Frauen in Wissenschaft und Technik: "Frau kann das!"

Männer bekommen Vorschusslorbeeren, Frauen müssen sich erst beweisen. Um hier mehr Chancengleichheit herzustellen, unterstützt die FFG mit speziellen Programmen Frauen in Wissenschaft und Technik. Und holt Role Models vor den Vorhang.

Astrophysikerin Astrid Veronig

Die Berufseratung riet Astrid Veronig dringend vom Astronomiestudium ab. Zum Glück ignorierte sie das. Jetzt ist sie renommierte Professorin für Astrophysik an der Universität Graz.

Sie ist überaus gut gebildet, eine brillante Rhetorikerin, räumt selbstbewusst und hartnäckig alle Steine, die ihr in den Weg gelegt werden, zur Seite. Und aufgrund dieser Fähigkeiten wird Laura Bassi die erste Universitätsprofessorin Europas. Das fand 1733 in Bologna statt. Und seitdem, seit 288 Jahren, gilt die italienische Physikerin als Pionierin für Frauen in der Forschung.

Doch möglich war ihre Karriere nur, weil sie durch ein Erbe finanziell unabhängig war und ihr Mann verzichtete. Denn die freie Professorenstelle wurde zunächst ihm angeboten. Und weil das 288 Jahre später oftmals nicht viel anders ist, hat es sich die Forschungsförderungsgesellschaft FFG zur Aufgabe gemacht, Frauen in der Spitzenforschung und in technischen Berufen zu unterstützen. Eines dieser speziellen Programme ist - nicht zufällig - nach Laura Bassi benannt (siehe Kasten).


Die wichtigsten Förderprogramme der FFG für Frauen

  • W-FForte Innovatorinnen. Ziel ist, Frauen in gestaltenden Positionen in Forschung und Innovation sichtbar zu machen. In drei Onlinemodulen werden Leadership-, Innovationsworkshops und Empowerment- Aktivitäten angeboten, inklusive Erfahrungsaustausch in einer interdisziplinären Teilnehmerinnengruppe. In einer Studie des deutschen Stifterverbands wurde dieses Programm als Best-Practice-Beispiel bewertet.
  • Talente. Schwerpunkt dieses vom BMK finanzierten Programms sind das Entdecken von Talenten und ihre Förderung. Das Spektrum reicht von Praktika von Schülerinnen und Schüler bis zu FEMtech-Projekten, deren Thema die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen und Männern berücksichtigt. Denn klares Ziel ist die Chancengleichheit in der Forschung.
  • Laura Bassi 4.0 Dieses Programm richtet sich gezielt an Frauen, die Digitalisierung aktiv gestalten wollen. Gefördert werden Kooperationsnetzwerke, in denen Frauen Digitalisierungsthemen mit gesellschaftlicher Relevanz vorantreiben.
  • Forschungspartnerschaften / Industrienahe Dissertationen. Der Fokus liegt auf Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. 50 Prozent der Fördermittel sind für Dissertantinnen reserviert.

"Bei diesen Programmen geht es darum, Frauen sichtbarer zu machen", sagt FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth-Stadlhuber (siehe auch Interview). Die FFG setzt als eigenständige Agentur die Förderprogramme des Wirtschafts-und des Klimaschutzministeriums in die Praxis um und betreut eine Vielzahl von Projekten - und hat bereits vor zehn Jahren bei der Projektauswahl Genderkriterien berücksichtigt. Unter anderem werden finanzielle Unterstützungen für industrienahe Doktorarbeiten zur 50 Prozent an Dissertantinnen vergeben.

Ballon als Auftrieb

Eva Tratschl-Unterberger

EVA TATSCHL- UNTERBERGER allein unter Männern: Beim Studium an der TU Graz gab es unter 400 Studierenden nur vier Frauen.

Vor allem in technischen Berufen sind Frauen immer noch eine Minderheit. "An der HTL für Elektronik und Informatik waren zwei Mädchen und 60 Burschen, später beim Studium an der TU Graz vier Frauen und 400 Männer", berichtet Eva Tatschl-Unterberger. Sie hat sich davon nicht abschrecken lassen, auch aufgrund der Ermutigung ihres Vaters, eines Lehrers für das damals ganz neue Fach EDV. "Für die Schule wurden Commodore-64-Computer angeschafft, die mussten eingerichtet werden. Und ich durfte mitkommen, unter der Bedingung, still zu sitzen und nicht zu stören." Dennoch animierte sie das, in die neue Welt einzusteigen. So hat der bunte Heißluftballon, der beim C64 über den Bildschirm schwebte, auch ihrer Karriere Auftrieb gegeben.

