E-Control-Chef Eigenbauer: „Die Konflikte werden noch massiver“
Der scheidende Vorstand der E-Control, Andreas Eigenbauer, über steigende Kosten für Stromkunden, die Lücken im geplanten Ökostromgesetz und warum die Bundesländer den Ausbau von Wind- und Sonnenkraftwerken bremsen.
Andreas Eigenbauer wird am 24. März von Österreichs Strom-Regulierungsbehörde abtreten.
trend:
Herr Eigenbauer, die E-Control kümmert sich nicht nur um Belange der E-Wirtschaft, sondern auch ganz massiv um die Stromkunden. Wird es für diese aus dem geplant massiven Ausbau von Wind- und Sonnenkraft zusätzliche Belastungen ergeben?
Andreas Eigenbauer:
Ob die angestrebte Stromwende für Konsumenten teurer wird, hängt davon ab, ob der Kostendeckel im neu geplanten EAG (Anm: Erneuerbare Ausbaugesetz) so offen bleibt, wie es jetzt eigentlich geregelt ist. Laut Expertenberechnungen kostet die Umstellung auf rein erneuerbare Stromerzeugung bis 2030 jedenfalls rund 45 Milliarden Euro. Die müssen bezahlt werden. Entweder von den Kraftwerksbetreibern, wenn der Deckel doch ernst gemeint wäre. Oder es bleibt die nun vorgesehen offene Regelung, dann wird der Druck auf die Kunden zunehmen.
Im nun vorgelegten Gesetzesentwurf gibt es offenbar ein Hintertürl. Im Regierungsprogramm ist eigentlich festgelegt, dass pro Jahr maximal eine Milliarde Euro für Ökostrom-Förderungen von den Konsumenten aufgebracht werden muss.
Eigenbauer:
Geht man davon aus, dass die Umstellung in den nächsten Jahren bis 2030 45 Milliarden Euro kosten wird, machen die immer wieder angekündigten 10 Milliarden Euro an Förderungen für zehn Jahre gerade einmal 20 bis 25 Prozent der Kosten aus. Und das auch nur dann, wenn diese Mittel vollständig für neue Anlagen zur Verfügung stehen, tatsächlich sind diese Mittel aber für den Bestand durch zu geringen Marktpreis weitgehend gebunden. Es ist fraglich, ob man damit das gewünschte Ausbauziel erreicht. Ökostrom ist mit Erzeugungskosten von durchschnittlich knapp über 10 Cent je Kilowattstunde deutlich weiter als 20 Prozent vom Marktpreis entfernt. Das heißt, da muss man mit den Gestehungspreisen der Kraftwerksanlagen noch runterkommen oder deutlich mehr Mittel einsetzen
Wie schätzen Sie die Chance zur Zielerreichung also aus ein? Die E-Wirtschaft wird nicht müde zu betonen, wie „ambitioniert“ das Ziel sei.
Eigenbauer:
Wenn ein Techniker sagt, ein Ziel sei ambitioniert, meint er: es ist unrealistisch. Bis jetzt hat Österreich noch keinen Plan, wie genau es das Ziel erreichen will. Es wird nämlich nicht mehr vorgegeben, als ein Zielwert.
Ich dachte, das neu geplante EAG soll dieser Plan sein?
Eigenbauer:
Im neuen EAG steht das auch nicht drinnen. Es gibt kein Gesamtbild, wann, wo, was passieren soll. Es ging bisher eher um das Fixieren neuer, noch härterer Zielvorgaben. Normalerweise macht man zuerst einen Plan über seine Möglichkeiten, und schaut, welches Ziel man damit erreichen kann. Nicht umgekehrt. Das passt in Österreich nicht zusammen. Im Effekt werden die politische Ziele auch unglaubwürdig, weil sie unrealistisch werden.
Das neue EAG soll zumindest die Förderungen für Ökostrom neu regeln. Klappt das?
Eigenbauer:
Bei allen guten Ansätzen bleiben ein paar fragliche Punkte. Etwa bei Power2Gas–Anlagen, die nur gefördert werden, wenn sie nicht marktfähig sind. Oder bei den neuen Energiegemeinschaften, die auch Pflichten als Netzbetreiber übernehmen müssten. Oder bei den geplanten pauschalen Netzanschlussgebühren auch für kleine PV-Betreiber. Oder bei den vielen Rabatten für die Netzkosten, die nun gewährt werden sollen, bei Wasserstoff, Pumpspeicherkraftwerke oder Energiegemeinschaften. Klar, dass diese Kosten dann die Allgemeinheit tragen muss.
Es zeigt sich doch auch, dass vor allem die Bundesländer die notwendigen neuen Flächen für die viel mehr PV- und Windkraftanlagen nicht umwidmen wollen.
Eigenbauer:
Die Bundesländer haben noch die realistischeren Pläne. Die gehen eher davon aus, welchen Spielraum sie haben. Und sie wissen, was in der Bevölkerung geht, und was nicht. Aber das passt halt mit den Plänen des Bundes nicht zusammen. Beispiel Zonierungen für Windkraft: Woher sollen denn die zusätzlichen Flächen plötzlich kommen?
Das Burgenland etwa hat mit seinem Plan, eine neue Landesabgabe auf Windräder einzuheben, ziemliche Aufregung verursacht.
Eigenbauer:
Die Frage neuer Abgaben auf lokaler Ebene ist bisher noch nicht ausdiskutiert, aber logischerweise werden Kraftwerkserrichtungen auch unter diesen Blickwinkel betrachtet. Grundsätzlich ist die Nutzung öffentlichen Gutes für kommerzielle Zwecke Gebrauchsabgabenpflichtig. Das gilt für alle kommerziellen Zwecke, dazu muss es kein Kraftwerk sein.
Hat man den Flächenwettkampf unterschätzt?
Eigenbauer:
Bei dem Weg, weg von den Ressourcen unter der Erde, hin zu denen an der Oberfläche, wird der Flächenbedarf riesig. Und die Frage wird sich stellen: Wer gibt diese Flächen her und welchem Hauptzweck sollen sie dienen? Die Konflikte werden noch massiver werden.
Neue Spitze bei E-Control
In der Stromregulierungsbhörde E-Control wird ab 24. März 2021 die Führung neu besetzt: Andreas Eigenbauer tritt ab.
Statt dem Anfang 2016 in den Vorstand bestellten Eigenbauer soll künftig der Energieexperte Alfons Haber gemeinsam mit Co-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch die Energie-Regulierungsbehörde leiten. Infrastrukturministerin Leonore Gewessler hatte den Wechsel im November 2020 angekündigt. Der Vertrag von Urbantschitsch wurde verlängert. Die neue Funktionsperiode des E-Control-Vorstands läuft bis März 2026.