Hohe Energie- und Spritpreise: Wer daran verdient
Mit dem Ukraine-Krieg haben die Treibstoff- und Energiepreise neue Höchststände erreicht. Die Entwicklung hat sich teils von Rohstoffpreisen entkoppelt. Die OMV ist ein Profiteur, CEO Alfred Stern will dennoch kein Preistreiber sein.
OMV-Raffinerie in Schwechat
Erst Corona, dann Lieferengpässe, Rohstoffknappheit und eine anspringende Wirtschaft und nun auch noch der Krieg in der Ukraine und der drohende Ausfall von Energielieferungen aus Russland - für die Energiewirtschaft gibt es zahlreiche Argumente, um die rasante Aufwärtsentwicklung der Energiepreise und der Treibstoffpreise zu begründen.
Die auf der Website der Regulierungsbehörde E-Control angeführten jüngsten Energiepreisänderungen - bei denen es sich durchwegs um Preissteigerungen handelt - geben einen Eindruck davon, wie deutlich die Energiepreise gestiegen sind und wie sich diese Entwicklung auf die Haushaltsbudgets der Österreicher auswirkt.
Preissteigerungen bei Strom, Gas und Treibstoffen
Zur Kasse gebeten werden die Kunden dabei in allen Sektoren. So etwa bei den Stromkosten. Gemessen am Energiepreis inkl. Grundpreis ohne Netzpreis und ohne Steuern & Abgaben haben etwa die Stadtwerke Fürstenfeld den Strompreis per 1. März 2022 um 25,09 % erhöht. In Neukirchen kommt auf die Kunden der Lichtgenossenschaft mit dem 1. April eine Preissteigerung von 30,44 % zu und in Amstetten schlagen die Stadtwerke Stromkunden seit März 2022 satte 55,50 % auf den vorher gültigen Tarif auf.
Massive Steigerungen müssen die Abnehmer auch bei den Gaspreisen in Kauf nehmen. in Ostösterreich haben die großen Energieversorger Wien Energie, EVN (Niederösterreich) und Energie Burgenland etwa gleichzeitig per 1. Februar 2022 ihre Gaspreise um 40,43 % bis 40,57 % angehoben. Die Stadtwerke Leoben verlangen seither sogar einen Aufschlag von 44,33 %.
Eklatant sind gestiegen sind zuletzt die Spritpreise an den Tankstellen. Und zwar so eklatant, dass sich daran eine politische Diskussion entzündet hat. Vizekanzler Werner Kogler sieht die Preisentwicklung bei den Treibstoffen mittlerweile sogar als Fall für die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). "Obwohl der Ölpreis den dritten Tag in Folge sinkt, bleiben die Preise an den Tankstellen gleich. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich ein paar Öl-Konzerne auf Kosten der Leute eine goldene Nase verdienen", erklärte er.
Auch der VCÖ fordert eine Prüfung durch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Eine aktuelle Analyse des Verkehrsclub auf Basis von Daten der EU-Kommission zeigt, dass der Preis für Eurosuper seit Ende Februar in keinem anderem EU-Land so stark gestiegen ist wie in Österreich.
Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck hat am 18. März die Wettbewerbskommission beauftragt, die Mineralölbranche genau zu durchleuchten. "Der sinkende Ölpreis muss sich auch bei den Tankstellen widerspiegeln", erklärte die Ministerin in einer Aussendung.
"Geopolitische Lage"
Der Fachverband der Mineralölindustrie (FVMI) bleibt jedoch bei der Argumentation, dass die gestiegenen Preise in erster Linie auf die geopolitische Lage zurückzuführen ist. In einer Aussendung vom 16. März erklärt der FVMI:
"Die gestiegenen Preise für Mineralölprodukte wie Benzin, Diesel und Heizöl sind in erster Linie auf geopolitische Risikoaufschläge in Zusammenhang mit dem Krieg zurückzuführen. Die Nachfrage ist jedoch trotz gestiegener Preise weiterhin groß, was auch daran liegt, dass in benachbarten Ländern, wie Schweiz und Deutschland, im Vergleich zu Österreich die Preise noch höher liegen."
