A. Weber in 'formatiert': Haider-Macher, Strache-Macher

Kann man sich überhaupt ernsthaft fragen, ob H.-C. Strache regierungsfähig ist? Man wird müssen.

Zugegeben: Obiger Titel ist ein Plagiat.

1997 veröffentlichte der verstorbene „profil“- Herausgeber Hubertus Czernin, einer der besten Journalisten, den die Nachkriegsrepublik hervorgebracht hat, ein Buch mit dem Titel „Der Haider- Macher“. Darin beschrieb er, wie eine erschöpfte große Koalition unter Franz Vranitzky durch Laisser-faire- und Nachahmungs-Politik dem Kärntner den Weg zur Macht ebnen werde. Czernin erntete damals wütende Proteste – vor allem aus dem roten und schwarzen Polit- und Wirtschafts-Establishment.

Vor etwas mehr als einem Jahr, zum zehnjährigen Jubiläum der schwarz-blauen Wende, betitelte der Gründungs-Herausgeber dieses Magazins, Christian Ortner, einen Kommentar in der „Wiener Zeitung“ so: „Haider-Macher, Strache-Macher“.

Scharfzüngig wie stets beschrieb Ortner als Erster, was dreizehn Monate später Common Sense ist: „Das Frappierende an den politischen Umständen der späten 1990er ist, dass sie jenen des Jahres 2010 in vieler Hinsicht ähnlicher sind, als man sich wünschen würde.“ Mit überschaubaren Ergebnissen mühe sich die große Koalition an den Problemen ab.

Doch aufgrund der ökonomischen Weltkrise, so Ortner, werde sich Strache „sicher nicht so tief bücken müssen wie Haider, um jene politische Ernte aufheben zu können, die ihm die Regierung gerade beschert“.

Ist es also schon wieder so weit?

Zumindest was die Meinungsumfragen betrifft, ist die Antwort watscheneinfach: Ja. FP-Chef Heinz-Christian Strache liegt in allen relevanten Untersuchungen Kopf an Kopf mit Rot und Schwarz. Nun mag man einwenden, dass es bis zur nächsten Wahl noch ein Weilchen hin ist (2013) und sich dieser Protest-Befund der Bevölkerung wieder ändern könne.

Allein die Performance der Bundesregierung – an dieser Stelle oft und oft beschrieben – will sich nicht bessern. Gestern also die Haider-Macher, heute die Strache-Macher. Mit einem wichtigen Unterschied zu damals: Der Tabubruch, die extreme Rechte in eine Regierung zu holen, wäre heute kein so großer mehr. Den hat Wolfgang Schüssel schon erledigt.

Im Inneren der Republik rumort es mittlerweile ganz ordentlich. Bei den Schwarzen geht das übliche strategische Gesumse los, wenn die Granden und Fürsten wieder einmal draufkommen, dass die ÖVP in einer großen Koalition aus der Position des Zweiten heraus nur verliert. ÖAAB-Chef Michael Spindelegger bringt sich – skeptisch beäugt von den Pröllianern – diskret als Reserveparteichef in Stellung. Der würde von der Partei mit Sicherheit Richtung Blau gedrängt werden. Der Kanzler sitzt auf dem Gerechtigkeitsthron und gedenkt nicht, sich von diesem zu erheben, um die Ärmel aufzukrempeln. Er hofft, es werde schon reichen für eine Wiederwahl.

In Bälde wird sich ein landesweit bekannter Berater, der dem Vizekanzler ab und an mit Rat und Tat zur Seite steht, ins Kanzleramt aufmachen. Inhalt der Mission: mit dem Blick von außen Faymann davon zu überzeugen, dass nur noch ein Zeitfenster von ein paar Monaten übrig ist, um mit der ÖVP echte Reformen zu säen. Unausgesprochenes Motto: Gemeinsam oder beide einsam.

Und was macht Strache? Der ist schon zwei Kopf größer als seine realen 186 Zentimeter. Er erstellt Listen mit den größten Fehlern, die Haider bei Regierungseintritt gemacht hat. Er hört sich bei Personalberatern um, die ihm ministrable Figuren zutreiben sollen. Die Personaldecke der jetzigen FPÖ ist ja noch dünner als jene der Haider-FPÖ. Er hat den blauen Uraltvizekanzler Norbert Steger als Einflüsterer reaktiviert. Kurzum: Da will sich einer regierungsfit machen.

Gegen ihn, davon ist Strache mittlerweile überzeugt, wird die nächste Regierung kaum gebildet werden können. Programmatisch brummt es noch in Straches Kopf. Außer den üblichen Schablonen kristallisiert sich nichts Neues heraus. Für Inländer, gegen Ausländer. Wobei Strache hier zwischen Guten, Serben etwa, die ihn wählen, und bösen Türken unterscheidet. Und sonst: Die Versatzstücke eines jeden Rechtspopulisten – gegen EU, Euro, böse Banken, Zwangsmitgliedschaft in den Kammern, Proporz etc.

Auch das kennen wir seit den 90er-Jahren. Anders ist nur, wie der Philosoph Rudolf Burger einmal festgestellt hat: „Haider war gebildet, scharfsinnig und hatte Charme. Strache ist da eine ganz andere Figur. Aber es ist das gleiche politische Spiel wie vor der Wende 2000 – nur mit schlechterer Besetzung.“ Wie Haider thematisiere auch Strache Themen, die das Volk beschäftigen und von den Konkurrenten tabuisiert werden, etwa Islamismus und Zuwanderung. Anstatt die realen Probleme ernsthaft zu diskutieren, ging es den Regierenden immer nur darum, wie man Haider verhindern kann. Geschichte wiederholt sich eben.

Aber kann man sich überhaupt ernsthaft fragen, ob Strache regierungsfähig ist? Der Rechtsaußen-Agitator, sozialisiert in nationalsozialistischem Umfeld, dessen „Daham statt Islam“- Kampagnen international ähnlich großes Aufsehen erregten wie Haiders Sager von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“? Diese Frage ist aus heutiger Sicht falsch gestellt: Wenn’s so weitergeht, wird man sich fragen müssen.

- Andreas Weber