Die Durchstarterinnen
Durch die Corona-Krise geraten Start-ups in den Fokus, die sich in krisensicheren Branchen bewähren. Hier können GRÜNDERINNEN nun ihre Stärken ausspielen. trend stellt drei von ihnen vor.
Theresa Imre, Gründerin der Online-Plattform "markta".
Im letzten Lockdown haben viele Bauern über Nacht ihren Direktvertrieb verloren. Das war für uns die große Chance", sagt Theresa Imre, Gründerin des Onlineportals markta für regionale Lebensmittel. Also verfasste die Ex-Bloggerin kurzerhand ein paar Facebook-Posts - und das Thema ging viral: "Innerhalb kürzester Zeit hatten wir Millionen Aufrufe auf unserer Webseite, und die Bestellungen explodierten auf über 2.500 pro Woche", erzählt Imre über den coronabedingten Boom im Frühjahr.
Der Sommer brachte zwar etwas Ruhe ins Geschäft. Aber mit den steigenden Infektionszahlen ist ein neuer Ansturm absehbar: "Wir erleben gerade ein 25-prozentiges Wachstum pro Woche", freut sich die Vorzeige-Gründerin. In mehreren Ministerien und im Kanzleramt war sie zu Gesprächen eingeladen, um ihre Vision von einem lokal verankerten Lebensmittelsystem vorzutragen. Eine Botschaft, die mittlerweile sogar Kanzler Kurz unterstützt, indem er zum Kauf heimischer Produkte rät.

THERESA IMRE, GRÜNDERIN MARKTA
markta. Theresa Imres Portal für regionale Lebensmittel, "markta", boomt seit Ausbruch der Corona-Krise. Die Zugriffe auf die Website des Start-ups und die Zahl der Bestellungen haben sich vervielfacht. Die Vorzeigegründerin will aber mehr erreichen, als nur Geld zu verdienen. Sie setzt sich auf politischer Ebene dafür ein, dass die Lebensmittelproduktion lokal verankert wird.
Erfolgreiche Solo-Gründerinnen wie Imre oder rein weibliche Teams sind in Österreich allerdings die Ausnahme. Nur bei jedem dritten Start-up ist zumindest eine Frau beteiligt. Auch in den Chefetagen der meisten Venture-Capital-Fonds sitzen Männer. Und Business Angelinas sind ohnehin eine Rarität. "Das Start-up-Ökosystem ist wahnsinnig maskulin geprägt", so auch die Erfahrung der markta-Gründerin, die 2021 den Break-even erreichen will.
Wo Frauen gründen
Die Corona-Krise hat den Blick auf die Start-up-Szene verändert. Robuste Geschäftsmodelle in Zukunftsbranchen stehen mittlerweile im Fokus - und damit genau die Themen, die Gründerinnen bevorzugen.
Nach Lebensmitteln und Ernährung, Bildung und Konsumgütern ist das mit Abstand beliebteste Sujet die digitale Gesundheit. Fast 17 Prozent der Frauen geführten Start-ups sind in diesem Bereich tätig - und nur 6,5 Prozent der Männer. Hier können die Entrepreneurinnen ihre Stärken ausspielen: "Vor dem Hintergrund ihrer hohen Expertise in den Naturwissenschaften sind Gründerinnen elementarer Treiber medizinischer Innovationen", heißt es im aktuellen "Female Founders Monitors" für Deutschland, dessen Erkenntnisse sich auch auf Österreich übertragen lassen.
Barbara Sladek hat in Oxford in Biochemie promoviert, dann bei Siemens gearbeitet und nebenbei ihren MBA in Corporate Finance gemacht. 2018 gründete sie das Gesundheits-Start-up myBioma. Angesiedelt am FH Technikum Wien und mit Sitz in Niederösterreich zielt das junge Unternehmen auf die Revolutionierung der Darmdiagnostik ab. Mit Hilfe der fortgeschrittenen Bioinformatik - Next Generation Sequencing - und künstlicher Intelligenz wird die Darm-Flora analysiert. "Unsere Kernkompetenz besteht darin, Algorithmen zu entwickeln, mit denen sich das Mikrobiom entschlüsseln lässt", sagt Sladek.

