Mehr Pech als Pleite - die Insolvenzwelle rollt an
Die erste Corona-Insolvenzwelle rollt. Es trifft vor allem Unternehmen, die eine nachhaltige Störung ihres Geschäftsmodells erwarten – oder die schon vorher Probleme hatten. Drei Beispiele.
Die erste Corona-Insolvenzwelle rollt. Es trifft vor allem Unternehmen, die eine nachhaltige Störung ihres Geschäftsmodells erwarten – oder die schon vorher Probleme hatten. Drei Beispiele.
Sein Steuerberater wollte ihm noch eine der Staatshilfen schmackhaft machen, doch Josef Hruby ist Profi genug, um zu wissen, wann die Zeit gekommen ist. Am 7. April zog der Eigentümer des Kinomagazins Skip den Stecker und meldete Insolvenz an. „Mit 1000 Euro aus dem Härtefonds kann ich höchstens die Internetkosten zahlen“, sagt Hruby, früher einmal Marketingchef der Bank Austria: „Überbrückungskredite, die ich dann nicht bedienen werde können, bringen mir nichts. Und Kurzarbeit ist in einer Branche, die als letzte von allen aufmachen wird, keine Option.“
PERSPEKTIVELOS. "Skip"-Eigentümer Josef Hruby (links) begriff sofort, welche Konsequenzen Corona für seine Branche haben würde: "So weh mir das jetzt tut, als Kaufmann war klar, dass ich die Notbremse ziehen muss."
Weiterführungsperspektive sieht der Verleger, dessen Magazine in Kinos, Fitnessstudios und Buchhandlungen aufliegen, keine: Bis zumindest Ende August werden Kinos in Österreich geschlossen sein, und selbst dann ist unklar, ob mit den zu erwartenden strengen Schutzauflagen das alte Leinwanderlebnis so schnell wieder herzustellen ist. Der Nachschub an neuen Filmhighlights wird obendrein dürftig sein: Die Premiere des neuen „James Bond“, der das letzte Skip-Cover zierte, könnte sogar auf 2021 verschoben werden. In der Zwischenzeit hat einen Netflix- oder Amazon-Prime-Account, wer das bisher nicht hatte. „So weh mir das jetzt tut, als Kaufmann war klar, dass ich die Notbremse ziehen muss“, sagt Hruby. Neun Mitarbeiter verlieren ihre Jobs, sie sind unter den 60 Gläubigern.
Er ist jetzt über 60 Jahre alt und hätte gerne noch ein paar Jahre mit seinem 37 Jahre alten „Baby“ Skip weiter gemacht. So kaufmännisch rational sein Entschluss war, die Reißleine zu ziehen, so sehr mischt sich angesichts der Ausgeliefertheit nun manchmal auch schon Bitternis in seine Reflexion. Hruby: „Leider werden die KMU‘s wieder einmal vergessen. Wir sind eben nicht die AUA.“
Schnelle Überbrückungskredite hätten das Unternehmen vielleicht retten können, und Engelbert Egger hat sich hat sich für diese Möglichkeit auch genau angeschaut. Der Chef von Jedek Reisen, seit 40 Jahren Anbieter für Individualreisen in Süd und Ost-Afrika, Australien und Lateinamerika, hat nach dem Ansuchen drei Wochen auf Antwort gewartet, und dann hätte seine Hausbank den Kredit nur mit einem Sicherungsvermerk bewilligt.
Egger setzte sich also mit dem Firmenanwalt und seinem Steuerberater zusammen, rechnete das Geschäftsjahr 2020 durch und kam zu dem Schluss: Es gibt keine Chance mehr. Das Unternehmen, das 2019 eines der besten Jahre seiner Geschichte hatte und auch 2020 auf Erfolgskurs stand, hat die Insolvenz angemeldet, 16 Mitarbeiter suchen einen neuen Job.
„Die Reisebranche ist natürlich speziell hart von dem Virus betroffen, und während Reisebüros, die sich auf den Mittelmeerraum spezialisiert haben, vielleicht schneller mit Erholung rechnen können, liegt das für unseren Bereich in weiter Ferne“, sagt Engelberg Egger, merkbar mitgenommen von den Entscheidungen der vergangenen Wochen. Als die österreichische Regierung Mitte März den Shutdown verkündigte, habe Australien gleichzeitig bekannt gegeben, dass für sechs Monate niemand einreisen darf, so Egger. Land um Land folgte mit Grenzschließungen, die Airlines stellten ihre Flüge ein.
Nach und nach stellte sich heraus, dass das gesamte Jahresgeschäft wegbricht. „Wir hatten aber den ganzen März damit zu tun, unsere Kunden, die gerade ihre Reisen verbrachten, zurückzuholen“, so Egger. Das erfolgte auf Kosten des Reisebüros. Hinzu kam, dass Kunden bereits geleistete Anzahlungen rückerstattet werden müssen, inklusive der Flugkosten, die das Reisebüro vorfinanziert. „Bis dann eventuell etwas von den Airlines kommt“, sagt Egger. Weil Reisebüros verpflichtend eine Insolvenzversicherung abgeschlossen haben, wissen die Kunden aber, dass sie ihre Kosten für die Pauschalreisen zurückbekommen – trotz der Insolvenz.
Egger rechnet damit, dass es in seiner Branche weitere Insolvenzen geben werde, in Deutschland seien bereit zehn Prozent der Anbieter in den Konkurs geschlittert. Was seinem Unternehmen, seiner Branche geholfen hätte? „Wenn man uns den entgangenen Ertrag für drei bis sechs Monate ersetzt hätte, nicht als Kredit, sondern als Zuschuss“, sagt Egger. Diesen hätte man aufgrund der Vorausbuchungen auch seriös ermitteln können.
Für wen – aus welchen Gründen auch immer – die staatlichen Hilfen nicht in Frage kamen, den hat oft bereits die erste Welle der Corona-Pleiten erwischt, die derzeit rollt (mit der zweiten wird im Mai/Juni gerechnet). Zum Beispiel Gabriela und Brian Johnston, die in Reichenau an der Rax mit operativem Erfolg das Seminarhotel „Marienhof“ betreiben. Sie schleppen aus einem früheren, schief gegangenen Hotelprojekt einen Schuldenberg mit sich herum, haben deswegen negatives Eigenkapital in der Bilanz stehen „und kommen deshalb für keines der Hilfsinstrumente in Frage“, erzählt Brian Johnston.
Ebenfalls einen Insolvenzantrag hat das Seminarhotel Marienhof in Reichenau an der Rax (rechts) gestellt. Für Pächter Brian Johnston kam "keines der staatlichen Hilfsinstrumente in Frage" - wegen einer unglücklichen Vorgeschichte.
Die Absage der traditionellen Reichenauer Festspiele ab Anfang Juli, eines verlässslichen Frequenzbringers für das Hotel, gab den Betreibern den Rest. Eine Woche später, am 16. April, stellten sie am Wiener Neustädter Gericht den Konkursantrag. Nun sitzen sie in ihrem gepachteten Hotel und „hüten es für die Eigentümer“, sagt Johnston.
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