Fußball: Der späte Triumph der Bullen

Nach über zehn Jahren Anlaufzeit netzen die Fußballer von Red Bull nun auch international ein. Wie FC Red Bull Salzburg und RB Leipzig zusammenspielen - und wer hinter dem Erfolg steckt.

Kampfmannschaft mit Kampfmaschinen: Red Bull Salzburg

Kampfmannschaft mit Kampfmaschinen: Red Bull Salzburg

In einem geharnischten Brief an Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz und an die sportliche Geschäftsführung ihres Vereins FC Red Bull Salzburg machten die Fans ihrem Ärger so richtig Luft: Eine "komplette Kampfmannschaft plus Ersatzkeeper" sei inzwischen zu RasenBallsport Leipzig abgewandert, "teilweise zu sehr unglücklichen Zeitpunkten". Salzburg sei ein "Selbstbedienungsladen" geworden, aus dem Schlüsselspieler abgezogen würden, "nur weil Leipzig Bedarf hat".

Der Protest der erbosten Fans ist eineinhalb Jahre her. Heute sind alle happy. Sowohl der FC Red Bull Salzburg als auch der deutsche Bundesligist RasenBallsport "RB" Leipzig haben sich für das Viertelfinale der Europa League qualifiziert. Beide haben ein phänomenale Wochenenden und Europa League-Erfolge hinter sich: Die Salzburger Bullen stehen im Semifinale der Europa League, fertigten in der Bundesliga unter anderem die Wiener Austria mit 5 :0 ab und sind praktisch fix wieder Meister.

Die Leipziger Kollegen sind mit ihrem österreichischen Trainer, Ralph Hasenhüttl, zwar gegen Marseille in der Europa League ausgeschieden, konnten aber in der Deutschen Bundesliga immerhin Bayern München 2 : 1 besiegen. Aktuell liegen sie in der Bundesliga zwar mit 46 Punkten nur auf Rang sechs, sind aber immer nooch im Rennen um einen internationalen Startplatz für die Saison 2018/19. Sogar das Thema Champions League ist noch nicht ganz abgehakt.

ERFOLGSDUO. Trainer Ralph Hasenhüttl (li.) und Sportdirektor Ralf Rangnick von RB Leipzig.

ERFOLGSDUO. Trainer Ralph Hasenhüttl (li.) und Sportdirektor Ralf Rangnick von RB Leipzig.

Dazwischen lagen Rückschläge, Anfeindungen und viel Hohn - ähnlich wie nach den chronisch erfolglosen Anfangsjahren von Red Bull in der Formel Eins, die Mateschitz mit dem Engagement beim Schweizer Rennstall Sauber 1995 begonnen hatte. Erst nach der Trennung von Sauber begann sich mit dem Aufbau zweier eigener Teams, Red Bull Racing und Toro Rosso, das Blatt zu wenden. Irgendwann hatte Red Bull nicht mehr bloß die besseren Partys, sondern auch die besseren Motoren und Fahrer. 2010 gewann Sebastian Vettel seinen ersten von vier Weltmeisterschaftstiteln für Red Bull Racing.

Was anfangs als Spielzeug eines Dosenmilliardärs verspottet wurde, ist ein ernsthafter internationaler Player geworden - im Rennsport wie im Fußball. Im Eishockey beweisen die Bullen mit EHC Red Bull München und den Red Bulls Salzburg ebenfalls schon seit Langem Siegerqualitäten. Wer Mateschitz geraten hatte, doch besser bei seinem Leisten zu bleiben, muss jetzt zurückrudern.

Red Ressources

Doch wie ist der Erfolg geglückt? Natürlich zunächst einmal mit viel Geld. Red Bull hat nie offengelegt, wie viel das Engagement im Sport kostet - heute reagiert das Unternehmen auf entsprechende Anfragen nicht einmal mehr. Als Faustformel galt stets, dass ein Drittel des Umsatzes in Marketing gesteckt wird, und davon rund die Hälfte in Sport. Bei zuletzt über sechs Milliarden Euro wäre das derzeit rund eine Milliarde für Fußball, Formel eins, Eishockey, aber auch die vielen Extremsportler und - events, die der Getränkekonzern sponsert. Stimmt die Größenordnung dieser Rechnung, sind seit dem Kauf von Austria Salzburg 2005 über neun Milliarden in die diversen Engagements geflossen.