BARBARA SLADEK, CEO MYBIOMA
myBioma. Das 2018 gegründete Health-Tech-Start-up will die Diagnostik des Darms revolutionieren und setzt dabei auf Bioinformatik und künstliche Intelligenz. Erstes Produkt ist ein Selbst-Test zur Mikrobiom-Analyse, der durch die Corona-Krise eine starke Nachfrage erfuhr. Die kürzlich erhaltene mittlere sechsstellige Wachstumsspritze will das niederösterreichische Start-up vor allem in die weitere Produktentwicklung stecken.
Erstes Produkt ist ein Testkit für zu Hause, mit dem eine Stuhlprobe zur Diagnostik mittels des neuen Verfahrens in einem Labor ausgewertet wird und der Kunde anschließend einen Report über Stoffwechsel, Kalorienverbrauch, bakterielles Ungleichgewicht erhält.
"Durch Corona hat es einen großen Shift weg von persönlichen Konsultationen hin zu Selbst-Tests gegeben. Davon haben wir stark profitiert", sagt Sladek, die sich bewusst für ein gemischtes Gründerteam entschieden hat -und den neun Jahre jüngeren Mediziner Nikolaus Gasche an Bord holte. Dies auch deshalb, weil sie davon überzeugt ist, dass Diversität in der Führung zu besseren Resultaten in puncto Kreativität, Problemlösung und Profitabilität führen, wie zahlreiche Studien belegen.
Innerhalb des Teams übernimmt sie die Gespräche mit Investoren. "Sicherlich gibt es immer noch viele Geldgeber, die lieber rein Männer geführte Teams bevorzugen. Aber das beginnt sich zu ändern", so ihre Erfahrung.
Um sich auf das Pitchen professionell vorzubereiten, nahm sie im Mai 2019 am ersten Durchlauf des Accelerator-Programms "Grow F" der Female Founders, einer noch recht jungen Organisation mit Sitz in Wien, teil. Der Fokus der Workshop-Reihe lag auf Investment Readiness und Persönlichkeitsentwicklung. "Als Frau muss man lernen, im Pitch die richtigen Worte zu finden und auch mal drüberzufahren, wenn es die Situation erfordert", sagt Sladek, die mittlerweile die Zusage hat, dass die jüngste Finanzierungsrunde über einen sechsstelligen Betrag vom Covid-Hilfsfonds gehebelt wird. Sie muss also vor den rein männlichen Geldgebern genau die richtigen und überzeugenden Worte gefunden haben.
Hürde Finanzierung
"Es ist grundsätzlich schwer, ein Millionen-Investment an Land zu ziehen", sagt Lisa Smith, Co-Gründerin von Prewave und dort für Investorengespräche zuständig. "Ich habe aber nicht das Gefühl, dass man als Frau einen Nachteil hat. Es ist einfach schwere Arbeit", so Smith, die kürzlich eine siebenstellige Finanzierungsrunde aufstellen konnte. Studien belegen allerdings, dass viele Gründerinnen weiterhin Probleme haben, Zugang zur Finanzierung finden - vor allem bei Beträgen über einer Million Euro.

LISA SMITH, CO-FOUNDER PREWAVE
Prewave.Lieferkettenprobleme und Lockdowns haben die Autoindustrie in den vergangenen Monaten in Atem gehalten. Hier schafft das Wiener Start-up Prewave Abhilfe, das ein Risiko-Warnsystem entwickelt hat. Dazu werden öffentlich zugängliche Daten in 50 Sprachen ausgewertet. Die in der Corona-Krise entwickelte Supply-Chain-Map hilft den Kunden, die Risiken geografisch zu visualisieren. Smith ist zuständig für Investorengespräche.
Prewave ist in einer Nische tätig, die in der Corona-Krise große Aufmerksamkeit erfahren hat. Das Start-up generiert aus öffentlichen Daten wie Medienberichten und Social-Media-Posts Risikohinweise über Lieferkettenprobleme oder Lockdowns für die Autoindustrie. Funktionierte der Warndienst bisher per Mail, wurde in den letzten Monaten eine Supply-Chain-Map entwickelt, also eine geografische Darstellung der Risiken. "Wir haben dadurch viele Kunden gewinnen können", so Smith, die ihren Erfolg in der Start-up-Szene auch auf eine besondere Ausgangssituation zurückführt: "Ich bin als Frau sehr gefördert worden", sagt sie. Um in Zukunft noch mehr Frauen zum Gründen zu ermutigen, braucht es aber mehr Vorbilder, ist sie überzeugt.
Lisa Woess von den Female Founders, wünscht sich darüber hinaus Bewegung auf Seiten der Venture-Capitalists: "Je mehr Diversität auf Seiten der Geldgeber, desto mehr Diversität zeigt sich auch in deren Portfolios - und damit in der gesamten Start-up-Szene."