Home-Office: Nutzung verdoppelt, aber Vertrauen der Chefs fehlt
Unternehmen haben in den vergangenen zwei Jahren bei der Möglichkeit Home Office zu nutzen, kräftig aufgerüstet. Immer mehr nutzen das auch. Aber noch dürfen es meist Mitarbeiter nur vereinzelt. Woran es krankt und wozu Experten raten.
Bisher gewähren Firmen Mitarbeitern meist erst vereinzelt die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten.
Adrett gekleidet im Büro zu sitzen und dort stur seine Arbeit herunterklopfen, ist für viele Mitarbeiter längst nicht mehr die die einzige Form des Broterwerbs. Sie wollen ihren Job auch von zu hause oder von irgendwo unterwegs aus erledigen können.
Doch wie häufig wird Home Office von österreichischen Unternehmen tatsächlich angeboten und wie häufig wird es letztlich auch genutzt? Werden für die neue Arbeitswelt bestimmte Spielregeln aufgestellt? Wie gehen Unternehmen mit dem Thema um? Die Unternehmensberater von Deloitte Österreich haben gemeinsam mit der Universität Wien und der Universität Graz den Status quo zu flexibler Arbeitsmodellen in heimischen Unternehmen erhoben. 214 Führungskräfte und Personalisten nahmen an der österreichweiten Befragung teil.
Meistens wird nur einer bestimmten Gruppe von Mitarbeitern Home Office angeboten
So manche Ergebnisse lassen staunen. Die Büros sind alles samt gut gefüllt und scheinbar jeder macht sich in der Früh auf, um in die Firma zu fahren. Aber laut Studie bieten bereits 97 Prozent der befragten Unternehmen Mitarbeitern bereits die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten. 2017 waren es noch 90 Prozent. Insgesamt wird Home Office tatsächlich immer mehr zur gängigen Praxis.
Wenn das Thema auch noch in den Kinderschuhen steckt. 59 Prozent der Unternehmen ermöglichen derzeit nur genau definierten Zielgruppen, mobil zu Arbeiten. Vor zwei Jahren waren es erst 43 Prozent.
Müssen bessere Angebote geschaffen werden
Nur 11 Prozent der Befragten erlauben es allen Mitarbeitern
Wenn das Engagement der Unternehmen in dieser Hinsicht schon noch verhalten ist. Noch immer beträchtliche 38 Prozent der Unternehmen ermöglichen Home Office nur wenigen Einzelpersonen, wenn auch hier bereit ist moderne Wege zu gehen. 2017 lag der Anteil noch bei 47 Prozent.
Nur elf Prozent der befragten Unternehmen bieten allen Mitarbeitern des Unternehmens ein Home Office an. 15 Prozent der Studienteilnehmer gesteht eine solche Lösung 75 Prozent ihrer Mitarbeiter zu. „Hier gibt es eindeutig Potenzial, Möglichkeiten auszuweiten und bessere Angebote zu schaffen, von denen mehr Mitarbeiter profitieren“, so Christian Havranek von Deloitte.
50 Prozent der Mitarbeiter nehmen Angebot zu Heimarbeit an
Insgesamt nimmt aber der Anteil der Heimarbeit stark zu. Hat sich dieser Anteil in den letzten zwei Jahren doch mehr als verdoppelt. Knapp 50 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass mehr als die Hälfte der Mitarbeiter die Möglichkeiten auch tatsächlich nutzen. 2017 waren es erst 20 Prozent.
Dass Home Offices auf dem Vormarsch sind zeigt sich auch daran, dass 23 Prozent der Unternehmen in den vergangenen beiden Jahren die Möglichkeit geschaffen haben, unabhängig vom Ort zu arbeiten.
Techfirmen am aufgeschlossensten
Im Branchenvergleich ist die Technologie- und Telekommunikationsbranche bei Home Offices wie bereits in der Vergangenheit Vorreiter.
60 Prozent der Firmen bieten mit flexiblen Arbeitsplätzen
Vergleichsweise hoch ist die Verbreitung von flexiblen Arbeitsplatzkonzepten, oft „Activity-Based Working“ genannt. Hier geben knapp über 60 Prozent der Befragten an solche flexible Arbeitsplätze etabliert zu haben. Vor allem große Unternehmen entscheiden sich für flexible Arbeitsplatzkonzepte.
Jüngere erwarten Home-Office-Möglichkeit
„Home Office hat sich in Österreich etabliert. Vor allem die jüngeren Generationen erwarten sich diese Möglichkeit vom Arbeitgeber“, sagt Barbara Kellner, Managerin bei Deloitte.
Home Office ohne Begründung häufiger
Während früher Home Office häufig damit begründet wurde Mitarbeitern lange Pendelzeiten oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, steht es mittlerweile Mitarbeitern auch ohne diese Gründe offen.
Bisher keine genau definierten Regeln
Wie das Arbeiten von zu hause gehandhabt wird, ist vielfach jedoch ungeregelt. Denn für das Home Office gibt es in der Unternehmenspraxis häufig keine Spielregeln. Oft wird nur eine maximale Anzahl von Tagen definiert. Laut den Studienautoren werden Einzelfälle geregelt oder man lässt den Führungskräften komplett freie Hand. „Für einen erfolgreichen Umgang mit Home Office sind aber einheitliche Regeln nötig. Die Erwartungen wann Mitarbeiter erreichbar sein müssen, soll genau definiert sein und ein gemeinsames Verständnis herstellt werden“, rät Deloitte-Expertin Keller.
Mitarbeiter trauen sich nicht das Angebot wahrzunehmen
Leistung wird oft mit Anwesenheit gleichgesetzt
„Home Office wird zum Problem, wenn Anwesenheit mit Leistung gleichgestellt wird. Mitarbeiter trauen sich dann nicht das Angebot wahrzunehmen“, warnt die Deloitte-Managerin.
Firmen setzen auf zusätzliche Kontrolle
Auch das mit dem Vertrauen ist so eine Sache. Während 75 Prozent der Befragten angeben, Mitarbeitern viel Vertrauen entgegen zu bringen, sagen auf der anderen Seite lediglich 60 Prozent, dass es egal ist, ob eine Aufgabe im Büro oder woanders erledigt wird. In 39 Prozent der Unternehmen gibt es sogar zusätzliche Kontrollmechanismen.
Vertrauen bedeutet, Kontrolle aufzugeben
„Vertrauen bedeutet, Kontrolle aufzugeben. Im Hinblick auf flexibles Arbeiten versuchen aber manche Unternehmen, durch verschiedenste Maßnahmen wieder mehr Kontrolle zu erlangen“, analysiert Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wien. „Die Unternehmen müssen das Loslassen lernen und innerhalb eines klar kommunizierten Regelwerks eine gesunde Vertrauenskultur entwickeln. Nur so können sie als zeitgemäße Arbeitgeber attraktiv bleiben.“