Doch Geld allein kauft natürlich keine Siege. Spielentscheidend war, dass Mateschitz für die jeweiligen Sportarten Masterminds fand, die ihre jeweiligen Systeme beherrschten und sein absolutes Vertrauen gewannen. Nach Helmut Marko für die Formel eins und Pierre Pagé für Eishockey war es im Fußball Ralf Rangnick, der die Bullen auf die Siegerstraße führte. Rangnick hatte beim deutschen TSG Hoffenheim des Softwaremilliardärs Dieter Hopp vorexerziert, wie man innerhalb von zwei Jahren den Aufstieg von der Dritt-in die Erstklassigkeit erreichen kann. Mit RB Leipzig gelang das Kunststück, binnen sieben Jahren aus der fünften deutschen Liga in die Bundesliga aufzusteigen. Gleich in ihrer ersten Saison in der höchsten Spielklasse landete die Mannschaft unter Trainer Hasenhüttl direkt hinter Rekordmeister Bayern München auf Rang zwei; in der laufenden Saison liegt sie derzeit auf Rang sechs, die Champions-League- Qualifikation ist in Reichweite.

Die Ängste der Anhänger, dass der seit 2015 ausschließlich für Leipzig zuständige Sportdirektor Rangnick den Ösi-Klub zugunsten des deutschen ausweidet, waren zwar berechtigt: Insgesamt 16 Spieler wurden bisher nach Sachsen transferiert, darunter Stars wie der Verteidiger Bernardo, der Mittelfeldspieler Naby Keïta oder zuletzt der österreichische U-21-Kapitän Konrad Laimer - jeder Transfer ein Nadelstich ins Herz der Salzburger Fans.

Profit: Seit 2012/13 nahmen die Salzburger mit Ablösen um 90 Millionen € mehr ein, als sie für Spieler ausgaben.

Profit: Seit 2012/13 nahmen die Salzburger mit Ablösen um 90 Millionen € mehr ein, als sie für Spieler ausgaben.

Was dabei jedoch häufig übersehen wird: Rangnick hat den Red-Bull-Fußball auch wirtschaftlich auf Offensive getrimmt. Er hat Stars aufgebaut und um viel Geld an internationale Klubs weitergereicht. So hat es der FC Red Bull Salzburg laut der Plattform transfermarkt.de in den vergangenen sechs Saisonen geschafft, über Ablösen und Leihgebühren in Summe 139 Millionen Euro einzunehmen, aber nur 49 Millionen Euro auszugeben - ein positiver Saldo von 90 Millionen Euro (siehe Grafik oben).

Die Leipziger, seit 2009 im kontinuierlichen Aufrüstungsmodus, haben zwar einen ähnlich hohen Negativsaldo zu verzeichnen, daher ist der tatsächliche Wert solcher Aufbauleistung in der Konzernbetrachtung natürlich relativ. Sicher aber ist: Als die Salzburger ihren operativen Spielbetrieb vor einem Jahr in eine GmbH einbrachten, bezifferten sie die Transferrechte an all ihren Spielern in der Einbringungsbilanz mit 16,6 Millionen Euro. Weil diese Aktiva zu Anschaffungspreisen in der Bilanz stehen, geben sie jedoch nicht im geringsten die stillen Reserven wieder, die in der Mannschaft schlummern. Die Leipziger haben in ihrer zuletzt hinterlegten Bilanz mit Stichtag Ende 2016 für Sabitzer, Ilsanker, Forsberg & Co. einen kumulierten Spielerwert von 95 Millionen Euro angesetzt.