Seit Anfang 2019 ist Eva Tatschl-Unterberger Geschäftsführerin der neu gegründeten Gesellschaft Digitrans. Diese errichtet in St. Valentin eine Modell- und Testregion für autonomes Fahren, vor allem für den automatisierten Güterverkehr. Gefördert wird das Projekt von der FFG und vom Land Oberösterreich. "Ohne die FFG-Mittel würde es dieses Forschungsprojekt nicht geben", betont Tatschl-Unterberger.

Die Herausforderungen sind gewaltig. "Der Mensch ist ein extrem guter Autofahrer", sagt die Digitrans-Chefin, "er kann schnell reagieren und vor allem mögliche Gefahrensituationen vorausschauend bewerten. Das muss ein autonomes Fahrzeug erst einmal können." Und die Herausforderung für sie als Frau in einer Männerbranche?" Elektroniker werden gesucht, da hat man als Frau keine Probleme", sagt sie, "schwieriger ist, in eine Managementposition zu kommen." Der Hauptgrund dafür: "Viele Entscheider bei Jobvergaben sind risikoavers. Und wenn sie sich für eine Frau entscheiden, braucht das mehr Begründung als bei einem Mann. Und sie fühlen sich einem höheren Risiko ausgesetzt, sollte etwas schiefgehen."

Wissenstransfer in zwei Richtungen

Darum, Erkenntnisse der Spitzenforschung praxisnah in Unternehmen zu bringen und umgekehrt Fragestellungen der Industrie in die Forschung zu transportieren, geht es auch beim FFG-Programm "Comet" -und bei Stefanie Lindstaedt. Sie ist die erste Professorin für Informatik und Direktorin des Instituts für Interaktive Systeme &Datenwissenschaften an der TU Graz. Und sie leitet auch das "Know-Center", das im Rahmen des "Comet"-Programms gefördert wird. So wird die Merkur Versicherung gerade beim Aufbau eines eigenen Start-ups unterstützt, das die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und die bessere Analyse von Kundendaten vorantreiben soll. "Wir wollen nicht einfach unser Wissen über den Zaun werfen und dann sagen: 'Viel Glück damit'", betont die studierte Informatikerin, "sondern auch bei der Umsetzung unterstützen." Kein leichter Weg, denn in einer ganzen Reihe von Unternehmen mangelt es an der Offenheit, die eigenen Prozesse zu überdenken und neu zu gestalten - eine Voraussetzung für eine digitale Transformation.

Stefanie Lindstaedt

STEFANIE LINDSTAEDT lernte schon in der Schule programmieren. Ihre prägende Erkenntnis: "Ich kann das auch. Und die Nerds wissen auch nicht alles."

Lindstaedt leitet das "Comet"-Kompetenzzentrum nicht nur, sie hat es zu einer in Europa führenden Institution für Data-driven Business und künstliche Intelligenz gepusht. Auch das kein leichter Weg. "Männern gibt man im Job meistens Vorschusslorbeeren, die können das schon", beschreibt sie ihre Erfahrungen, "bei Frauen sind dagegen die Zweifel größer, die müssen sich erst beweisen - bekommen dann vielleicht Nachschusslorbeeren." Das Resultat: An den Technischen Universitäten in Österreich liegt der Anteil weiblicher Professoren gerade einmal bei zehn Prozent. Lindstaedt: "Keine sehr gute Bilanz."

Aber wie lässt sich das ändern? "Ohne eine Quotenregelung, ähnlich wie bei Aufsichtsräten, wird es nicht gehen", sagt Lindstaedt, "vor allem in den Gremien, in denen richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden, müssen mehr Frauen vertreten sein." Ihr selber hat geholfen, dass sie als junges Mädchen in Deutschland in einer technisch orientierten Schule das Programmieren gelernt hat. Ihre Erkenntnis damals: "Ich kann das auch! Und die ,Nerds' wissen auch nicht alles."

Spaß an absurden Robotern

Es geht viel um mangelndes Selbstbewusstsein. "Viele Studien belegen, dass Frauen selbstkritischer sind und mehr Selbstzweifel haben", bestätigt das Louise Beltzung. Sie hat an der Wirtschaftsuni Wien Sozioökonomie studiert und arbeitet als Senior Researcherin beim Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT). Das Institut sorgt regelmäßig für Schlagzeilen: Künstliche Intelligenz identifiziert Fake-Shops, die Analyse von Algorithmen auf Internetmarktplätzen sorgt für Transparenz.

Louise Beltzung

LOUISE BELTZUNG vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation forscht praxisorientiert mit Unterstützung der FFG.

