Erste Group Chef Spalt: "Bremsen kommt nicht in Frage"
Wie Bernhard Spalt, neuer Chef der Erste Group, sein Institut durch die Krise führt, wieso er keinen Mitarbeiter zur Kurzarbeit angemeldet hat, was er von der EZB erwartet und von der EU erhofft.
Erste Group CEO Spalt: "Dass der staatliche Notstand zu einem Verlust von demokratische Standards führt, muss man in Kauf nehmen."
trend:
Herr Spalt, wie sehen Sie in dieser Krise Ihre Rolle als Generaldirektor einer der größten heimischen Banken?
Bernhard Spalt:
Zunächst einmal muss man sagen, dass sehr rasch erkannt wurde, dass es sich bei der Corona-Krise um eine Gesundheitskrise globaler Natur handelt, die sich in der Folge in eine Wirtschaftskrise auswachsen wird. Jedenfalls ist es keine Bankenkrise. Meine erste Rolle war also, für die Gesundheit unserer Mitarbeiter und Kunden zu sorgen. Mittlerweile sind 95 Prozent unserer Erste-Campus-Mitarbeiter im Homeoffice. Weiters wurde in Gesprächen mit der Regierung besprochen, dass die Banken zur kritischen Infrastruktur zählen, und da bin ich froh, dass es uns gelungen ist, den Bankbetrieb von Erste Bank und Sparkassen in Österreich zu 100 Prozent aufrechtzuerhalten. Und als CEO, dessen Bank in sieben Ländern tätig ist, gilt es auch immer, den Überblick zu behalten, in welchem Land gerade welche Maßnahmen gesetzt wurden. Österreich war ja mit allem fast drei bis vier Wochen früher dran.
Kann man sich als Manager auf so eine Krise vorbereiten?
Spalt:
In der "New York Times" stand kürzlich: "Banks have been prepared for the crisis. But not this one." Das trifft es ganz gut. Wir gehen sehr stark in diese Krise hinein, mit großen Liquiditäts-und Kapitalpuffern, aber wie lange und wie tief diese Krise sein wird, können wir nicht abschätzen. In so einer Situation ist ein extrem starkes Zusammenspiel der Akteure - Politiker, Aufsicht, Banken -wichtig. Das ist aus meiner Sicht gelungen.
Es gibt Kritik an den Banken, dass sie bei den Stundungen und Kreditgewährungen zu zögerlich seien. Wie sehen Sie das?
Spalt:
Natürlich ist es nicht leicht, von heute auf morgen von Standardbetrieb auf Notbetrieb umzuschalten. Gerade für Banken, die ja massiv an Regulatorik gewohnt und gebunden sind. Abgesehen von Anfangsschwierigkeiten läuft es aber aus meiner Sicht sehr gut und wir sind uns unserer großen Verantwortung wohl bewusst. Und man muss ja dabei bedenken, dass wir Kredite auch jetzt nicht ungesehen vergeben dürfen. Allein in der Slowakei sind innerhalb eines Tages über unsere App "George" 7.000 Anträge auf ein Moratorium gekommen. In Tschechien haben wir in wenigen Tagen 30.000 Anträge reinbekommen. Das muss man erst einmal abarbeiten.
Ihr Vorgänger Andreas Treichl hat kürzlich gesagt, die Banken müssten jetzt ins Risiko gehen und müssten auch Fehler in Kauf nehmen. Wie klingt das für Sie als Risikomanager?
Spalt:
Sowohl für einen Risikomanager als auch für einen CEO gehört es zum Kerngeschäft, das Risiko zu managen. Bremsen kommt für mich jetzt nicht in Frage. Dass die Unternehmen aktuell wahrscheinlich schwächere Bilanzen haben werden, ist für mich sonnenklar.
Mit welchen Kreditausfällen rechnen Sie?
Spalt:
Das Kreditrisiko bemisst sich immer an der Einschätzung der Zukunft, und die ist aktuell viel nebliger als sonst. Aber dass die Kreditrisikoverluste in nächster Zeit größer werden, ist sicher.
Wenn es so viele Unsicherheiten gibt, wieso sind sich fast alle Banker sicher, dass sich diese Krise nicht zu einer Finanzkrise auswächst?
Spalt:
Vor allem weil die Banken auch auf das Bekenntnis der Aufseher vertrauen können, dass die vor der Krise aufgebauten Kapitalpuffer zur Abfederung höherer Kreditrisikokosten in Kauf genommen werden können. Diese Gesundheitskrise wird vorübergehen und die Geschäfte werden wieder zur Normalität finden, aber der Weg dorthin wird ein schmerzhafter sein.
Wenn Sie die Maßnahmen in den einzelnen Ländern, wo die Erste tätig ist, vergleichen, welches Land wird als erstes aus der Krise kommen?
Spalt:
Es ist erstaunlich, dass ein Virus, das vor keiner Grenze Halt macht, dennoch von allen Ländern eigenständig behandelt wurde. Ich denke aber, wo die Natur die Grenzen nicht respektiert, hilft kein nationaler Ansatz. Dieses Virus hat die Kraft, Europa zu transformieren, entweder zu mehr Nationalität oder zu einer Vertiefung der Integration. Meine Hoffnung ist natürlich, dass es zu einer Vertiefung kommt.