Einen Teil ihrer unter Rangnick aufgebauten Potenziale versilbern beide Vereine nun, um weiter investieren zu können. Keïta etwa, der 2015 um 1,5 Millionen Euro Ablöse nach Salzburg kam, wanderte zwei Jahre später um 15 Millionen nach Leipzig. Ab der Saison 2018/19 spielt er für den FC Liverpool in der britischen Premier League. An der Ablösesumme von rund 70 Millionen Euro verdienen auch die Salzburger noch einmal mit - laut transfermarkt.de zwischen sieben und 9,5 Millionen Euro.

Duale Bullen

Warum der FC Red Bull Salzburg trotz der massierten Abgänge von Schlüsselspielern in besserer Spielverfassung denn je erscheint, hängt mit dem Red-Bull-Netzwerk zusammen, das im letzten Jahrzehnt geknüpft worden ist und viel mehr umfasst als die beiden aktuellen Hotspots Salzburg und Leipzig.

Mit Red Bull Brasil und den New York Bulls gibt es auch zwei überseeische Clubs mit Talenteschmieden. Im eigenen Leistungsdiagnostik- und Trainingszentrum in Thalgau regieren Qualitätsfanatiker. Die Red Bull Akademie in Salzburg führt vor, wie man Nachwuchsarbeit mit dem regulären Schulsystem verschränkt: In Partnerschulen wie dem Christian-Doppler-Gymnasium bekommen die künftigen Fußball-und Eishockeycracks quasi die Chance zur Sportlerlehre mit Matura.

SALZBURGS TRIUMPH. Trainer Marco Rose coachte davor die U19-Mannschaft der Salzburger, die 2017 sensationell die UEFA Youth League gewann.

SALZBURGS TRIUMPH. Trainer Marco Rose coachte davor die U19-Mannschaft der Salzburger, die 2017 sensationell die UEFA Youth League gewann.

Der Pool, aus dem geschöpft wird, ist folglich fast immer voll: Nur so sind Erfolge wie jener des U19-Teams der Salzburger zu erklären, das 2017 sensationell die UEFA Youth League gewann. U-19-Trainer Marco Rose, der nach dem Triumph zum Chefcoach der Kampfmannschaft aufstieg, ist ein Beispiel dafür, dass der Talentetransfer nicht immer nur in eine Richtung geht: Rose wurde von Lok Leipzig nach Salzburg geholt. Statt große Namen mit kleinem Erfolg zu verpflichten wie in der Anfangszeit, als Mateschitz vermeintliche Koryphäen wie Giovanni Trapattoni oder Huub Stevens engagierte, züchtet sich Red Bull jetzt auch die Trainer selbst.

Servus Fußball

Einfacher als der Wert der jüngsten Erfolge für die Marke Red Bull ist zu beziffern, wie viel die Salzburger nun aus den Einnahmen durch die Teilnahme an den höchsten Spielklassen lukrieren. Über zehn Millionen Euro an Preisgeldern und Ticketerlösen hat die bisherige Performance in der Europa League gebracht, mit jedem weiteren Sieg wird die Bullen-Kassa voller.

Noch offen ist hingegen die Frage, ob auch der Medien-Arm von Red Bull mit dem Erwerb von Livesportrechten in Zukunft stärker vom Massensport profitieren wird. Im Februar überraschte Servus TV Freund und Feind mit der Nachricht, in Kooperation mit dem Bezahlsender Sky künftig Spiele der deutschen Bundesliga zu zeigen. Bisher übertrug das Bullen-TV die MotoGP und Eishockey. Im Zweifelsfall, erwarten Insider, wird jedoch aus strategischen Überlegungen auf Leckerbissen verzichtet. Das Angebot, acht Parallelspiele der diesjährigen Fußball-WM in Russland zu übertragen, schlug Servus TV etwa aus.

Die Vorstellung, auf dem hauseigenen Sender bei jedem Spiel Intros und Bandenwerbung mit dem Logo des WM- Hauptsponsors und Red-Bull-Erzrivalen Coca-Cola senden zu müssen, wollte Mateschitz &Co. partout nicht gefallen.


Aktualisierte Version ursprünglich in der trend-Ausgabe 12/2018 vom 23. März 2018 erschienenen Artikels.

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