Mattersburg-Bank - Geld reicht wohl nur für kleine Sparer

Die Einlagensicherungssumme übersteigt die letzten vier Bankenpleiten jeweils um das Achtfache. Ob die Einlagensicherung die 490 Mio. zurückbekommt, ist mehr als fraglich. Die Pleitefolgen für die Eigentümergenossenschafter sind unklar. Kritik hagelt es gegen die Oesterreichische Nationalbank (OeNB).

Mattersburg-Bank - Geld reicht wohl nur für kleine Sparer

Mattersburg. Die Insolvenz der Commerzialbank Mattersburg bedeutet für die Einlagensicherung einen neue Auszahlungsrekord, erläuterte Geschäftsführer Harald Podoschek am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. Rund 490 Mio. Euro würden in diesem Fall von der Einlagensicherung abgesichert. Das sei mehr als achtmal so viel wie jeweils bei den vier vergangenen Bankenpleiten - AAB AG, Trigon, Diskont und Riegerbank.

Noch nie habe die aus regelmäßigen Einzahlungen der Banken finanzierte Einlagensicherung derart viel auszahlen müssen. "Wir haben bis heute nicht ganz 400 Mio. Entschädigungszahlungen an die Sparer geleistet. In etwa betrifft es 10.400 Kunden", berichtete Podoschek. Dabei geht es um Einlagen von Commerzialbank-Sparern bis zu 100.000 Euro.

Zu den rund 490 Mio. Euro dürften noch einmal etwa 200 bis 250 Mio. hinzukommen, die nicht durch die Einlagensicherung gedeckt seien. Dies ergebe insgesamt bis zu 740 Mio. Euro. Es sei nun Aufgabe des Insolvenzverwalters, den genauen Schaden zu ermitteln und noch verwertbare Vermögenswerte festzustellen, um dann das Geld an die Gläubiger auszahlen zu können.

Die Einlagensicherung erhält als bevorzugter Gläubiger als erster Geld aus der Masse. "Ob wir die 490 Mio. zurückbekommen, ist mehr als fraglich", sagte Podoschek. Die Zahlen würden noch vom Insolvenzverwalter errechnet: "Aber grundsätzlich schaut es für die anderen nicht sehr rosig aus."

"Wenn wir nicht 100 Prozent zurückbekommen, dann gehen zweifelsohne die anderen aus der Masse leer aus", erläuterte der Geschäftsführer. Dabei handelt es sich um Großgläubiger mit Einlagen über 100.000 Euro. Anlegeranwälte, die von einem Kontrollversagen sprechen, planen diesbezüglich bereits Amtshaftungsklagen gegen die Republik.

Von einer Versorgungslücke bei Bargeld im Bezirk Mattersburg berichtete der ORF Burgenland: In der Mehrzahl der neun Commerzialbank-Gemeinden gebe es nun überhaupt keinen Bankomat mehr. Zumindest in zwei Gemeinden werde bereits über die Versorgung mit neuen Geldautomaten verhandelt.

Wertlose Aktien einer Genossenschaft

Die Commerzialbank Mattersburg hat eine Genossenschaft als Hauptaktionärin. Dabei handelt es sich um die "Personalkredit- und Kommerzialkreditvermittlungs- und Anteilsverwaltungsgenossenschaft Schattendorf-Zemendorf-Stöttera-Krensdorf-Hirm-Loipersbach-Draßburg-Baumgarten" als Eigentümergenossenschaft mit rund 3.000 Mitgliedern.

Über deren Schicksal ist bis dato öffentlich nichts bekannt. Nachdem ihre Anteile an der Bank AG (79 Prozent) mit der Insolvenz wertlos geworden sind, wird zumindest von einer entsprechenden Abschreibung ausgegangen.

Bis 1995 hatte die Bank (als einstige Raiffeisenbank Schattendorf) zu Raiffeisen gehört. Sie flog damals aus dem Sektor. Der Neustart erfolgte unter Martin Pucher als "Commerzbank Mattersburg im Burgenland AG", nach Beschwerden der deutschen Commerzbank musste sie sich auf Commerzialbank umtaufen.

Welcherart die Eigentümergenossenschaft durch den Kollaps ihrer Bank mitgerissen wird bzw. ob durch einen Wertverlust der Geschäftsanteile sogar eine Nachschusspflicht für die Mitglieder erwächst, hängt davon ab, ob die Geschäftsanteile mit einer Haftung verbunden waren, heißt es in der Finanzbranche zur APA. Mitgliederhaftungen in Genossenschaften sind in Satzungen geregelt.