Obwohl der FVMI in der Aussendung ebenfalls einräumt, dass die Versorgungssicherheit gegeben ist und genug Reserven vorhanden sind. Hedwig Doloszeski, Geschäftsführerin des FVMI:
„Unsere Mitgliedsunternehmen können ihren vertraglich vereinbarten Lieferungen derzeit vollumfänglich nachkommen. Auch die Versorgung an Tankstellen ist gesichert. Die vorausschauende Politik der Unternehmen erweist sich als richtig und sorgt für gut gefüllte Tankreserven bzw. gesicherte Pflichtnotstandsreserven.“
Die Haltung von Pflichtnotstandsreserven an mehr als 40 Standorten ermöglicht es, so der FVMI, dass Österreich bei Versorgungsengpässen rasch und effizient auf Krisenvorräte zurückgreifen kann. Rund 3 Millionen Tonnen Erdöl und Mineralölprodukte werden dem Erdölbevorratungsgesetz 2012 zufolge in Österreich für den Fall einer Krise bevorratet, was mindestens 25 Prozent bzw. 90 Tage der Nettoimporte des vorangegangenen Jahres entspricht.
Hintergrund der Teuerung
Es ist beruhigend, dass die Industrie Vorräte angelegt hat - und dass diese nicht angegriffen werden mussten, weil die Versorgung mit Mineralölprodukten weiter wie geschmiert lief. "Die bis vor wenigen Tagen noch bestehenden Sorgen vor einer beträchtlichen Einschränkung des Ölangebots scheinen plötzlich wie weggeblasen", meinen nun auch Analysten.
Mit der Entwicklung des Rohölpreises kann aber die Preisentwicklung an den Tankstellen nur unzureichend erklären. Zumal Rohöl (Sorte Brent) acht Tage nach dem Peak von am 8. März 2022 wieder um rund 100 Dollar pro Barrel (156 Liter) gehandelt wird (siehe Grafik).

Der Preis für Rohöl (Brent) ist seit dem Höchststand vom 8. März wieder auf rund 100 $ pro Barrel.
Eine vom Deutschen Vergleichsportal benzinpreis.de angestellte Berechnung für die letzten sieben Wochen zeigt auch, dass die Preissteigerung nur minderheitlich dem gestiegenen Rohölpreis und den dadurch gleichzeitig gestiegenen Steuereinnahmen zuzuschreiben ist. Der den Mineralölanbietern verbliebene Überschuss ist dagegen rund um das Doppelte gestiegen (siehe Grafik).

Spritpreis-Entwicklung über 7 Wochen: der Überschuss der Anbieter ist deutlich gestiegen.
Die Mineralölsteuer beträgt in Österreich je Liter Diesel 39,7 Cent und je Liter Benzin 48,2 Cent. Was bedeutet, dass dieser Steueranteil unabhängig von Tankstellenpreisen ist.
Verändert haben sich lediglich die Mehrwertsteuer-Einnahmen. Bei einem Spritpreis von 1,50 € macht der Mehrwertsteuer-Anteil aber auch nur 25 Cent aus, bei einem Spritpreis von 2,00 € beträgt der Mehrwertsteuer-Anteil 33,33 Cent, also nur um 8,33 Cent mehr. Bei einem Spritpreis von 2,50 Euro macht der Mehrwertsteuer-Aufschlag 16 Cent pro Liter aus.
Wer am hohen Spritpreis verdient
Wer verdient nun an einem hohen, offenbar vom Rohstoffpreis entkoppelten Treibstoffpreis am meisten? Es macht wenig Sinn, sich bei den Tankstellenpächtern und Mitarbeitern darüber aufzuregen, denn die bekommen ebenfalls Margen pro Liter - also unabhängig von den Verkaufspreisen.
