Magischer Trick: wie Krisen als Chancen genutzt werden können
Krisen sind Veränderungen, und Veränderungen können neue unternehmerische Möglichkeiten eröffnen. Doch worauf kommt es dabei an? In einer empirischen Untersuchung hat ein Team rund um Prof. Nikolaus Franke von der WU Executive Academy die wichtigsten Faktoren erhoben.
Sind Krisen tatsächlich Veränderungen, die neue Chancen eröffnen? Und wie können die neuen Potenziale entdeckt und genutzt werden? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Diesen Fragen ist Prof. Nikolaus Franke, wissenschaftlicher Leiter des Professional MBA der WU Executive Academy, in einer empirischen Untersuchung während des Corona-Lockdowns nachgegangen.
Der Schatz im eigenen Haus
Um Muster systematisch zu untersuchen wurden 130 Manager aus dem Umfeld des Instituts für Entrepreneurship und Innovation der WU befragt, wie sie die Corona-Krise erlebt haben und welche Faktoren für sie zur Bewältigung der Krise entscheidend waren. Von allen genannten Parametern kristallisierten sich dabei zwei besonders heraus: die eigenen Mitarbeiter einerseits und innovationsorientierte Strukturen andererseits.

Prof. Nikolaus Franke, wissenschaftlicher Leiter Professional MBA WU Executive Academy
Es zeigte sich, dass bei den 130 Unternehmen die bestehenden Lieferanten nur bei 16 Prozent entscheidend für die unternehmerische Bewältigung der Krise waren. Auch die Kunden (24 Prozent), Kooperationspartner (29 Prozent) und Staat (20 Prozent) spielten eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Der eindeutige Schlüsselfaktor war auch hier mit über 70 Prozent die Innovativität der eigenen Mitarbeiter. Ihre Kreativität und ihr Einsatz war entscheidend für den Erfolg.
"Unsere umfangreiche Untersuchung bestätigt auch die Bedeutung von agilen und innovationsorientierten Strukturen", betont Franke. Gefragt nach den wichtigsten Lehren aus der Corona-Krise war dieser Faktor mit 66 Prozent der Antworten der mit Abstand am wichtigsten, weit vor Investitionen in IT (27 Prozent): "Flache Hierarchien, Dezentralisierung und eine schnelle, lernorientierte und flexible Gestaltung von Prozessen ermöglichen es, sich verändernden Umweltbedingungen so anzupassen, dass eine Krise tatsächlich als Chance wahrgenommen werden kann."
Fallbeispiel BüBa
Ein Musterbeispiel das zeigt, wie durch Mitarbeiter-Engagement und innovationsorientierte Strukturen in der Corona-Krise ein neues Geschäftsfeld erschlossen werden konnte liefert das deutsche Büro- und Industriereinigungsunternehmen BüBa. Das mittelständische Unternehmen mit Stammsitz in Freiburg wurde bereits 2019 mit dem TOP-100-Innovationspreis ausgezeichnet.
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Zu recht, wie das Corona-Management zeigt. Bedingt durch Corona gab es im März 2020 fast über Nacht eine riesige Nachfrage nach Desinfektionsmitteln. Unternehmen, Arztpraxen und private Haushalte: Plötzlich wollte alle Welt klein portionierende Spender, um sich die Hände wirksam desinfizieren zu können. Doch eine Gelegenheit zu entdecken, genügt nicht. Man muss sie auch nutzen.
Als Reinigungsdienstleister hatte das Unternehmen große Vorräte am Desinfektionsmitteln selbst – es ist ihr zentraler „Rohstoff“. Die Pumpspender dagegen fehlten ihnen für diesen völlig neuen Markt. Im ersten Schritt wandte BüBa sich an die üblichen Lieferanten. Doch deren Kapazitäten reichten bei weitem nicht aus. Was tun? Druck machen? Abwarten? Sich dem Schicksal fügen? Einem Mitarbeiter fiel eine Lösung ein: verkauft nicht auch Ikea Spender? Sofort wurden sämtliche Ikea-Filialen kontaktiert, in ganz Deutschland und auch im angrenzenden Frankreich.
BüBa kaufte alles, was zu bekommen war. Doch wie kann man die Massen an Spendern von dort schnellstmöglich zur Zentrale zu bringen? Klassische Logistik-Dienstleister waren nicht schnell genug. Erneut ließen sich die Mitarbeiter etwas Neues einfallen und nutzten die Mitfahrzentrale für den Transport. Auch für Abfüllung und Auslieferung musste BüBa neue Wege beschreiten – im Grunde wandelte sich das Unternehmen praktisch über Nacht von einem Dienstleistungsunternehmen zu einem erfolgreichen Produktionsbetrieb. Der neue Markt wurde durch ein hohes Ausmaß an Flexibilität erschlossen, getrieben durch die unternehmerische Herangehensweise der Mitarbeiter.
Was die Ergebnisse für Unternehmen bedeuten (sollten)
Der Fall von BüBa erscheint für Untersuchungsleiter Franke prototypisch. Aus der hohen Bedeutung der Mitarbeiter und innovationsorientierter Strukturen folgt für die Management-Experten der WU Wien zweierlei:
- Erstens sollten Unternehmen weiter in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter investieren. Sie sind die Initiatoren und Treiber von Anpassungsreaktionen – oder eben die Verhinderer.
- Um dieses Potenzial zur Entfaltung zu bringen, braucht es zweitens agile und innovationsorientierte Strukturen. Kommen diese Dinge zusammen, können Unternehmen die Krise tatsächlich als unternehmerische Chance nutzen. Franke: In unserer Studie haben tatsächlich 91 Prozent der Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten identifiziert und knapp jedes zehnte sogar drastisch neue Möglichkeiten mit klarem Disruptionspotenzial entwickelt.
WU Executive Academy
Die WU Wien bündelt in ihrer Executive Academy ihr Programmportfolio im Bereich „Executive Education“. Dazu zählen MBA und Master of Laws Programme, das Universitätsstudium Diplom BetriebswirtIn, Universitätslehrgänge, Custom Programs und Kurzprogramme. Durchschnittlich 800 Graduate Students und ca. 1.200 Führungskräfte, Fachleute und High-Potentials aus über 75 Ländern werden jedes Jahr in den Programmen aus- und weitergebildet.