Covid-Impfstrategien - Der Schutz aus der Chefetage
Österreichs Unternehmenschefs arbeiten an ihrer eigenen Impfstrategie. Rückenwind bekommen sie dabei von der WKO - denn Lockdowns sind ein teurer Zeitvertreib.
Montag ist Testtag: Luftfahrtzulieferer F/List aus Niederösterreich hat sich das Motto "Testen, testen, testen" der Weltgesundheitsorganisation WHO auf seine Fahnen geheftet. Nicht nur den Mitarbeitern, auch Kunden und Geschäftspartnern werden Testungen vor Meetings am Unternehmenssitz angeboten. Gleiches Bild bei FACC: Auch die Mitarbeiter des oberösterreichischen Aerospace-Konzerns werden flächendeckend seit November durchgetestet. "Die Tests stoßen auf eine hohe Akzeptanz bei der Belegschaft, 99,7 Prozent haben an den Testungen in der Dienstzeit teilgenommen", heißt es von FACC. "Die Präventivmaßnahmen im Unternehmen greifen: Es sind zum externen Vergleich überproportional wenige positiv."
Die ständigen Tests sehen die Unternehmen als Vorsichtsmaßnahme, aber auch als Vorbereitung auf die Impfphase. "Da wir als Baumit allein am Standort in Wopfing mehr als 600 Mitarbeiter haben, war es für uns äußerst wichtig, gleich zu Beginn Maßnahmen zu setzen, um die Produktion nicht zu gefährden", sagt Gerald Prinzhorn, CEO des Baustoffriesen Baumit Group. "Deshalb wurden schon früh eigene Testkits gekauft. Durch weitere Hygienemaßnahmen und Vorkehrungen konnten größere Ausfälle glücklicherweise vermieden werden."
Testen und Impfen: Auch für Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), sind dies "derzeit die beiden Konzepte, die uns wirkungsvoll helfen werden, um wieder öffnen zu können", wie er sagt (siehe Interview mit WKÖ-Präsident Mahrer). "Aus Sicht der Wirtschaft müssen betriebliche Testungen rasch in eine nationale Test-und Impfstrategie integriert werden." Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), bestätigt: "Eine kluge Teststrategie ist der richtige Ansatz, um die Ausbreitung der Infektionen und die Corona-Beschränkungen nachhaltig verringern zu können."
IMPFEN AM ARBEITSPLATZ. Tests sind zudem die beste Basis, um die Infrastruktur für die Impfstrategien der Unternehmen aufzubauen. Diese werden gerade erstellt: Alle, die laufend testen, arbeiten zugleich daran, wie sie ihrer Belegschaft Impfungen direkt am Arbeitsplatz verabreichen können. Denn sie wissen: Eine ausreichende Durchimpfung der Mitarbeiter verhindert besser als jeder Test größere Ansteckungscluster und das mögliche Ausfallen ganzer Abteilungen.
Österreichs Unternehmenschefs haben daher das Ziel, möglichst bald zu Impfdosen zu kommen. "Jetzt ist es für uns kritisch, mit unserem internationalen Personal so rasch wie möglich wieder ins Ausland fahren zu können, da wir in Europa mehr als 50 Standorte betreuen", sagt Prinzhorn, "deshalb versuchen wir, im März noch genügend Dosen zu bekommen, die dann von unserem Werksarzt sofort verimpft werden können."
Wir wollen Covid-Impfaktionen aktiv anbieten und durchführen und so einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten.

Auch bei FACC bemüht man sich um viele Impfdosen und will bei der Verabreichung auf vorhandene Gesundheitsinfrastruktur im Unternehmen bauen: "Wir wünschen uns eine möglichst frühe Impfmöglichkeit und können Impfungen betriebsintern durchführen", heißt es aus Ried. "Der Impfvorgang ist seit Jahren aufgrund der betrieblichen Grippeimpfung sehr gut eingespielt und die vier Betriebsärzte könnten innerhalb weniger Tage die gesamte Belegschaft impfen."