Der Löwenanteil landet schlichtweg bei den Mineralölkonzernen und den Raffineriebetreibern. Gabriel Felbermayr, Chef des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, twittert dazu:
In typisch nordischer Transparenz weist der finnische Mineralölkonzern NESTE auf seiner Homepage den aktuellen Margin aus: https://t.co/IqDfzBXoMK
— Gabriel Felbermayr (@GFelbermayr) March 16, 2022
Hat sich seit Mitte Februar vervierfacht, sinkt aktuell nur zögerlich. @jsuedekum @BachmannRudi @monikaturyna @WIFOat @kielinstitute pic.twitter.com/ueUNacMuKg
Alexander von Gersdorff, Verbandssprecher des deutschen Mineralölwirtschaftsverbands EN2X, räumt auch im Gespräch mit der Deutschen taz ein: "Die Raffinerien verdienen deutlich mehr Geld als vorher."
OMV als Gewinner
Und wem kommen die "geopolitischen Risikoaufschläge" in Österreich zugute? In hohem Maß der OMV. Sie betreibt die einzige Raffinerie Österreichs in Schwechat mit einer Rohölverarbeitungskapazität von 9,6 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr - ein Produktionsvolumen von rund 50 % des österreichischen Kraftstoffaufkommens und ist damit "natürlich von überragender Bedeutung", wie die Bundeswettbewerbsbehörde schon in der 2011 erstellten Analyse des Österreichischen Kraftstoffmarkts zum Schluss kam.
Auch wenn daraus nicht mehr alle Zahlen aktuell sind - am dominanten Marktanteil der OMV-Raffinerie dürfte sich seither wenig geändert haben. "Eine Analyse der Bezüge der Majors für den nationalen Markt zeigte, dass 73 % der Kraftstoffe aus Schwechat oder aus grenznahen Raffinerien stammen", berichtet die BWB. und weiter: "Eine Analyse der Lieferbeziehungen ex-refinery der in Österreich relevanten Mineralölkonzerne brachte zum Vorschein, dass solche Beziehungen hauptsächlich in eine Richtung existieren, nämlich von der OMV zu den anderen in Österreich tätigen Majors."
Die von Vizekanzler Kogler angeregte Untersuchung der Spritpreise durch die Bundeswettbewerbsbehörde hätte sich damit auch bereits erübrigt. Als einziger Raffinerie-Betreiber im Land und dominanter Lieferant für die hierzulande tätigen Mineralölkonzerne hängt die weitere Spritpreis-Entwicklung an der Zapfsäule stark an den Risikoaufschlägen der OMV.
Und die OMV wiederum steht zu 31,5 % in Besitz der Österreichischen Beteiligungs AG ÖBAG. Der weitere Kernaktionär (24,9 %) ist die MPPH (Mubadala Petroleum and Petrochemicals Holding Company LLC) aus Abu Dahbi, 43,1 % des an der Wiener Börse notierten Unternehmens sind im Streubesitz.
OMV-CEO Alfred Stern weist dennoch Kritik zurück. "Die Preisgestaltung von Kraftstoffen ist natürlich etwas komplexer als einfach nur die Ölpreise", sagte er am Rande der Pressekonferenz zur Präsentation der neuen OMV-Startegie. Man müsse berücksichtigen, dass für die Raffinerien nicht nur der Ölpreis relevant sei, "sondern dass eine Raffinerie und die Raffinerien in Europa insgesamt heute auch unter dem hohen Strompreis und den hohen Kosten für Gas leiden und damit die Gesamtkosten in die Höhe gegangen sind".
Außerdem sei durch die reduzierten Importe von Ölprodukten aus Russland nach Europa eine Knappheit am Markt entstanden. "Ich verstehe die Frustration, möchte aber gleichzeitig auch alle Anschuldigungen diesbezüglich zurückweisen", betonte der OMV-Chef.