Im neuen Projekt "Primming" des ÖIAT geht es um die Analyse der oft stündlich wechselnden Preise für bestimmte Produkte im Internet. "Wir nehmen Shops genau unter die Lupe und schauen, wie Suchergebnisse entstehen und was hinter den Preisveränderungen steht", so Beltzung, "da mangelt es an Transparenz." Unterstützt wird das FEMtech-Projekt von der FFG.

Aber wie arbeitet eine Sozioökonomin in Projekten, die von Informatikern beherrscht werden? Wie findet man Akzeptanz? "Unsere Forschung ist absolut praxisorientiert", sagt Beltzung, "und da ist es wichtig, Fragen aus Sicht der Anwender zu stellen. Diese Aspekte bringe ich ein, und das wird als wichtiger Beitrag akzeptiert." Geholfen hat ihr das Innovatorinnen-Programm der FFG. "Der Austausch von Informationen und Erfahrungen, Workshops zu Leadership und dem Umgang mit Konflikten -das hat mir extrem viel gebracht", sagt Louise Beltzung.

Was es noch braucht, um Frauenkarrieren zu beflügeln: "Es hilft, Vorbilder zu haben", ist sie überzeugt. Ihres ist der 29-Jährige YouTube-Star Simone Giertz. Als "Königin der schrottigen Roboter" baut sie Zähneputz-und Aufwachmaschinen. Das Besondere an ihren Konstruktionen: Die Maschinen funktionieren nicht und sind völlig sinnlos. "Gerade dieser spielerische und humorvolle Umgang mit Technik gefällt mir", sagt Louise Beltzung, "das ist guter Nährboden, um kreative Lösungen zu finden."

Science Fiction als Vorbild

Auch die Schülerin Astrid Veronig hatte ihre Stars: Die Helden der Science-Fiction- Romane, die sie mit Begeisterung las. Aus der jugendlichen Begeisterung wurde schnell ernsthaftes Interesse für Physik, was später in ein Astronomiestudium in Graz mündete -trotz dringenden Abratens durch die Berufsberatung, weil es dafür keine Jobs gab. "Zum Glück habe ich das ignoriert", so Veronig. Eine gute Entscheidung: Mittlerweile ist sie Professorin für Astrophysik an der Uni Graz und Leiterin des Observatoriums Kanzelhöhe in Kärnten, wo es um Sonnenund Umweltforschung geht. Für die Solar-Orbiter-Mission von ESA und NASA war sie an der Entwicklung eines speziellen Teleskops beteiligt, das die solaren Röntgenstrahlen erfasst.

Ansonsten dreht sich ihre Forschung um unsere Sonne, um Eruptionen von Sonnenplasma und Sonnenstürme, die das Magnetfeld der Erde kräftig durcheinanderwirbeln können. Mögliche Folgen: Schäden an Satelliten und Kommunikations- und Energiesystemen auf der Erde. Veronig und ihr Team haben nun eine neue Methode entwickelt, um solche Eruptionen auch auf fernen Sternen nachzuweisen. "Ohne die Förderung durch die FFG hätte ich dieses Projekt nicht so durchführen können", sagt die Sonnenexpertin.

Was viele Frauen ihrer Meinung nach bremst, in der Forschung Karriere zu machen: "Forschung und Lehre sind zeitintensiv und lassen sich bei klassischer Rollenverteilung nicht so einfach mit einer Familie vereinbaren", sagt Astrid Veronig, "zudem ist Teilzeit in der Spitzenforschung schwer möglich. Hoher Publikationsdruck, viele Kongresse und Vorträge - da wird nicht berücksichtigt, ob jemand nur Teilzeit arbeitet." Was sich bei ihr schon noch ausgeht: "Ich lese immer noch gerne Science-Fiction. Auch weil es interessant zu sehen ist, was in diesen Büchern wissenschaftlich nicht so ganz richtig ist."


Die FFG in Zahlen

  • Als Agentur des Bundes bewilligt die FFG jährlich Förderungen für rund 3.000 neue Projekte.
  • Von den rund 2,5 Milliarden Euro Fördermitteln, die über die FFG laufen, gehen fast 70 Prozent an Unternehmen (ohne Breitbandförderung), 30 Prozent an Forschungs-und Hochschulinstitute.
  • 200 neue Produkte und Dienstleistungen entstehen pro Jahr aus geförderten Projekten.
  • Rund 10.000 Arbeitsplätze in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Innovation werden durch FFG-Förderungen finanziert.
  • Etwa 600 Dissertationen entstehen in geförderten Projekten.
  • Rund 2.000 Praktika pro Jahr für Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen werden organisiert.
  • www.ffg.at


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