F/List-Chefin Katharina List-Nagl setzt ebenfalls auf die Arbeitsmedizin im Haus: "Wir wollen, wie schon bei den Grippeimpfungen, Covid-Impfaktionen aktiv anbieten und durchführen. Eine logische Maßnahme, um einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten und unsere Geschäftsfähigkeit aufrechterhalten zu können."
RUN AUF DEN IMPFSTOFF. Die WKO rechnet vor: Es wäre möglich, in rund 2.400 Betrieben mehr als 500.000 Menschen zu impfen - ein wichtiger Beitrag für die baldige Erreichung von ähnlich hohen Durchimpfungsraten in der Gesamtbevölkerung, wie sie etwa aus Israel vermeldet werden. Nicht nur der Mittelstand, auch Großkonzerne mit Zehntausenden Mitarbeitern wie OMV, Telekom, ÖBB oder Asfinag folgen daher dem Aufruf der WKO und wollen auf betrieblicher Ebene impfen.
Private Bestellungen nehmen Pfizer oder Moderna allerdings nicht entgegen. Während der staatsnahe Sektor den Impfstoff direkt über die Bundesbeschaffungsagentur bestellt, sind etwa 600 private Unternehmen als kritische Infrastruktur gelistet, die nach Freischaltung durch die Bundesbeschaffungsagentur Impfdosen abrufen können. Wer als kritische Infrastruktur gilt, ist allerdings nicht bekannt. Viele Unternehmen versuchen daher nun, über ihr Netzwerk bevorzugt an die ersten Lieferungen zu kommen. Und sie bereiten sich auf die Zeit vor, wenn größere Mengen an Impfdosen zur Verfügung stehen.
Wir versuchen, im März noch genügend Dosen zu bekommen, die dann von unserem Werksarzt sofort verimpft werden können.

Eine Impfpflicht im Job wird es allerdings nicht geben, auch wenn die Unternehmenschefs wissen, dass es in einer Welt, in der es von dubiosen Verschwörungstheorien nur so wimmelt, immer Mitarbeiter geben wird, die vorerst abwinken: "Es ist natürlich jedem Mitarbeiter freigestellt, ob er an der Impfkampagne teilnimmt oder nicht", betont der Baumit-CEO.
Um die "Nadelangst" zu bekämpfen, sind allerdings Incentives angedacht, ähnlich den Corona-Prämien, die Ende 2020 in vielen Unternehmen an die Belegschaft ausgeschüttet wurden. "Die Möglichkeit von Incentives wird evaluiert", bestätigt auch List-Nagl.
KOSTEN ABFEDERN. Nicht nur die Mitarbeiter, auch die Unternehmen sollen finanziell unterstützt werden, wenn sie ihren Beitrag leisten, fordert die Wirtschaftskammer. Auch die IV unterstützt diesen Kurs. Denn die Kosten summieren sich. Ein einfacher Antigen-Schnelltest kostet in der Regel bereits fünf bis zwölf Euro, dazu kommen Aufwendungen für das medizinisch geschulte Personal und die Schutzausrüstung.
Je nach Anbieter muss pro Stunde für eine Teststraße mit 130 bis 450 Euro gerechnet werden. Bei den Impfungen kommen noch die Kosten für Transport und Lagerung bei konstanten Kühltemperaturen hinzu. WKO-Präsident Mahrer fordert daher einen Kostenersatz beziehungsweise Zuschüsse für betriebsinterne Tests und spätere Impfungen.
Unternehmen bei ihrer eigenen Test- und Impfstrategie finanziell zu unterstützen, ist jedenfalls gut investiertes Geld: Nichts ist so teuer wie Lockdowns. Laut WKO-Berechnungen summieren sich die Kosten auf rund 1,7 Milliarden Euro - pro Woche, wohlgemerkt.
Allein im Handel sowie im Tourismus fehlen jede Woche mehr als 750 Millionen Euro an Umsatz, aber auch produzierende Betriebe klagen über massive Umsatzausfälle. Was Unternehmen in der Lockdown-Phase noch mehr schmerzt, ist aber die fehlende Planbarkeit. Und genau diese kann durch rasche Impfungen wiederhergestellt werden - eine wichtige Perspektive für die Zukunft und ein entscheidender Schritt auf dem Weg in die Normalität.