Geldmenge steigt rasant - was das für die Inflation bedeutet
Die Inflationsrate in der Eurozone nähert sich dem Nullpunkt. Gleichzeitig zieht die Geldmenge merklich an, diese ist für die Stabilität des Euro und die Entwicklung der Inflation essentiell. Wann eine gestiegene Geldmenge kritisch für die Inflation wird und wie die EZB reagiert hat.
Die EZB hat wie viele andere Notenbanken die Märkte mit Geld geflutet. Welcher Indikator zeigt, wann die Inflation anspringen könnte.
Die Europäische Zentralbank (EZB) befindet sich in einer schwierigen Situation. Die Inflation ist seit Jahresbeginn massiv abgestürzt und lag im Juli gerade einmal bei 0,4 Prozent. Im August soll die Inflationsrate nach einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat auf minus 0,2 Prozent gesunken sein. Sinkende Verbraucherpreise sind jedoch ein potenzielles Risiko für die Konjunktur. Sie können eine Abwärtsspirale auslösen, wenn Verbraucher und Unternehmen auf weiter fallende Preise spekulieren und Investitionen immer weiter nach hinten schieben. Zum anderen hat der Euro in den vergangenen drei Monaten deutlich aufgewertet und steht nun bei 1,18 Euro/Dollar. Ein teurer Euro senkt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die Produkte exportieren und drückt zusätzlich zur Corona-Krise auf die Konjunktur.
Der EZB bleibt kaum noch Handlungsspielraum: Sie hätte den Einlagenzins für die Banken, die bereits seit Längerem im negativen Bereich sind, und derzeit bei minus 0,5 Prozent liegen, weiter senken können oder die Hilfsprogramme noch weiter erhöhen können. Die Auswirkungen beider Maßnahmen gelten nach Einschätzung von François Rimeu, Chefstratege bei La Française Asset Management, als gering und Nebenwirkungen von noch größeren Hilfspaketen könnten langfristig beträchtlich sein. Trotz bedenklich niedriger Inflation und des beispiellosen Konjunktureinbruchs in der Corona-Krise legen Europas Währungshüter deshalb vorerst nicht nach. Der Rahmen des Notkaufprogramms bleibt unverändert bei 1,35 Billionen Euro in Staats- und Unternehmensanleihen bis mindestens Ende Juni 2021. Volkswirte schließen aber dennoch nicht aus, dass die EZB ihr Notkaufprogramm bis zum Jahresende noch einmal aufstocken könnte.

Die Inflationsrate in der Eurozone ist seit Jahresbeginn von 1,4 Prozent auf 0,4 Prozent abgestürzt.
Inflation müsste eigentlich höher sein
Schon in den vergangenen Monaten ist so manche bis dahin kaum vorstellbare Entwicklung eingetreten. Die Rettungspakete von Geld- wie Fiskalpolitik, um die Folgen der Rezession abzufedern, ist in enorme Höhen gestiegen. Als Folge dessen ist das Wachstum der Geldmenge nicht nur in der Eurozone, sondern auch in den USA, im Vereinigten Königreich, in China, so gut wie überall, sprunghaft gestiegen. Sind das bereits Vorboten für einen ebenso sprunghaften Inflationsanstieg? "Die Bewertung von inflationsindexierten Anleihen steigen bereits", stellt die deutsche Fondsgesellschaft DWS in einer Analyse fest.
Wie sich aus theoretischen Modellen ableiten lässt, gibt es einen Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum (M3) und Inflation, der auch in der Praxis nachgewiesen werden kann. Der aktuelle Geldmengenanstieg würde eine (Kern-)Inflationsrate von rund 1,5 Prozent nahelegen, wie die Investmentbanker der DWS feststellen.

Das Geldmengenwachstum schießt in die Höhe, die Inflation stürzt ab.
Hohe staatliche Ausgaben, Firmen und Emissionen heben Geldmenge
Hauptverantwortlich für den aktuellen Anstieg der Geldmenge dürfte laut den Investmentexperten der DWS die Ausgaben der öffentlichen Hand sein, die den zu erwartenden Steuerausfall durch verstärkte frühzeitige Kreditaufnahme kompensiert hat. Auch der Unternehmenssektor hat sich noch reichlich mit Liquidität eingedeckt, nicht zuletzt mithilfe staatlich garantierter Kredite aus den Rettungsmaßnahmen. Aber auch die Emissionstätigkeit bei Unternehmensanleihen ist auf Rekordhöhen gestiegen.
Kein schnelles Anziehen der Inflation erwartet
Dem steht jedoch eine immer noch fragile Wirtschaftslage gegenüber. Millionen von Menschen befinden sich nach wie vor in Kurzarbeit. Angesichts der angespannten Lage am Arbeitsmarkt weltweit ist nicht mit aggressiven Lohnforderungen zu rechnen. Die schwache Nachfrage sowie die drastische Unterauslastung der Kapazitäten sprechen ebenfalls nicht für ein schnelles Anziehen der Inflationsraten. Die Senkung der Mehrwertsteuer hat in Deutschland die Inflationsrate sogar in den negativen Bereich abgleiten lassen.
Langfristig droht Ungemach
Insofern sieht die DWS derzeit keine großen Inflationsgefahren. "Längerfristig sind jedoch Entwicklungen erkennbar, die uns in ein paar Jahren durchaus höhere Inflationsraten bescheren könnten. Welche Maßnahmen die EZB nun ergreift, das Wachstum nennenswert ankurbeln und die Inflation erhöhen wird sie damit nicht können, höchstens Schlimmeres, was die Konjunkturentwicklung betrifft, zu verhindern.
Die Geldmenge M3 ist jedoch seit 2009 nicht annähernd so stark gewachsen wie die EZB-Bilanz (siehe Grafik). Die Geldmenge stagnierte sogar über mehrere Jahre, denn viel von der EZB-Geldschwemme ist gar nicht in der Realwirtschaft angekommen. Bevor die Inflation jedoch steigt, müsste wohl erst das breite Geldmengenaggregat M3 beginnen, mit ähnlichen Steigerungsraten zu wachsen wie die Zentralbankbilanz, so DWS. Doch noch wächst die EZB-Bilanzsumme deutlich schneller.

Die Bilanzsumme der EZB ist in den seit 2020 besonders stark angestiegen.