Noch einige Fragezeichen bei Corona-Aufbauplan
UniCredit-Chef Jean-Pierre Mustier vermisst Umwelt-Kriterien bei Corona-Hilfen der EU. Für EFSI-Direktor Wilhelm Molterer ist das Wiederaufbauprogramm ein Durchbruch für die EU.
UniCredit-Konzernchef Jean-Pierre Mustier sihet noch keine definierten Umweltkritierien seitens der EU.
Alpbach. Beim im Juli beschlossenen europäischen Corona-Wiederaufbauprogramm in Höhe von 390 Mrd. Euro gibt es noch einige Fragezeichen. Zu diesem Fazit kam ein hochkarätig besetztes Online-Panel am Donnerstag beim Forum Alpbach. UniCredit-Konzernchef Jean-Pierre Mustier vermisst Umwelt-Kriterien, um die Auswirkungen des Aufbauprogramms abzuschätzen. "Es könnte deswegen zu einer Fehlallokation kommen."
Im Zusammenhang mit den Corona-Hilfen und den niedrigen Zinsen wird oftmals von Zombie-Unternehmen und Zombie-Banken gesprochen, die eigentlich nicht überlebensfähig wären. "Ich mache mir keine Sorgen wegen Zombiefirmen", so der Banker. In der Coronakrise könne man die Lage der Unternehmen nur sehr schwer einschätzen, das derzeitige Ziel sei allen Firmen zu helfen. Nach Ansicht des UniCredit-Chefs gibt es in Europa keine Zombie-Banken, die Bankregulatoren hätten ihren Job gemacht. "Das Bankensystem ist Teil der Lösung, nicht Teil des Problems."
Die seltsame Situation
Für den ehemaligen österreichische Vizekanzler und Direktor des Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), Wilhelm Molterer, ist man mit dem Aufbauplan "in einer seltsamen Situation". Normalerweise überlege man, für was man Gelder brauche, wie man es ausgeben werde und kalkuliere dann die Summe.
Beim Corona-Wiederaufbauprogramm habe man mit der Endsumme gestartet und müsse nun über Investitionsprojekte nachdenken. Nach Ansicht von Molterer sollten die Gelder mit klaren Zielen in folgenden vier Bereichen investiert werden: Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung, Ökologisierung und Nachhaltigkeit sowie Resilienz und geringerer Abhängigkeit in kritischen Sektoren. Um mehr zu erreichen, müsse man öffentliche und private Gelder miteinander kombinieren, so Molterer. Insgesamt sei der Aufbauplan aber "ein Durchbruch" für die Europäische Union.
Für den ehemaligen Leiter der Euro-Arbeitsgruppe, Thomas Wieser, ist es wichtig, die Transparenz bei der Aufbauplan-Mittelverwendung in den EU-Mitgliedsstaaten zu erhöhen. Es gehe darum, "etwas sinnvolles" mit den Geldern zu machen. "Die Qualität der Investitionsprojekte und die Umsetzung muss genau geprüft werden." Wenn es keine gute Umsetzung gebe, dann müsse man auch die Gelder zurückhalten. Um europaweit Investitionen anzukurbeln sei es außerdem besonders wichtig einen "wirklich funktionierenden paneuropäischen Kapitalmarkt" zu schaffen. Dazu müssten die Finanzmarkt-Regulatoren in den Mitgliedsstaaten aber über ihren Schatten springen.
Ebenfalls positiv bewertet die italienische Ökonomin, Lucrezia Reichlin, das Corona-Wiederaufbauprogramm. Reichlin ist Professorin an der London Business School. Der Plan sei "eine wirkliche Chance" und ein "innovatives Tool". Man dürfe aber nicht verwechseln, dass das Ziel des Corona-Aufbauplans Wachstum und nicht Stabilisierung sei. Unterschiedliche Länder in der EU bräuchten unterschiedliche Investitionsprojekte, so Reichlin. Kritisch sieht die Ökonomin, dass über die Steuerung (Governance) des Aufbauplans noch nicht viel bekannt ist. Eine gute entwickelte Governance sei äußerst wichtig.