IfW-Chef Felbermayr warnt vor einem zweiten Lockdown
Ein erneutes Herunterfahrens des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft infolge steigender Corona-Infektionszahlen, würde erneut massiven wirtschaftlichen Schaden bringen. Kritik übt IfW-Präsident Felbermayr an der Kurzarbeitsregelung. Und vertanen Chancen der Politik im Sommer.
Gabriel Felbermayr warnt vor einem erneuten Runterfahren der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens.
München. Der Kieler Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr warnt vor einem zweiten Lockdown zur Bekämpfung der Coronapandemie. Wenn es wieder zu einem Herunterfahren des öffentlichen Lebens käme, drohten wirtschaftliche Schäden im gleichen Ausmaß wie im Frühjahr, sagte der aus Österreich stammende Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) am Donnerstagabend im Münchner Club Wirtschaftspresse.
Im zweiten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um knapp zehn Prozent eingebrochen. Felbermayr forderte, Schul- und Grenzschließungen müssten unbedingt vermieden werden. Er warf der deutschen Regierung Versäumnisse im Umgang mit der Pandemie vor: "Die Politik muss besser verstehen: Was hat im Lockdown wirklich was gebracht?" Sie habe aber versäumt, das im Sommer zu evaluieren.
Ein Lockdown sei in den revidierten Konjunkturprognosen für das laufende und das nächste Jahr nicht berücksichtigt, "jedenfalls nicht mit dem gleichen wirtschaftlichen Schaden", warnte der IfW-Chef. Die Erholung der Wirtschaft habe sich zuletzt bereits verlangsamt. "Das V ist zu einem Häkchen geworden", sagte er in Anspielung auf die Kurve der Wirtschaftsentwicklung.
Kritisch sieht Felbermayr das in der Krise auf bis zu 24 Monate verlängerte Kurzarbeitergeld. "Das Kurzarbeitergeld ist eine Brücke - aber eine Brücke braucht auch zwei Ufer, sonst führt sie ins Nirwana." Es sei für Branchen wie den Tourismus geeignet, der sich nach der Pandemie wieder erholen werde, sei aber untauglich für Branchen mit strukturellen Problemen wie die Autoindustrie oder die Luftfahrt.
Um Mitnahmeeffekte beim Kurzarbeitergeld zu verhindern, plädiert der IfW-Präsident für einen Selbstbehalt der Unternehmen, die dieses Instrument nutzen.
Massenarbeitslosigkeit droht nach seiner Einschätzung auch nach der Krise nicht. Die demografische Entwicklung komme dem Land entgegen. "Wir haben das Glück, dass Deutschland in einen schrumpfenden Arbeitsmarkt hineinläuft." Letztlich werde nur die Zahl der Erwerbstätigen schneller sinken als gedacht.
Was die laufenden Brexit-Verhandlungen der Europäischen Union mit Großbritannien angeht, äußerte sich der Wirtschaftsforscher skeptisch. "Die Zeit ist so weit fortgeschritten, dass man zu einer guten Einigung gar nicht mehr kommen kann." Felbermayr geht aber davon aus, dass auch unter einem harten Brexit nur ausgewählte Branchen wie die Autoindustrie leiden würden, deren Produkte mit Einfuhrzöllen belegt würden. Bei vielen anderen Gütern werde der britische Premierminister Boris Johnson dagegen wohl auf Zölle verzichten und keine neuen Handelsbarrieren aufbauen. "Wie schlimm der Brexit wird, hängt maßgeblich davon ab, wie London ihn interpretiert", sagte Felbermayr.