Die Aufsicht über die operativ nicht tätige Eigentümergenossenschaft der Commerzialbank hat das Land Burgenland.

Ex-Rechnungshof-Chef Fiedler maßregelt OeNB

Der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) wird im Bankenskandal um die Commerzialbank Mattersburg vorgeworfen, sich zu bedeckt zu halten. Das sieht auch der frühere Rechnungshof-Präsident und ehemalige Beirat bei Transparency International Österreich, Franz Fiedler, so. Laut Fiedler ist die Nationalbank jedenfalls dazu verhalten, mit an der Aufklärung beizutragen, und das möglichst rasch.

Das deponierte der ehemalige RH-Chef am Freitag im ORF-Mittagsjournal. Seines Wissens ist bereits eine Amtshaftungsklage auch gegen die Nationalbank, wenn schon nicht eingebracht, so doch in Arbeit.

Man wisse - mit Blick auf die Abfolge der Bankenskandalen in Österreich in den letzten 25 Jahren - nicht, ob nicht eine andere Bank ebenso wackle wie die Commerzialbank Mattersburg. Es müsse auch verhindert werden, dass sich Nachahmer finden.

Die Notenbank hätte, nachdem sie 2015 bei der Commerzialbank Hinweise auf Verfehlungen gefunden und bei der Staatsanwaltschaft angezeigt habe, in den darauf folgenden Jahren den relevanten bankrechtlichen Verdachtsmomenten nachgehen müssen. Die Staatsanwaltschaft sei bei Behandlung dieser Anzeige nur in der Weise gebunden gewesen, strafrechtliche Verantwortungen zu prüfen. Ob das damals erhoben werden konnte oder nicht, werde man sehen. Er schließe das keinesfalls aus.

In der Causa seien alle Kontrollinstanzen, interne (Revision, Aufsichtsrat) wie externe (Wirtschaftsprüfer, Prüfer der Genossenschaft als Mutter, Bankenaufseher von Nationalbank und FMA) aufgerufen. Fiedler hat in Österreich den Eindruck, dass das Nebeneinander vieler Kontrollinstanzen in der Praxis oft kein Mehr ans Transparenz bringe, eher weniger. Nach Auftauchen von Verdachtsmomenten, und die seien ja auch aufgetaucht in den letzten Jahren, werde viel zu weniger der Sache im Kern nachgegangen worden. Stattdessen verlasse sich eine Instanz auf die andere, und wenn die andere nichts gefunden habe, nehme man das als Freibrief, auch selber nicht mehr zu unternehmen.

Ob Amtshaftungsklagen gegen die Republik in Sachen Mattersburg-Bank überhaupt Chancen haben? Gewisse Chancen sieht Fiedler, vor allem wenn man davon ausgehen sollte, dass Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit unterlaufen seien. Leichte Fahrlässigkeit sei im Zusammenhang mit Bankenaufsicht ja ausgeschlossen.

Es könne, so Fiedler im Mittagsjournal, durchaus sein, dass der eine oder andere Prüfer vielleicht sogar im Verbund mit der Bank bzw. den Malversationen stand - das sei aber eine reine Vermutung. Er könne dazu nichts sagen.

Bankenskandale sind für Fiedler hierzulande keine Neuerung, Er erinnerte an BAWAG, Hypo Alpe Adria oder auch an die Bank Burgenland. "In diesem Bundesland sollte man eigentlich etwas vorsichtiger geworden sein."

Im Fall der burgenländischen Commerzialbank Mattersburg ist für die Prüfung der Genossenschaft als Bankmutter die Landesregierung zuständig. Jedenfalls gebe es eine politische Verantwortung. Ob es auch eine finanzielle Verantwortung gebe, was Fiedler nicht ausschließt, wäre in näheren Erhebungen zu klären - nämlich ob von Seiten der Landesregierung alles notwendige vorgekehrt wurde, den Schadenseintritt zu verhindern oder zumindest eine frühzeitige Aufdeckung vorzunehmen.

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Zur Person. MARTIN SCHIEFER, 52, ist Gründer der auf Vergaberecht spezialisierten Kanzlei Schiefer Rechtsanwälte. Die Kanzlei beschäftigt rund
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