Faymann: "Der würde auf einem Parteitag nicht einmal zehn Stimmen kriegen. Irrtum, Kanzler!
Vielleicht auch deshalb ist nach sechs Jahren Faymann noch immer kein "Plan für Österreich erkennbar, sondern bloßes Muddling Through. Funktioniert zwar halbwegs, zehrt aber die Substanz auf.
Was immer klappt, da ist der Kanzler dem Kaufhauskönig ebenbürtig, sind die Instinkte. Im Falle Faymanns die zur eigenen Machterhaltung. Die jüngste Regierungsumbildung ist, so gesehen, ein Meisterstück. Gewerkschaften bis zur Steuereform einmal befriedet. Aber neue Leute zu holen, Charismatiker, Experten mit Biss, daran wurde keine Sekunde gedacht.
Die hübsche Pointe an der Geschichte: Die Schicksale des Kapitalisten und auch des Sozialdemokraten liegen jetzt in den Händen der Gewerkschaften. Bei Ersterem entscheidet sich, ob die Wandlung vom immer noch etwas scheel angesehenen Immo-Tycoon zum anerkannten Großunternehmer gelingt. Bei Zweiterem geht es schlicht um die Fortsetzung der Kanzler-Karriere.