Energiewende: Rosige Zeiten nach der Durststrecke

Gastkommentar vom Energieexperten Peter Sattler von Horvath & Partners über die Zeit nach der Energiewende. Und einer neuen, bisher kaum gekannten Dynamik in der Energiewirtschaft.

Thema: Management Commentary
Peter Sattler, Management Consultant bei Horváth & Partners Österreich

Peter Sattler, Management Consultant bei Horváth & Partners Österreich

Trotz Covid-19 und in der Folge gravierenden Umsatzeinbrüchen bei Industriekunden: Die Energiewirtschaft hat das Tal der Tränen durchschritten und rechnet wieder mit Profiten. Doch sie muss dafür neue Geschäftsmodelle entwickeln und regulatorischen Gegenwind meistern. Wachsende Margen winken im Bereich energienaher und flexibler Dienstleistungen, während das Kerngeschäft – Produktion und Absatz von Gas und Strom – weiter dümpelt.

Das wird auch die Kritiker besänftigen: Die viele Jahre unbeweglichen Energieversorger zeigen endlich wieder Lust zur Innovation und Transformation und steigern so ihre Ertragsaussichten. Nach der Ernüchterung der Energiewende sehen sie nun gerade darin Chancen – und haben entsprechend höhere Ergebniserwartungen. Doch dazu braucht es eine Neuausrichtung, zumindest aber eine Schärfung der Strategie, ebenso wie ein margenträchtiges Angebotsportfolio.

Höchste Priorität genießt die bereichsübergreifende Digitalisierung des Unternehmens bei Stromerzeugung, Netzbetrieb und Instandhaltung, um wettbewerbsfähige Kosten und Preise zu gewährleisten, sowie die Eroberung neuer überregionaler Märkte. Dazu müssen die Energieversorger kompetitive Onlineprodukte entwickeln und und spannende Vertriebsimpulse setzen, die für ihre Kunden einen echten Mehrwert darstellen. Im B2B-Bereich steht dazu u.a. der Ausbau technischer Dienstleistungen (Netz, dezentrale Erzeugung, IoT im Gebäude) im Fokus.

Erneuerbare Ziele bald erreicht

Was bisher niemand wirklich erwartet hat: Die deutschen Energieversorger selbst glauben, dass die Ziele der Bundesregierung für Erneuerbare Energien schon bis 2025 übererfüllt werden – um etwa 2 Prozent. Dies wird sich auch im Wachstum des Photovoltaik- bzw. PV-Speichermarktes widerspiegeln.

Die Versorger wollen am EE-Markt aufgrund der höheren Wertschöpfungstiefe in Zukunft stärker mitprofitieren – und zwar mit eigenen Projektentwicklungen und Projektbeteiligungen. Dieser Trend ist auch in Österreich zu beobachten, wenn auch unter leicht anderen Bedingungen.

Hoffen auf Wasserstoff und Speichertechnologien

Die Energieversorger erwarten nunmehr überdurchschnittliche Margen für Power2X- ebenso wie für Speicherlösungen. Insbesondere Wasserstoff, Speicher und Power Purchase Agreements (PPA) sind Schlüsselthemen, um Industrieunternehmen bei der CO2-Minimierung zu begleiten.

Für energienahe Dienstleistungen (Eigenerzeugung, Wärmepumpen und PV) bieten Wohnbauunternehmen, Kommunen und öffentliche Einrichtungen vielversprechende Potenziale.

Engagement im Mobilitätssektor

Nicht zuletzt erwarten die meisten Energieversorgungsunternehmen interessante Wachstumsimpulse von der „multimodalen Mobilität“. Neue Geschäftsmodelle für integrierte Mobilitätskonzepte (Mobility as a Service) werden schon heute allerortens eifrig erprobt. Dabei positionieren sich die EVUs mehrheitlich als Anbieter von Infrastruktur und Vernetzungstechnik.

Einige Stadtwerke haben bereits Erfahrungen mit Car-Sharing- und On-Demand-Diensten oder WLAN in Bussen für Fahrgastzählungen. In punkto Elektromobilität stellt ja gerade das Abrechnungssystem öffentlicher Ladesäulen eine Herausforderung dar.

Gleiches gilt für das innerstädtische Laden und die Reichweite für größere Mobilitätsträger. Die Mehrheit der Versorger sieht daher für den Öffentlichen Personennahverkehr und für Lkw eine größere Zukunft in Hybriden und Brennstoffzellen als in reinem Batteriebetrieb.

Fazit: Energieversorger sehen derzeit die größten Wachstumstreiber in neuen Geschäftsmodellen und in den sich verändernden Kostenstrukturen. Konkret erwarten sie anhaltendes Wachstum im Bereich Photovoltaik für Eigenheim, Gewerbe und Frei- flächen und vermehrte industrielle wie private Eigenerzeugung. Damit künftige Kundensegmente als Ökosysteme funktionieren und perfekt serviciert werden können, entstehen neue Plattformen für Retail und Produktentwicklung.

Die neue Horváth & Partners Studie „Strategieentwicklung von Energieversorgern“ basiert auf den Interviewergebnissen von 40 Unternehmen der Energiebranche. Zum => Download.


Über den Autor

Peter Sattler ist Management Consultant und Principal bei der Managementberatung Horváth & Partners.
E-Mail: psattler <AT> horvath-partners.com


Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Unternehmensberatung Horváth & Partners. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".


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