In Ungarn, wo die Erste auch tätig ist, ist der Nationalismus besonders ausgeprägt bis hin zu einem staatlich verordneten Zinsmoratorium für Private und Unternehmen. Bleiben Sie dennoch in Ungarn?
Spalt:
Ich war 2012 bis 2014 unmittelbar nach der Finanzkrise in Ungarn, als die Banken besonders hart getroffen wurden. Auch damals wurden wir nach einem Rückzug gefragt. Ich war aber immer der Meinung, wir seien kein taktischer Investor, sondern da, um Kundengeschäft zu betreiben. Das sehe ich heute genauso. Dass der staatliche Notstand zu einem Verlust von demokratischen Standards führt, im Übrigen auch in anderen Ländern, muss man in Kauf nehmen. Dass die Qualität der Gesetze in der Krise nachlässt, ist ein Preis, der für die notwendige Geschwindigkeit gezahlt werden muss.
Woher soll ein Wirtschaftsaufschwung kommen, wo doch das Virus alle Länder weltweit massiv geschwächt hat?
Spalt:
Einer der Ankerpunkte ist sicher die Validität der Geschäftsmodelle, die auch nach der Krise noch gegeben ist. Und speziell die Länder, wo die Erste Group tätig ist, haben grundsätzliches Wachstumspotenzial. Diese inhärente Kraft ist ja nicht weg. Und ein zweiter Treiber wird vielleicht darin liegen, dass die Kreditnehmer ihre Kredite durch Eigenkapital ergänzen werden. Deshalb bedarf es auch der Stärkung des Kapitalmarkts. Und womöglich wird man auch vermehrt Investitionen in die für die einzelnen Länder wichtige Infrastruktur vornehmen. Die Krise könnte als Investitionsanreiz dienen, in neue Industrien zu investieren.
Wie wird sich die europäische Finanzindustrie durch diese Krise verändern? Werden wir Übernahmen sehen, fürchten Sie, dass Google oder Apple jetzt noch leichteres Spiel haben?
Spalt:
Es ist gut möglich, dass wir Konsolidierung sehen werden. Dass Google oder Apple leichtes Spiel haben, zählt sicher nicht zu meinen Kernbedenken. Denn die Eintrittsbarrieren sind in vielen EU-Ländern so hoch und viele Länder sind auch zu klein dafür. Ich bin aber überzeugt, dass sich das Verhalten der Menschen massiv verändern wird. Es wird mehr und schnellere digitale Transaktionen geben. Wer sich auf diese Bedürfnisse der Kunden am besten einstellen kann, wird als Gewinner aus der Krise hervorgehen.
Wird die Krise auch das Ende des Bargelds mit sich bringen?
Spalt:
Man merkt jetzt bereits, dass cashloses Zahlen zunimmt. Dass das Bargeld so schnell verschwindet, glaube ich aber nicht.
Auf europäischer Ebene wurde zuletzt über Corona-Bonds diskutiert. Was halten Sie davon?
Spalt:
Was es jetzt braucht, sind Finanzierungsformen, die rasch funktionieren. Corona-Bonds zählen da sicher nicht dazu. Darüber kann man diskutieren, wenn die großen Emotionen abgeklungen sind.
Aus dem Bankensektor gab es zuletzt die Forderung, Banken jetzt die Negativzinsen zu erlassen. Unterstützen Sie das?
Spalt:
Die Zinspolitik der EZB wurde in der Vergangenheit, ob zu Recht oder zu Unrecht, massiv kritisiert. Aber das ist für mich jetzt kein Gamechanger. Die EZB hat den Banken genügend Freiraum verschafft und versorgt die Wirtschaft mit genügend Liquidität. Das ist jetzt wichtig, aber nicht eine Änderung der Zinspolitik.
Wird die Erste Group Jobs abbauen, um die Krise gut zu überstehen?
Spalt:
Wir haben schon vor der Krise Kosten gespart und werden jetzt in der Krise sicher kein Mitarbeiterabbauprogramm ins Leben rufen. Wir haben uns übrigens auch dazu entschlossen, keine Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen, auch wenn wir das in manchen Bereichen könnten. Ich sehe das als Statement.
Werden Sie eine Dividende ausschütten, obwohl die Aufsicht davon abrät?
Spalt:
Wir haben die Entscheidung, ob wir eine Dividende ausschütten, in das vierte Quartal verschoben. Solange wir keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen, ist das ausschließlich eine Entscheidung, die dem Management obliegen sollte.
Zur Person
Bernhard Spalt, 51, steht seit Jahresbeginn als CEO an der Spitze der Erste Group. Der Nachfolger von Andreas Treichl begann seine Karriere im Jahr 1991 in der Erste Bank, wo er in der Folge in diversen Ländern und Funktionen tätig war. Der Vorarlberger Jurist ist verheiratet und Vater einer Tochter.