IV: Pandemie beherrscht Österreichs Industrie
Österreichs Industrie leidet weiter massiv unter der Corona-Pandemie. Besonders schwer haben es international aufgestellte Unternehmen. IV-Chefökonom Christian Helmenstein erwartet keine rasche Erholung und fürchtet, dass in dem Sektor weitere Personalschnitte folgen.
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer (li.) und Chefökonom Christian Helmenstein: "Die Pandemie hat die Industrie ist schwer getroffen."
Die Coronakrise macht der österreichischen Industrie weiterhin schwer zu schaffen. Der neuen Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung (IV) zufolge hat sich die Lage seit dem absoluten Tief im zweiten Quartal zwar wieder leicht stabilisiert. und das Konjunkturbarometer der IV ist wieder leicht über die Null-Linie gerutscht, liegt aber weiterhin klar unter dem Tief von 2015.
Und Die Aussichten sind trüb, wie zahlreiche weitere Indikatoren, etwa die aktuelle Geschäftslage, der Auftragsbestand, die Produktionstätigkeit und besonders die Auslandsaufträge erkennen lassen (siehe Grafik).
Pandemie am Weltmarkt
Besonders schwierig ist die Lage weiterhin für Unternehmen mit einer starken internationalen Ausrichtung. IV-Chefökonom Christian Helmenstein merkt an, dass die Unternehmen derzeit vor allem von Inlandsaufträgen leben. Die Fernmärkte sind aufgrund von Reisebeschränkungen und anderen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung immer noch sehr schwer zugänglich und die Aussicht, dass die Fernmärkte in Kürze wieder zugänglich werden könnten, gäbe es aktuell nicht.
„Skepsis ob der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung herrscht vor allem bei Industrieunternehmen mit einer hohen Exportquote sowie – paradoxerweise – besonders bei jenen mit modernen, sogenannten hybriden Geschäftsmodellen“, erklärt Helmenstein. Bei Letzteren ist der Absatz von Sachgütern mit Dienstleistungen erheblichen Umfanges, beispielsweise Wartungsleistungen oder Analytikdiensten, gekoppelt. „Bei diesen Unternehmen schlägt die nach wie vor unzureichende Erreichbarkeit insbesondere von Fernmärkten gleich dreifach negativ zu Buche: durch Ausfälle von Neu- und Folgeaufträgen, durch fehlende Deckungsbeiträge aus der Dienstleistungskomponente, da diese nicht vor Ort erbracht werden können, sowie in Form von Rechtsrisiken.
Vor allem die USA als wichtigster Fernmarkt für die heimische Industrie ist derzeit "so gut wie nicht erreichbar", so Helmenstein. Dementsprechend seien auch die Produktionserwartungen "sehr vorsichtig disponiert".
Problemfeld Arbeitsmarkt
Etliche heimische Vorzeige-Betriebe sind von der Flaute im internationalen besonders hart getroffen, und Helmenstein befürchtet daher, dass sich deren schwierige Lage in den nächsten Monaten auch wieder am Arbeitsmarkt niederschlagen wird. In etlichen Bereichen der Industrie droht nun ein weiterer Beschäftigungsabbau. Die vor der Krise in der Hoffnung auf einen weiteren Wirtschaftsaufschwung aufgebauten Personalstände dürften kaum zu halten sein.
Je länger die Krise andauert, desto mehr leidet die produzierende Industrie unter dem Auftragsmangel und dem fehlenden internationalen Geschäft. Gleichzeitig fehlen der Industrie aber nach wie vor qualifizierte Mitarbeiter. Der Fachkräftemagel ist weiterhin eklatant. Jedes 14. Industrie-Unternehmen sucht Personal.
Politik ist gefordert
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer verweist auf einige Maßnahmen, die aus Sicht der IV im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit getroffen werden müssen. Die Corona-Kurzarbeit habe in der Krise zwar einen noch stärkeren Anstieg der Arbeitslosenquote verhindert. Dennoch brauche es Neu- und Umbildungsprogramme für Arbeitskräfte, deren Branchen nach der Krise nicht mehr zurückkommen werden - beispielsweise in der Reisebranche. Die von der Regierung geplante Arbeitsstiftung sei demnach zu begrüßen.
„Die Corona-bedingte konjunkturelle Entwicklung hat naturgemäß Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt. Nachhaltiges Wachstum ist der einzig mögliche Weg aus der Krise, auf dem Arbeitsplätze wiederaufgebaut werden können. Dafür braucht es Wachstumsimpulse“, betonte Neumayer. Aus Sicht der Industrie gibt es fünf zentrale Hebel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit:
- Belebung der Konjunktur durch gezielte Wachstumsimpulse
- Entlastung von Menschen und Unternehmen im Bereich Steuern- und Abgaben, Bürokratie und Regulierung
- Betriebsnahe Qualifizierungsmaßnahmen
- Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte und Fachkräfteoffensive
- Anreize bzw. Vermeiden von Fehlanreizen bei der Arbeitslosenversicherung
Die von der Regierung eingeführte Investitionsprämie hält der IV-Generalsekretär für ein wichtiges Instrument, das eine starke Hebelwirkung in der Industrie hat. Neumayer plädiert daher für eine Verlängerung der Investitionsprämie. Aktuell kann sie bis zum 28. Februar 2021 beantragt werden - für Investitionen, die ab 1. August 2020 getätigt werden. Auch eine Streckung des Zeitraums, für den die Prämie beantragt werden kann, sei sinnvoll.
Ausblick: es bleibt trüb
Nach den Dienstleistungssektoren und dem Tourismus sieht IV-Chefökonom Helmenstein die Industrie als die von der Coronakrise am drittstärksten betroffene Branche in Österreich. Er beziffert den Wertschöpfungsverlust des Sektors mittlerweile mit acht Milliarden Euro.
Das positive Konjunkturbarometer für das dritte Quartal - es stieg auf plus 6,1 Punkte, nach minus neun Punkten im 2. Quartal 2020 - dürfe nicht als Zeichen einer Erholung gewertet werden. Es ergebe sich vor allem aus der aufgehellten Einschätzung der Lage im Vergleich zum Vorquartal. "Die weiteren Aussichten blieben trüb", betont der Ökonom.