Frankfurt/Wien. Die Europäische Zentralbank (EZB) wirft die Gelddruckmaschine an und wird die Geldschleusen weit öffnen. Von März 2015 bis Ende September 2016 wird die EZB pro Monat 60 Milliarden Euro Anleihen kaufen. Das sind insgesamt 1,14 Billionen Euro - oder 1140 Milliarden Euro. Damit übertrifft die EZB auch die Erwartungen aller Experten, die mit minimal 500 Milliarden und im allerbesten Fall mit 1,0 Billionen Euro gerechnet hatten.
Der Leitzins im Euroraum bleibt unverändert auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent. Mit neuem Geld will die EZB mit dem Programm Quantitative Easing (QE) Anleihen in verschiedenen Ländern kaufen. Dazu zählen laut EZB-Chef Draghi unter anderem Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 2 bis 30 Jahren, Anleihen von EU-Institutionen und Unternehmensanleihen. Mit dem Programm will die EZB der Konjunktur neue Impulse verschaffen und die drohende Deflation abwenden.
Bis Ende September 2016 soll laut EZB-Entscheid das Anleiheprogramm laufen. Laut EZB-Chef Draghi soll sie aber so lange fortgeführt werden bis eine Inflation von rund zwei Prozent erreicht wird. Derzeit ist die Teuerungsrate in der EU bei 0,2 Prozent. Damit hält sich die EZB die Tür für weitere geldpolitischen Interventionen über September 2016 hinaus offen - und zwar so lange bis das EZB-Ziel wirklich erreicht ist.
Die Aufteilung der Anleihekäufe auf die einzelnen Euroländer richtet sich nach dem Landesanteil am EZB-Kapital (Bevölkerungsanzahl und Wirtschaftsleistung). Deswegen werden vor allem deutsche Bundesanleihen gekauft, gefolgt von französischen und italienischen Papieren.
Nur 20 Prozent der Anleihekäufe unterliegen einer gemeinsamen Risikohaftung. Dazu zählen die Anleihen von EU-Institutionen, auf die zwölf Prozent der Käufe entfallen sollen.
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Das sagen Experten zum Anleihenkauf der EZB
Der Euro hat nach der Ankündigung des umfassenden Anleihenkaufprogramms deutlich nachgegeben und ist unter die Marke von 1,15 Dollar gefallen. Am Donnerstag gegen 15.15 Uhr notierte der Euro bei 1,1482 Dollar. Noch während der Pressekonferenz reagierte der Euro mit Ausschlägen nach oben und unten. Der Euro ist zum Schweizer Franken um bis zu 1,3 Prozent auf 0,9847 Franken weiter abgerutscht.
Das frische Geld soll der Konjunktur in den Euro-Ländern auf die Sprünge helfen, da die Wirtschaft in der Euro-Zone kaum noch gewachsen ist und auch die Kreditvergabe durch die Banken bescheiden war. Seit dem Jahr 2012 ist die Vergabe von Krediten nicht mehr richtig in Schwung gekommen.
Die EZB kauft die Anleihen von Banken, Versicherungen oder Fonds. Sie sollen das erlöste Geld wiederum in andere Wertpapiere wie Aktien und Firmenanleihen investieren. Damit will die EZB die zuletzt gestiegenen Renditen auf langfristige Staatsanleihen drücken und somit diese langfristige Anlagen unattraktiv machen. Das Geld soll somit über die Banken, die Anleihen von der EZB kaufen, in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weitergeben. Investitionen von Unternehmen sowie der Konsum der Verbraucher sollen wieder in Schwung kommen. Zuletzt schrumpfte in vielen Ländern die Wirtschaft. Die Vergabe von Krediten kam zum Erliegen. Und Konsumenten hatten ihre Einkäufe aufgeschoben, weil sie glaubten, die Preise würde weiter sinken. Die Deflationsgefahr ist gestiegen.
Die Börsen im Plus - Bonds sacken ab
Die Börsen haben nach der EZB-Mitteilung durch EZB-Chef Mario Draghi rasch reagiert. So wie es sich die EZB eigentlich auch für die Zukunft verspricht. Europas Börsen notierten einheitlich mit einem kräftigen Plus, nach einer sichtbaren Nervosität und Zurückhaltung der Anleger am Donnerstagvormittag. Die Renditen von 10-jährigen italienischen und spanischen Bonds sind umgehend gefallen, was auch ein Ziel der EZB-Geldpolitik ist. Die Aktien von Banken im Europaraum notierten umgehend im Plus.
Der ATX in Wien notierte mit einem Plus von 0,88 Prozent. Die RBI-Aktie legte kurz nach Bekanntgabe der EZB um 6,8 Prozent im Plus. Erste Bank notierte gegen 15 Uhr mit 2,4 Prozent Zuwachs.
Falls die Wirtschaft anspringt und das Wachstum wieder steigt, würde die EZB somit den Preisverfall zumindest vorerst einbremsen und die Gefahr einer Deflation bannen.
Allerdings: Dies ist nur die eine Seite der Medaille. Experten fordern neben dem QE auch, dass die einzelnen Staaten auch Investitionsprogramme schnüren, etwa Infrastrukturprojekte anschieben oder den Wohnungsbau. Gleichzeitig sollen auch die Reformen gerade der Länder in Südeuropa fortgesetzt werden.
Die Wirkung von Anleihenkäufen entzweit sowohl Volkswirte als auch Notenbanker, weil die Zinsen bereits sehr niedrig sind. Die EZB hat ebenso angekündigt, den Leitzins weiterhin auf dem Tiefststand bei 0,05 Prozent zu belassen. "Die Impulse eines weiteren Zinsrückganges auf die Investitionen werden daher gering ausfallen", urteilt etwa die Deutsche Kreditwirtschaft.
Kritiker hegen Zweifel, dass das Geld aber nicht dort ankommt, wofür es gedacht ist, sondern in Aktien zum Spekulieren verwendet oder in Immobilien gesteckt wird. Ebenso wird befürchtet, dass mit dem neuen EZB-Geld der Reformeifer in den Krisenländern eingebremst wird, wenn sie den Staaten in großem Stil Schuldscheine abkauft - und damit deren Kosten zur Aufnahme neuer Schulden drückt.
Klage gegen die EZB
CSU-Politiker Peter Gauweiler will erneut die EZB-Politik vor das Bundesverfassungsgericht bringen. Er kündigte noch vor der erwarteten Ankündigung über milliardenschwere Staatsanleihekäufe an, vorsorglich eine Klage vorbereiten zu lassen. Die EZB werde mit dem Programm ihr Mandat überschreiten und gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen.
"Es sieht so aus, dass die EZB schon wieder den Banken in den Krisenstaaten faule Papiere abnehmen und die Risiken den europäischen Steuerzahlern aufbürden will", hieß es in einer Mitteilung Gauweilers. Der Bundeshaushalt werde mit Haftungsrisiken in riesiger Milliardenhöhe belastet, ohne dass der Bundestag dem zugestimmt habe.
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